Der Tragödie letzter Teil,
oder: Wie stimme ich ohne Ahnung bis zu einem halbwegs akzeptablen Ergebnis?
Nur eines vorweg: Mein gutes Akkordeon wird im Herbst auf jeden Fall den Weg zum Reinstimmer finden, nur sind jetzt gerade Zeit und Geld nicht vorhanden.
Den Beitrag setze ich deshalb rein, um eine Diskussion für das Für und Wider der folgenden Methode und ev. weitere Ideen zu bekommen.
Opfer ist dieses Mal aber nicht das kleine Akkordeon, sondern meine große Musette.
Da der Lösabstand jenseits von gut und böse war, baute ich also die Stimmstöcke aus (Reinstimmer schreit "Autsch!" - und das zu recht), und bog erst mal mit dem Schraubenzieher (schöne kleine), was das Zeug hält, bis der Lösabstand jeder Zunge innen wie außen ein akzeptables Maß hatte, sodaß die Zunge bei leichtem wie starkem Druck sofort anspricht. Ich habe da leider ein paar Sorgenkinder, die weiterhin nicht immer so wollen wie ich... irgendwann werde ich denen aber nochmal auf den Leib rücken... oder der Reinstimmer. Jetzt paßte zwar der Lösabstand und die Zungen sprechen gut an, jedoch war nun die Stimmung jenseits von gut und böse. Also ran an den Speck. Zeiteinsatz war 2 Tage (mit Unterbrechungen, weil man irgendwann blöde von wird...)
Mein Handwerkszeug ist ein Satz Stahlfeilen, ein Diamantkratzer, ein Reißnadelstift, eine Doppelreißnadel, ein Satz kleiner Schraubenzieher (eigentlich -dreher) und jede Menge Optimismus.
Als Stimmgrundlage dient mir Cubase und ein Plugin, das sowohl die Hzzahl als auch die Centabweichung zeigt.
Jetzt brauch ich noch einen Stimmbalg oder Stimmstock. Beides nicht vorhanden, aber ein zerlegtes Akkordeon. Also nehme man eine schwere Holzplatte, klebe auf beiden Seiten ein Dämmmaterial darauf, bohre ein großes Loch (und das muß groß sein, damit genug Luft durchströmen kann... alles andere führt zum Chaos beim Messen) und lege diese Platte auf das Gehäuse. Da die Horch keine seitlichen Löcher für Stifte hat, dafür aber einen Ring an passender Stelle, um so den Balg zu bedienen (wußten die schon 1980, daß ich fast 30 Jahre später mal so einen Scheiß mache?), war so mein Stimmstock fertig. Voila, er funktioniert auch noch sehr gut.
Nun eine Excel-Tabelle geöffnet und für jedes Register eine Druck- und eine Zugspalte gemacht und das ganze nochmal. Die Erklärung kommt gleich.
Aufgrund des momentanen Stimmbalges (eine andere Version werde ich mir noch bauen, die das Stimmen mit eingebauten Stöcken ermöglicht) muß ich ja die Stimmstöcke ausbauen. Da wird aber das Ergebnis verfälscht.
Also erfolgt zuerst die Messung mit noch zusammengebautem Akkordeon. Jede Centabweichung wird notiert.
Danach werden die Stimmstöcke ausgebaut und auf den Stimmstock gesetzt. Und oh Wunder... da kommen plötzlich ganz andere Ergebnisse raus. Daher stimme ich das vorliegende Ergebnis je nach der Abweichung (im Akkordeon) entsprechend höher oder tiefer.
Erschwerend kommt hinzu, daß gerade die Tremoloreihen besonders verstimmt sind. Da kann man mit der Methode dann nur auf einen Sollwert hinstimmen.
Einmal passte ich nicht auf und ruinierte mir ein Ventil, das innen lag. Also Lötkolben an und auf Stufe 1. So wird das Wachs nur weich und ich kann es mit dem Lötkolben von der Platte wegdrücken. Die Platte kann ich dann leicht herausdrücken und nach der Reparatur wieder eindrücken. Jetzt den Lötkolben auf Stufe 5 und das Wachs wieder an die Platte randrücken. Das Ergebnis läßt sich sehen: Wer nicht weiß, daß ich die Platte rausgenommen hatte, tut sich schwer, diese zu finden. Ich brauchte dazu kein neues Wachs.
Um möglichst wenig Material abzutragen, muß natürlich immer wieder kontrolliert werden und man kriegt mit der Zeit ein Gefühl, wie viel da weg muß. Aber das kostet eben viel Zeit...
Nachdem nun die einzelnen Zungen gestimmt waren (der Vorteil in diesem System liegt darin, daß ich die innenliegenden nicht mit Angeln heraushole, sondern mit dem Schraubenzieher herausdrücke, was schonender sein dürfte) und auch die Lösabstände nochmal geprüft, kam wieder der Einbau.
Da ein Akkordeon nach einem Großeingriff wie Lösabstandverrichtung seine Stimmung nach einmal Stimmen nur schwer hält, darf ich nochmal ran. Der Test mit dem zusammengebauten Akkordeon aber ergab sowohl einen guten Klang als auch nur wenig Ausbrecher. Nachdem ich alle 0 +/- 1 Centabweichungen jetzt mal ausgelassen habe, wobei viele sogar bei 0 liegen, sofern sie nicht zur +/- 2 tendierten, habe ich nochmal eine neue Exceltabelle erstellt. Und siehe da, 56 Zungen sind zu korrigieren, wobei die Abweichungen wie folgt aussehen: 1 x 9 Cent, 1 x 5 Cent, 2 x 4 Cent, 7 x 3 Cent, der Rest 2 Cent. Bei den Schwebetonregistern muß ich nochmal die Einzeltöne kontrollieren, wobei auch da die Abweichungen nicht mehr als 3 Cent sein dürften.
Ich lasse das Akkordeon für heute mal ruhen, werde morgen nochmal eifrig spielen und dann die Tabelle vergleichen. Danach setze ich nochmal die Stimmung an.
Grüße
Ippenstein
P.S. Reinstimmer sind Götter!