@PVaults
Wenn ich ein Stück in A-moll spiele und jetzt ein kurzes dorisches Solo einbauen will, denke ich weiterhin in A-moll. D ist ein guter Kadenzakkord. Wenn A-moll etabliert ist, wirkt er wie eine Blues-Subdominante. Er enthält den markanten Ton f# und unterstützt damit den Modus. Gmaj7 und Bm7 sind ebenfalls geeignete Kadenzakkorde, die den dorischen Modus unterstützen.
Siehst du, genau das ist das Problem:
Du brauchst hier für jede Skala jede Menge Akkorde, die du "lernen" mußt - dabei kannst du sie schon. Du mußt nur den Kontext begreifen, und der Kontext ist eben NICHT dorisch - dorisch ist nur die Färbung, d.h. es "klingt" dorisch.
Wenn du dich mal hier (und wenn du unterrichtest) umschaust, wirst du feststellen, daß viele Musiker mit dieser Denkweise ein Problem haben: Sie dödeln Skalen rauf und runter, Hauptsache, die Skala stimmt. Musikalisch Wertvolles kommt da selten raus, wie auch die vielen Fragen zeigen.
Daher bin ich gar kein Freund dieser Denkweise. Sie verwirrt Musiker, und viele sind auch nicht bereit, jahrelang Skalen zu üben (die sie oft schon können, nur der Startton ist ein anderer...).
Meist ist die Frage nach der Skala eher eine Frage nach den Funktionen, also welche Akkorde denn "passen". Mit reiner Skalenreiterei kommst du da nicht hin.
Warum sollte auch jemand sieben Skalen lernen, wenn er nur eine einzige zugrundeliegende Skala braucht? Und wenn man dann HM oder MM dazunimmt, wird´s richtig munter, denn dann kann der Schüler gerade nochmal weitere 14 Skalen lernen - wohlgemerkt für EINE Tonart sind das dann 21 Skalen!?!
Mit der von mir empfohlenen Methode muß er drei Skalen lernen, die Ohren schulen muß er ja so oder so, ob er nun 21 Skalen mit einem tonalen Zentrum hören lernt oder ob er drei Skalen und das drehen im Quintenzirkel lernt.
Der wichtigste Vorteil ist jedoch, daß die musikalischen Zusammenhänge klar werden - übrigens verzichtet ja selbst Sikora ganz und gar nicht auf Funktionen, also muß auch das gelernt werden.
Man kann sich viel Arbeit machen und stumpf üben...
Das momentane tonale Zentrum erkennt eigentlich jeder, wenn er mal die Grundkadenz kennengelernt hat. Nun kann er auch Akkorde tauschen, neue Tonleitern ergeben sich von ganz alleine.
Wichtiger ist doch, Akkorde zu erkennen, dann weiß man sofort, wo man ist.
Substituieren würde ich nicht, wenn es um den dorischen Klang geht.
Wenn es um den dorischen Klang geht, könnte man vielleicht streiten. Ich denke aber, daß mit der Frage des Threadstellers eher die Suche nach passenden Kadenzakkorden gemeint ist. Und wie man Akkorde erweitern bzw. austauschen kann. Und welche Akkorde davor und dahinter gesetzt werden können...
Auch erweiterte Kadenzen - weil die im Eröffnungsbeitrag erwähnt wurden - halte ich für schwierig. Die typische dorische Klangwirkung bleibt nur erhalten, solange Am7 als Tonika wirkt. Je länger die Kadenz zum Am7 (je mehr Akkorde), desto höher die Wahrscheinlichkeit, daß man a als Zentrum verliert.
Dann verkennst du die Tatsache, daß sich dorische Charakter wegen seiner Stellung in der erweiterten Quintfall-Kadenz ergibt. Diese Kadenz ist die Ursache für alle Klangwirkungen.
Schau dir auch mal unter dem Gesichtspunkt, den ich anspreche, Bach-Inventionen an, da siehst du genau das, was ich meine. Mit der Skalen-Theorie kommst du da nicht weit.
p.s. Und weil du Sikora erwähnt hast. Der Mann hat mir erst beigebracht, daß man einen Mode als Grundfarbe wahrnehmen und verwenden kann. Überhaupt hat er mir Skalen als Klänge greifbar gemacht.
Ich sage ja nicht, daß Sikora völliger Quark ist. Es kann nur mit dem Lernen viel schneller gehen. Und wenn Sikora auf die Funktionen kommt, wird´s manchmal ganz finster, wenn man nicht den Hintergrund (er-)kennt, zumal ich nicht den Eindruck loswerde, daß ihm der Zusammenhang so klar ist. Daß seine Methode funktioniert, ist sicher keine Frage, aber eben nur mit extrem viel (unnötigem) Üben - was ich DIR sicher nicht sagen muß...
Beim durchlesen von Pöhlerts Buch fiel mir auf: Hätte ich Pöhlert vor Sikora gelesen, hätte ich wohl auch geglaubt, daß die Modi nutzlos sind.
Dann hast du Pöhlert wohl nicht richtig gelesen. Er macht im Prinzip das gleiche, indem er Akkorde umdeutet. Weil er aber funktional denkt, kann er viele Lösungen anbieten, und wenn man weiterdenkt, kann man selbst neue Lösungen entwickeln.
Hier noch eine kleine Spielwiese mit folgender Kadenz als Turnarround:
hm7/b5 - E7
Das ist nach meiner Rechnung eine VII-III-Kadenz (in Dur), wobei die III natürlich dominantisiert ist, was man bekanntlich mit jeder Stufe machen kann und hier den besonderen Reiz mit ausmacht. Sehr einfach zu merken und bereits bekanntes Akkordmaterial.
In Moll könnte man das auch als eine II-V-Kadenz ansehen. Oder als s6-D-Verbindung in A-Moll, aber da muß man den Hammer schon weit ausholen.
Mit der Auflistung von Skalen (z.B. lokrisch-mixolydisch) hast du da vielleicht die richtigen Töne, du weißt aber nicht, was da geschieht.
Wie der zweite Akkord alteriert bzw. substituiert werden kann, ist mit der reinen Skalenrechnerei überhaupt nicht möglich, weil jede Alteration ja eine neue Skala benötigt.
Viel Spaß damit, da kannst du dann mal eine Liste von hier bis Moskau schreiben, welche Skalen funktionieren mit welchem Charater usw.
Da bin ich mal frech und mache mal den Vorschlag:
hm7-E7 und drehe damit am Quintenzirkel eine neue Teilsequenz aus der erweiterten Sequenz, nämlich II-V (in Dur), was bedeutet, daß ich nicht A-Moll, sondern A-Dur damit anpeile.
Dann substituiere ich mal E7 (abstrakt) durch ein Bb-Akkord, z.B. Bbj7 (klingt nach Tonikatypus...)) oder Bb7/9/11 (klingt nach sus)... ich hoffe, es wird klar, was ich meine...