Vom Fender Ur-Precision zum Telecaster Bass

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Hallöli,

vorab möchte ich betonen, dass ich keine Fender Experte bin und auch keine Bücher über Fender Gitarren oder Fender Bässe besitze! Die Infos in diesem Beitrag habe ich in 30 Jahren Musikerdasein aufgeschnappt (oder selbst erlebt). Hinzu kamen genaue Untersuchungen von Bildern der original Fender Bässe (aus denen man jede Menge ableiten kann).
Wichtigste "Zusatzquellen" (besonders für Zeitbestimmungen) waren Artikel über Fender, die Precision und Telecaster Bässe in deutsch- und englischsprachigen Artikeln von Wikipedia. Wer die Artikel nachliest www.wikipedia.de wird aber feststellen, dass ich nicht einfach abgeschrieben oder übersetzt habe.
Ich bitte alle Fender Experten, mich auf inhaltliche Fehler hinzuweisen!

A bass is born
1951 brachte Leo Fender mit dem "Precision Bass" den ersten Serien-E-Bass auf den Markt. Mit seiner simplen - aber genialen - Idee Bundstäbchen, wie bei einer Gitarre, auf dem Bass anzubringen (daher der Name "Precision" = "Präzision") revolutionierte Fender den Bassbau und das Bassspiel.
Ohne die Erfindung des bundierten Solid-Body-Basses wäre die Musikgeschichte eindeutig anders verlaufen. Rockmusik ohne E-Bass ist schwer vorstellbar.

Wann der Name Telecaster Bass entstand weiß ich nicht.
Er könnte bereits Anfang der 1950er Jahre in Musikerkreisen benutzt worden sein. Schließlich war Leo Fenders Telecaster damals in aller Munde - und wem der Name des neuen Basses nicht einfiel, mag ihn - da er aus dem Hause Fender kam und der Telecaster Gitarre ähnelte - einfach Telecaster Bass genannt haben.
Vielleicht kam der Name erst Ende der 50er Jahre auf, um das in vielen Punkten überarbeitete neue Precision Modell vom alten Precision Modell unterscheiden zu können.
Die unwahrscheinlichste Variante ist, dass der Name Telecaster Bass erst 1968 bei Einführung des offiziellen Precision Basses entstand. Man hat bestimmt den inoffiziellen Namen des Ur-Precision für das erste Fender Bass Reissue übernommen.


Fender Precision Bass von 1951 bis 1956
Als der Precision auf den Markt kam, hatte sich Fenders Telecaster Gitarre bereits etabliert. Manche kuriosen - aber billigen - Fertigungsmethoden die Fender eingeführt hatte, waren vom Musikmarkt angenommen worden.
Dazu gehören der geschraubte Hals, der Body aus Esche oder Erle und vor allem der einteilige Ahornhals. Heute werden diese Holzkombinationen und Fertigungstechniken oft als Non-Plus-Ultra des Gitarren- und Bassbaus angesehen. Hätte Fender sich damals billigeres Hartholz besorgen können oder wäre ihm nicht die Idee gekommen Gitarrenhälse wie Baseballschläger herzustellen, sähen Gitarren und Bässe vielleicht heute anders aus - und klängen anders.

Fender hatte mit der Telecaster bereits die Erfahrung gemacht, dass auch ein Ahornhals einen Stahlstab (Trussrod) benötigt. Also erhielt auch der Precision Bass einen von hinten eingesetzten und am Body zugänglichen Halseinstellstab. Die Silhouette der Telecaster Kopfplatte wurde beim Bass weitgehend übernommen und auch die Vierpunkt-Halsbefestigungsplatte fand weiter Verwendung.
Der Steg war ein einfaches Winkelblech. Wie bei der Tele war ein einstellbarer Reiter für zwei Saiten zuständig und auch die Saiten wurden durch den Body geführt (String Thru genannt).

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Ergonomisches Body-Shaping war 1951 scheinbar unbekannt. So wurden die Kanten beim ersten Precision (wie bei der Tele) lediglich leicht abgerundet. Spätere Modelle (ab 1954?) hatten eine "Bauch-Ausfräsung" auf der Rückseite und eine leichte Abschrägung für den rechten Arm.
Die Body-Silhouette konnte man nicht von der Telecaster Gitarre übernehmen. Der Hals war dafür zu lang und die Mechaniken zu schwer. Bei einer Telecaster befindet sich die Gurthalterung auf Höhe des 16. Bundes. Damit wäre der Precision total kopflastig geworden. Lösung war ein zweites Horn, das bis zum 12. Bund hinauf reichte. Ein Prinzip, dass wenige Jahre später bei der Stratocaster mit übernommen wurde.

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Für den Precision Bass hatte man nur einen einzigen Tonabnehmer vorgesehen. Klangvielfalt beim Bass spielte 1950 keine große Rolle. Der Bass war eh nur ein untergeordnetes Instrument. Erst 15 Jahre später erhielt der Bass mit Leuten wie Jack Bruce, John Entwistle oder Andy Fraser eine neue Rolle. Da der Halstonabnehmer in der Telecaster gut funktionierte wurde, wurde er für den Bass nur leicht modifiziert. Der Humbucker war 1951 eh noch nicht erfunden. Leider übernahm man auch das Prinzip der zwei nicht abgeschirmten Litzen vom Pickup zum Elektrikfach - wodurch die Gefahr der Brummeinstreuung (wie bei Tele und Strat) zusätzlich erhöht wurde. Bis zum heutigen Tag hält es Fender nicht für nötig bei vielen Pickups abgeschirmte Kabel zu verwenden.
Einen Wahlschalter brauchte man nicht. Das Prinzip der Kontrollplatte mit Volumen- und Tonregler (250k Ohm) plus seitlicher 1/4" Klinkenbuchse übernahm man aber von der Tele. Lediglich die Kapazität des Kondensators am Tonregler wurde auf 47nF erhöht.


Fender Precision Bass von 1957
Eigentlich ist der 1957er Precision Bass überhaupt nicht mein Thema. Ich gehe daher nur kurz auf ihn ein. Spricht man heutzutage über den Precision Bass, kommt den meisten Leuten nämlich das Bild des Fender Precision von 1957 (oder einem seiner Nachfahren) in den Sinn.
Das Preci Modell von 1957 erhielt die Kopfplatte der sensationell eingeschlagenen Stratocaster. Zudem war das Ende des Halses an der Korpusseite nichtmehr gerade (wie bei der Telecaster), sondern angerundet (wie bei der Stratocaster).
Jede Saite erhielt nun auch ihren eigenen Saitenreiter und die Saiten wurden nicht mehr durch den Body geführt. Die Kontrollplatte wurde durch ein durchgehendes Pickguard überflüssig.

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Wichtigster Unterschied war die Einführung eines Humbucking Pickups. Leider weiß ich nicht, wie Leo Fender auf die Idee des zweiteiligen Pickups kam. Wollte er mit den versetzten Spulen, die jeweils nur zwei Saiten abnehmen, den Klang beeinflussen? Oder wollte der Fuchs Fender damit das "Patent Applied For" von Gibson umgehen? Zuzutrauen ist es ihm. Auf jeden Fall dürfte sich Fender mit seiner Idee an den Patentrechten von Gibson vorbeigemogelt haben. Gleichzeitig hatten die beiden in Reihe geschalteten Spulen des P-Basses einen höheren Output als das Vorgängermodell und lieferten einen Sound mit wesentlich mehr Druck und Bässen.
Weiterer Unterschied waren die Chromabdeckungen des Stegs und des Pickups.
Doch die Geschichte des 1957 Precis soll jemand anderes erzählen ...


Der Telecaster Bass
Ende 1967 stellte Fender Musical Instruments Corporation erstmals den Telecaster Bass vor. Anfang 1968 kam er dann in die Musikgeschäfte. Bei Einführung war es weitgehend ein Kopie des Precision Basses von 1951.
Weitgehend, weil Fender Anfang der 60er Jahre dazu übergegangen war alle Gitarren und Bässe mit Palisandergriffbrett auszustatten. Der One-Piece-Maple-Neck (einteiliger Ahornhals) war also - soviel ich weiß - aus dem Fender Programm verschwunden. Daher bestand der Hals des Telecaster Basses von 1968 aus zwei Teilen Ahorn, die aufeinander geleimt wurden - so wie man ein Palisandergriffbrett aufleimt. Echten 1968er Tele Bässen fehlt daher auch der dunkle "Stinktierstreifen" ("Skunk Stripe") auf der Halsrückseite. Spätere Telecaster Bässe haben den Streifen wieder.

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1972 bekam der Telecaster Bass ein Lifting verpasst.
Man wollte die verchromte Metallkontrollplatte ersetzen. Damit glich man die Form des Pickguards des Telecaster Basses der Telecaster Custom Gitarre an. Wie die Custom erhielt auch der Tele Bass einen Humbucker am Hals.
Leider erhielt der 1972er Bass auch die damals eingeführte 3-Punkt-Halsbefestigung. Mit ihr kann man den Halswinkel einstellen. Prinzipiell keine schlechte Idee; jedoch sollten für dieses Prinzip die Fertigungstoleranzen sehr gering sein um seitliches Wackeln des Halses zu vermeiden. Gerade die Fertigungstoleranzen waren aber bei Fender Anfang bis Mitte der 70er Jahre ein riesiges Problem.

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1977 erhielt der Telecaster Bass eine Brücke mit vier Saitenreitern, die der des Precision Basses stark ähnelte. Damit wurden die Saiten gleichzeitig nicht mehr durch den Body geführt.

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1979 wurde die Produktion des Telecaster Basses eingestellt.


Der Telecaster Bass lebt weiter!
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre war der Telecaster öfters in Sendungen des Rockpalast zu sehen. Während der Bassist von Johnny Winters einen Original Fender Tele Bass spielte, hatte Dusty Hill (ein großer Tele Bass Fan) ein Custom Made Modell von Charvel (wenn ich mich nicht irre).
Japanische Firmen wie Ibanez kopierten den Telecaster Bass und brachten damit bezahlbare Nachbauten auf den Markt. Die Kopien wurden dann durch den Lawsuit Act verboten.

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In den frühen 1990er Jahren zog Fender Japan mit einer eigenen Reissue des 51 Precission Basses nach. Dieser Bass wird bis zum heutigen Tag in Japan produziert.

Der Tele Bass lebt bei Fender aber in leicht veränderter Form auch in Sondermodellen wie dem Sting Bass oder Mike Dirnt Bass weiter. Letzterer unterscheidet sich allerdings durch das Palisandergriffbrett, den P-Bass Pickup und die Badass Bridge vom Original.

Fenders Tochterfirma Squier hat neben einer Mike Dirnt Version auch eine Version des Tele Basses zwischen 1972 und 1979 im Programm - allerdings (zum Glück) mit normaler Vierpunkthalsbefestigung.

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Für mich bleibt die Form des Ur-Precision die schönste Bassform; bei den Gitarren ist aber auch die Telecaster mein absoluter Liebling. Bässe werden kommen und gehen, aber der Telecaster Bass wird immer bleiben!
Ich hoffe, euch hat diese kleine Geschichtsstunde etwas Spaß gemacht.

Gruß
Andreas
 
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für mich war ein telecaster bass immer nur ein bass mit der form der telecaster gitarre.

So wie hier!

das mit telecaster bass eher die formung von pickguards und der kontrollplatte gemeint ist und weniger die eigentliche korpusform wusste ich bisher auch nicht.

somit ist also der schecter model-t eigentlich doch ein telecaster bass? (natürlich abgesehen von der PU bestückung)
Hier zu sehen
 
wahnsinn, dass du dir diese arbeit gemacht hast. sehr interessant zu lesen. vielen dank!
 
Hallo Doertbeg,

ist wirklich etwas kompliziert!

Ein Bass mit Telecaster-Gitarren-Body ist im Grunde kein Telecaster Bass. :rolleyes:

Ich finde die Bezeichnung "Baron" von Schecter wirklich nett!
Die Telecaster hieß ja ursprünglich "Esquire". Nimmt man also den Body der Equire/Tele, könnte man den Bass Esquire nennen, um ihn vom Telecaster Bass zu unterscheiden.
Nur hat Fender sich den Namen "Esquire" schützen lassen. Da hat Schector wohl zu einem anderen Titel gegriffen, der noch nicht besetzt war.
Übrigens finde ich beide Schecter Bässe sehr schöne Interpretationen des Telecaster Themas.

@ konsumlump: Danke! :)

Gruß
Andreas
 
Super Beitrag, ehrlich! Hab mich grad wieder für ihn, nach dem tollen Test in der neuen G&B, erwärmt. Kommt also zum perfekten Zeitpunkt. Erstmal gut bewerten...
 
Cadfael schrieb:
Wann der Name Telecaster Bass entstand weiß ich nicht.
Das der Name Telecaster (für die Gitarre) von Leo Fenders Vertriebsleiter Don Randall kurzfristig 'erfunden' wurde, weil Gretsch ihnen einen Plagiatsprozeß angehängt hatte (Die Tele hieß vorher Broadcaster und bei Gretsch gabs was ähnliches: Broadkaster) ist ja sicher bekannt.

Die Übernahme des vorhandenen und bei Fender geschützten Namens für den vereinfachten Precision wird bei Wikipedia einfach mit Überlegungen einfacher Produktdifferenzierung begründet:
Wikipedia schrieb:
Da man bei Fender vermeiden wollte, zwei unterschiedliche Instrumente unter dem selben Namen zu vertreiben, wurde die Neuauflage des alten Basses in Anlehnung an die Ähnlichkeiten mit der Telecaster kurzerhand „Telecaster Bass“ genannt.
weshalb ich vermute, daß der Name direkt schon 1967 entstand.

Ansonsten schöne Abhandlung, hast dir mit der Bebilderung wieder viel Mühe gemacht. :great:
 
Solche Beiträge sind immer wieder eine Bereicherung für ein Forum.
Deshalb muß er mal wieder nach oben. ;)

Was hier noch fehlt ist diese Flower Power Version.
 
Ich den schönen Beitrag im FAQ-Bereich archiviert :) :great:
 
Danke! :great:

@ Moulin: Die "Flower Power" Paisley Versionen in rosa und hellblau sind wirklich "außergewöhnlich". :)

Gruß
Andreas
 
toller beitrag.
aber für mich geht die kopfplatte des telecasters einfach gar nicht. das sieht mir einfach zu merkwürdug aus :)
 
Gerade die Kopfplatte finde ich wesentlich schöner! :)

Nicht so ein eckiges großes Brett wie bei den "neuen Precision" (ab 1957) und den Jazz Bässen.
Ich bin gerade unter anderem dabei meinen Traumbass zu entwerfen (per Vektorgrafik).
Die Kopfform wird stark an den 51/Tele angelehnt sein! :cool:
(Bericht darüber kommt irgendwann)

Gruß
Andreas
 
Steh ich voll hinter, die 51 Kopfplatte ist und bleibt die schönste. Vor allem die aus den 70ern bei Strats fand ich einfach nur grausig.
 
Hab den Beitrag zwar erst grade entdeckt (bei sowas bin ich ja sooo langsam), aber soo alt ist er noch nicht. Dafür umso besser! Da merkt man, dass da jemand Spaß an der Sache hat!! :great: :great: :great:

Einen Nachteil hat der Thread allerdings: Jetzt möchte ich noch viel dringlicher einen Fender besitzen :rolleyes:
 
ich finde den neuen squier preci klasse; auch wenns ein telecaster ist...
 
Dazu gehören der geschraubte Hals, der Body aus Esche oder Erle und vor allem der einteilige Ahornhals. Heute werden diese Holzkombinationen und Fertigungstechniken oft als Non-Plus-Ultra des Gitarren- und Bassbaus angesehen.

Man stelle sich vor..
Prospekt in einer anderen Zeitlinie, Leo hat als Ausgangsmaterial Pressspan bekommen, da es billig in rauhen Mengen vorhanden war: "Der neue 'Fender Precision Bass 57' Reissue, Korpus aus hochwertigem Industrieabfall aus dem IKEA-Werk! Hals aus feinstem MDF! Im Sonderpreis für 5999€!!!"

Und dann würden die Fenderfanatiker nicht darüber fachsimpeln ob die Esche der Erle vorzuziehen sei oder Birdseye Maple dem Hard Rock Maple, sondern welcher Industrieafall denn hochwertiger sei, der vom IKEA-Werk oder der vom Hornbach. :redface:

Spezialisierte Kleinfirmen wie Hotwire o.ä. werben mit handgehächselten Sägemehl in Holzleimtunke der mit einer Knebelbresse zum allerfeinsten Korpusrohling gepresst wurde....und so weiter. :redface:

Keine Frage, dass dann der Spanholz-Sound das nonplusultra wäre, das auf keinen Fall verändert werden dürfte. :redface:

Und jeder der einen einteiligen Body hätte, aus einemganzen Stamm gesägt....teeren und federn!
 
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toller beitrag.
aber für mich geht die kopfplatte des telecasters einfach gar nicht. das sieht mir einfach zu merkwürdug aus :)

Weiß jemand evtl. was darüber, ob sich die kleinen Unterschiede auf das Schwingungsverhalten (Dead Spots und so) auswirken?
Ich mag die Telecaster-Kopfplatte auch nicht so, aber sie erinnert mich an die Headless-Geschichte (nein, das ist jetzt keine Lästerei ;) ), so von wegen möglichst wenig Masse am Halsende...

Michael
 
ich spiele einen vintage modified preci von squier und er ist klasse. toller beitrag!! danke.
 
Den MD im 51 RI Look und ich würde schwach werden.
 
ich weiss nicht wo ich sonst damit hin soll.ich find den jedenfalls extrem sexy und könnte glatt schwach werden bei dem gerät ;)

Baron H Bass
 

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