[Gitarre] Ibanez AS93C NT

  • Ersteller the_priest
  • Erstellt am
the_priest
the_priest
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
24.02.18
Registriert
18.12.06
Beiträge
998
Kekse
2.527
Ort
Leipzig
Hier nun also das Review zu meinem neuen Familienmitglied:

Eine kleine (halbjährige) Vorgeschichte


Schon seit geraumer Zeit war ich auf der Suche nach einer neuen, hochwertigeren Gitarre. Zwar bin ich mit meiner ARIA ganz zufrieden, allerdings mulmen mir die Pus doch etwas zu sehr, und insgesamt suchte ich einen jazzigeren, gleichzeitig aber wärmeren und kultivierteren Ton. Folglich richtete ich meinen Fokus auf Semiakustische Gitarren, einfach weil ich all den Jazzern Vertrauen schenkte, die sich auf das Semiakustische Prinzip verlassen (wobei ich auch den Empfehlungen in Bezug auf Solidbody- Gitarren nachging). Und so habe ich alle Gitarren, die in die Richtung gingen und die ich in meiner Nähe auftreiben konnte, getestet und die Ibanez hat sich als das charaktervollste und ausgeglichenste Instrument erwiesen.
Die Testkandidaten (an die ich mich noch erinnern kann):
Höfner Verythin Contemporary
PRS Singlecut SE
Hagström Viking
Epiphone Dot /Dot Studio
Epiphone Les Paul
Ibanez AF75TDG-IV

(Für ausführlich Meinungen zu den Instrumenten mich einfach kontaktieren.)

Spezifikationen:

Hals: 3- teilig: Mahagoni/Ahorn eingeleimt
Korpus: Cocobolo (Sustainblock aus Ahorn)
Bünde: 22 Medium
Griffbrett:palisander
Einlagen: Pearl/Abalone Rechteckig
Brücke: ART-1 mit Quik Change III Tailpiece
Hardwarefarbe:Gold
Tonabnehmer:
IBZ Humbucker Halsposition IBZ ACH1 (H)
IBZ Humbucker Stegposition IBZ ACH2 (H)
Gigbag und Gurt Inklusive
Farbe: Natur
Gewicht: ca. 3,8 kg
Preis: 480-500€

Konstruktion und Verarbeitung


Einiges könnt ihr ja schon den Spezifikationen entnehmen, zu Einigem muss ich aber auch noch etwas los werden. Sofort fällt natürlich die aufwendige und traumhafte Cocobolo- Decke auf, doch ist dieses Holz(furnier) tatsächlich nur für die Decke verwandt, der Sustainblock ist aus Ahorn, was sich dann im Klang meiner Meinung nach auch widerspiegelt (dazu gleich mehr).
Der Hals ist von etwas kräftigerem Format und hat nicht viel mit den schnellen Hälsen zu tun, an die der moderne Spieler womöglich gewöhnt ist; es ist eben keine Gitarre für Todesmetaller. Dennoch ist die Bespielbarkeit unproblematisch und man dürfte auch mit kleineren Händen seine Finger gut über das Griffbrett bewegen können. Der stärkere Hals unterstützt natürlich auch die Klangeigenschaften und das Sustain. Am oberen Ende des Griffbrettes befindet sich dann noch ein Kragen (Volute, wie ich in der Fachpresse lesen durfte), der die Hand bequem stoppt. Feine Sache.
Wirklich toll ist die Stillstabilität und die sehr gute Funktion der Mechaniken. Zugegeben, man kann das in dieser Preisklasse erwarten, aber ich habe auch anderes erlebt (Stichwort Epiphone).
Bei den Pickups setzt Ibanez auf die übliche Bestückung für die Artcore- Serie, in der eine Besonderheit liegt: der Stegpickup ist mit 16kOhm wesentlich heißer als sein Kollege am Hals, der mit 8kOhm deutlich moderater daherkommt und auch so agiert. Ich vermute dahinter folgende Idee, die sich aus der Praxis ergibt: am Hals, wo eh die klassischen Jazzsounds üblicherweise abgenommen werden, sitzt der zahme Tonabnehmer, damit ordentlich gejazzt werden kann und am Steg, die klassische Rock- Rhythm- Position, verrichtet die moderne Variante ihren Dienst, damit man mit dem Schmuckstück auch mal ordentlich den Rocker geben kann. Dieses Konzept geht auf.
An dieser Stelle folgt nun der, für mich, einzige Kritikpunkt: die Effektivität der Tonpotis. Die beiden Lautstärkeregler funktionieren gut, so lässt sich auch der Wilde am Steg etwas fesseln, aber ich hätte mir doch effektivere Tonpotis gewünscht, denn zu Beginn des Regelweges geschieht im Klangbild nicht viel, nur ganz leicht entziehen sich die Höhen der Verantwortung. Erst zu Ende, bei etwa dreiviertel des Weges, kann man eine tatsächlich Veränderung hören. Das verhalten ist zwar nicht wirklich dramatisch, aber eben doch erwähnenswert.
Das edle Outfit ist keine Täuschung, sie ist tatsächlich sehr gut, in Ibanezmanier, verarbeitet, ich habe bis jetzt auch bei näherer Betrachtung keinerlei Verarbeitungsfehler gefunden. Keine Lackfehler, die Bindings sind sehr korrekt gearbeitet, alles sitzt fest und die Mechaniken wirken äußerst stabil. Ibanez macht seinem guten Namen alle Ehre und liefert hier ein sehr gut gearbeitetes Instrument, dass dank seiner tollen Maserung ein Augenschmaus dazu ist (man muss dem Publikum ja auch was für die Augen bieten ;)).
Was die Einstellung betrifft: da ich sie im Laden meines Vertrauens gekauft habe, wurde sie dort bereits im Vorhinein eingestellt; zu meines vollsten Zufriedenheit. Die Jungs haben dafür ein gutes Händchen.

Handling

An den dickeren Hals gewöhnt man sich recht schnell, so dass sich im Spielen keinerlei Probleme einstellen, im Gegenteil, ich fühle mich mit dem „Mehr“ in der Hand sogar wohler, als mit den modernen Hälsen. Am Gurt hängt sie ausgewogen und man merkt ihr das Gewicht beim Spielen nicht wirklich an. Der tiefe Cutaway sichert auch in hohen lagen eine hervorragende Bespielbarkeit, wie man es von ES- Modellen gewöhnt ist.

Der Klang,

der eigentlich Grund für den Kauf, auch wenn ich schon von der Optik geschwärmt habe, denn ich habe hier den klassischen Sound gefunden, den ich eigentlich gesucht habe, mit einem ganz eigenen, kleinen Touch, der ihr Charakter verleiht. Aber ganz von vorn: Akustisch klingt sie sehr ausgewogen und laut, sie schwingt ordentlich mit und aus, dabei klingt sie tatsächlich klassisch, nach einem alt bekanntem Konzept. Das Cocobolo scheint aber doch noch eine eigene Note mit einzuführen, die ich schlecht beschreiben kann, denn man merkt es eher subtil. (Ich greife hier auf den Vergleich mit der Ibanez AF75TDG-IV zurück, die ausschließlich auch Ahorn und Mahagoni gebaut ist und die, trotz hervorragendem Klang, irgendwo das gewisse Etwas fehlte).
Verstärkt überträgt sich der akustische Eindruck, das Klangbild bleibt ausgeglichen, voll und immer etwas perkussiv, alle Saiten werden gleich betont und das Sustain kann sich allemal sehen lassen.
Der Hals- PU erfüllt die Erwartungen nach einem luftigen, perkussiv geprägten, aber vor allem warmen Jazzsound. That’s what you are looking for. Rhythmusakkorde gehen sauber von der Hand, auch komplexe Akkorde (Fm#7b5 und solche Scherze) werden klar und verständlich dargestellt, es gibt keinen Mulm (wie etwa bei Epiphone), sondern jeder Ton ist deutlich und wohlgeformt zu hören. Solospiel ist ebenso die pure Freude, hier klingt sie wiederum sehr warm und weich, selbst in hohen Lagen erhält jeder Ton soviel Fundament und Stärke, wie ihm gebührt. Wem der Ton allerdings noch zu klar und hell ist, kann mit dem Tonpoti ohne Probleme abdunkeln (wie erwähnt, man muss dann doch schon etwas mehr drehen, bevor eine hörbare Veränderung stattfindet.) Auch im angezerrten Bereich agiert sie hier sehr schön und Obertöne klingen sehr ausgewogen.
Der Steg- PU lässt da schon andere Töne von sich. Die höhere Potenz merkt man ihm deutlich an, so wunderschöne Cleansounds wie seinem Kollegen sind ihm nicht zu entlocken, er fühlt sich dann doch eher im aggressiveren Milieu, wie im Funk oder Ska, wohl. Auch kann es passieren, dass sich mit einem an der Grenze der Verzerrung arbeitenden Verstärker schnell ungewollt Verzerrungen in den Klang einschleichen, insofern sollte man hier mit dem Volumepoti etwas nacharbeiten. Mit genügend Gefühl im Spiel lässt sich aber auch hier viel anfangen, denn auch wenn er nicht an die Qualität des Hals- Pus herankommt, besser als gut ist er allemal.
Eine kleine Überraschung erlebte ich in der Mittelposition des Toggleswitch: einen erwarteten hohlen Klang erreicht man hier durchaus nicht; glockig ja, aber die Orientierung weist hier doch in Richtung eines runden, warmen Klangbildes, ähnlich dem Halstonabnehmer, auch wenn er an dessen Klasse im Jazz nicht heranreicht, aber für andere Einsätze, womöglich im Pop oder ähnlichem erhält man hier eine, dank der vier Potis, sehr variable und gute Möglichkeit, übliche Sound- Wege zu verlassen. Ausgeglichen, wie die Gitarre sich schon ingesamt erwiesen, bleibt es auch hier.
Im Verzerrten erweist dann zu allererst der Stegpickup seine Stärken. Wie schon zu Anfang erwähnt, das Rockkonzept geht auf, es drückt ordentlich aus dem Lautsprecher (oder den) und es stellt sich ein schöner, ausgeglichener Overdrive ein. Auch Soli erhalten Kraft, gehen mit ordentlich Sustain von der Hand.
Am Hals spürt man deutlich den Kraftunterschied, aber auch hier lässt sich sehr schön mit arbeiten, wie man es von einer guten Humbuckergitarre gewöhnt ist. Bei allem bleibt der Charakter der Gitarre gut erhalten, das perkussive verschwindet nie vollends aus dem Klangbild. Vor allem weiche Blueslines versprechen hier von erfolg gekrönt zu sein.
In der Mittelstellung stellen sich dann doch leicht hohle Klänge ein, aber ich nutze diese Einstellung im verzerrten Bereich normalerweise als Solosound, in dem ich den Hals- PU ein wenig zurück nehme (ein weiterer Grund für den Kauf, denn schon beim ersten Versuch mit dieser Einstellung hat mich der Klang voll und ganz überzeugt).
Aber Vorsicht: Ich warne eindringlich davor, hohe Verzerrung zu nutzen, denn dann erhält man sehr schnell ein Feedback. Eine Metalgitarre ist sie (wie auch) in keinem Fall, man sollte sie im Jazz/Fusion/Funk/Rock/Pop, höchstens noch im Hard Rock belassen.

Fazit

Für knapp 500€ gibt es ein rundum gutes Instrument, mit dem Mann und Frau einiges anfangen kann. Dank der PU- Bestückung und Konstruktion ist sie äußerst vielseitig einsetzbar. Die Bespielbarkeit ist Top, der Klang erste Sahne und die Optik beeindruckend: das ergibt ein fantastisches Preis/Leistungsverhältnis. Wer also ein Instrument für klassischen wie modernen Jazz, Fusion und Funk sucht ist hier genau richtig, aber auch derjenige, der einfach nur den Klang einer Semiakustik sucht, darf hier zugreifen. Natürlich sollte man sie nicht mit einer 3500€ teuren Gibson ES oder einer genauso teuren Framus vergleichen, aber im Preisbereich bis 1000€ denke ich sagen zu können, dass es eines der Topinstrumente ist.

Insgesamt zeigt Ibanez, dass sie verstehen, für relativ wenig Geld, mehr als ordentliche Instrumente zu bauen, mit denen man weithin etwas anfangen kann. Wer sich für die Konstruktionsart dieser Gitarren interessiert, sollte die Artcore- Reihe nicht unbeachtet lassen.

Einige wenige
Bilder
gibt es im Anhang. Mehr werden demnächst folgen, wenn ich wieder eine gute Kamera zur Hand habe.

Die immer geforderten
Soundsamples
gibt es ebenfalls demnächst, allerdings warne ich vor zu großen Erwartungen, denn meine Aufnahmemöglichkeiten sind auch ein billiges Computermikro beschränkt.
 
Eigenschaft
 

Anhänge

  • DSCF0039.jpg
    DSCF0039.jpg
    199,8 KB · Aufrufe: 772
  • DSCF0040.jpg
    DSCF0040.jpg
    175,4 KB · Aufrufe: 768
  • DSCF0041.jpg
    DSCF0041.jpg
    190,3 KB · Aufrufe: 541
Das Review ist gut geschrieben, die Gitarre gefällt, nur folgende Aussage empfinde ich als etwas zu pauschalisiert ausgedrückt. Ich hatte schon viele richtig gute Epi's in der Hand ;)

Rhythmusakkorde gehen sauber von der Hand, auch komplexe Akkorde (Fm#7b5 und solche Scherze) werden klar und verständlich dargestellt, es gibt keinen Mulm (wie etwa bei Epiphone), sondern jeder Ton ist deutlich und wohlgeformt zu hören.

MfG
 
danke erstmal für's lob.

zugegeben, es ist pauschalisiert und eigentlich kann ich mir kein urteil erlauben, denn ich hatte in meinem leben erst 3-4 epis in der hand, nur irgendwie war eben diese charakteristik bei allen mehr oder weniger ausgeprägt (bei den dots weniger als bei ner paula).
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben