Cadfael
HCA Bass Hintergrundwissen
Hallöli,
vorausschickend möchte ich sagen, dass mein "Review" auf keinen Fall objektiv ist!
Es wird zeifelsfrei rauszulesen sein, dass ich seit über 25 Jahren Rockinger Fan bin - und es auch bleiben werde.
Bezahlt werde ich aber nicht für diesen Review!
Ich hoffe mal, die Rockinger kriegen keinen Schock falls sie das hier lesen.
Vor- Vorgeschichte
Als Helmut Schmidt noch Kanzler war ...
Dieser Review beginnt um 1981 herum.
Helmut Schmidt war damals noch Bundeskanzler, ich Gymnasiast und Schlagzeuger.
Auf der Konzertgitarre meines Bruders machte ich meine ersten Gehversuche mit sechssaitigen Zupfinstrumenten. Da bekam ich die Gelegenheit äußerst preiswert an eine E-Gitarre zu kommen. Das dumme daran: An der japanischen Les Paul Custom Kopie fehlten die Potis, Knöpfe und die Verdrahtung. Ich versuchte es zuerst mit Teilen aus einem kleinen Elektronikladen, bis mir in einer Fachzeitschrift die Anzeige eines deutschen Gitarrenbauers auffiel: ROCKINGER
Ich bestellte also einen Katalog - der im Laufe der Zeit so eine Art Mao-Bibel für mich wurde - und danach alle Teile um meine LP wieder in Ordnung zu bringen. Mit der Zeit kannte ich alle Rockinger Preise auswendig und stellte mir - in dem Wissen sie doch nicht bezahlen zu können - immer neue Traumgitarren zusammen.
1985 - mittlerweile Student - war es dann soweit. Ich konnte mir zumindest einen Rockinger Telecaster Bausatz leisten. Daraus wurde meine Rockinger Cadicaster, die mich seit nunmehr 22 Jahren begleitet. Doch das ist eine andere Geschichte.
Rockinger
Gitarren aus Hannover
Für die, die noch nie oder kaum etwas von Rockinger gehört haben, möchte ich kurz auf die Historie von Rockinger eingehen. Hoffe mal, ich erzähle nicht zuviel Mist.
1978 wurde Rockinger in Hannover gegründet. Zuerst konnte man dort Gitarrenbausätze kaufen bei denen man die Body- und Kopfform selbst aussägen musste. Zudem bot man hochwertige Ersatzteile an. Das Programm wurde immer reichhaltiger. Dass die Scorpions gute Bekannte der Rockinger waren half bestimmt den amerikanischen Markt zu erobern. Selbst Eddie Van Halen besaß eine Rockinger.
Rockinger wuchs und wuchs. Neben den gängigen Formen (Strat, Tele und zeitweilig auch Les Paul) gab es auch sehr exotische Gitarren wie die "Lady" oder die "Titcaster". Die Rockinger-Schmiede war auch für zahlreiche Entwicklungen im Hardwarebereich verantwortlich. Am berühmtesten dürfte die einfache aber geniale "Blackbox" sein, die ein Tremolo besser in Position hält. In den 80ern gab es neben den Bausätzen auch Custom-Shop-Gitarren und eine Reparaturwerkstatt. Kopf des Ladens war Atze Rockinger, der im wahren Leben Dieter Gölsdorf heißt und heute hinter Duesenberg, Göldo und - man beachte die Anfangsbuchstaben des Namens - Diego steht. 1991 verließ Dieter Gölsdorf Rockinger, die Custom-Shop und Reparaturabteilung wurde aufgelöst. 1997 kamen dann auch wieder Rockinger Bausätze auf den Markt. Heute ist Andreas Mertens der Kopf von Rockinger.
Vergleicht man das Programm von Göldo (Großhandel bei dem man als Privatmensch nicht direkt kaufen kann) mit dem von Rockinger, fallen bestimmte Parallelen auf. Das betrifft auch die Bodys, Hälse und die kompletten Tele und Strat Gitarren. Falls ich die Hausnummern richtig interpretiere liegen sich Göldo und Rockinger übrigens gegenüber.
Rockinger will zwar nicht direkt bestätigen dass die Teles und Strats baugleich mit den Diegos sind, mir wurde jedoch mit einem Schmunzeln am Telefon gesagt, dass es da durchaus gewisse Parallelen zwischen den Rockinger und Diego Gitarren geben könnte. Ja ja ... die bösen Internet-Foren in denen man heutzutage durch Recherche und Vergleich hinter Geheimnisse kommen kann, die doch eigentlich niemand wissen soll.
Was sich in all den vielen und bewegten Jahren nicht geändert hat ist, meiner Erfahrung nach, der exzellente Service und Support der Rockinger. Auf der anderen Seite des Telefons sind keine Musikalienhändler, sondern Musiker die hinter ihrem Produkt stehen und versuchen ihre Kunden zufrieden zu stellen. Rockinger gewinnt, meines Wissens, seine Kunden nicht hauptsächlich durch teure Anzeigen in Fachmagazinen, sondern durch Mund-zu-Mund-Propaganda - und behält sie meisten über Jahrzehnte.
Vorgeschichte
Eine Strat muss her
Eigentlich mag ich ja gar keine Strats ...
Ich bin mehr der Tele-Fan. Aber mit vier Teles musste es keine fünfte sein. Ich habe zwar eine, am Preis gemessen, sehr gute Squier Bullet Strat, doch eine Strat im Bereich um die 500 Euro ist irgendwie etwas anderes. Es hätte zwar auch eine Mexican Fender sein können, doch wozu den US-Imperialismus unterstützen, wenn man auch in Niedersachsen hochwertige Gitarren erwerben kann?!
Die Farbe ... Die weiße Rockinger mit ihrem mintfarbenen Pickguard sieht traumhaft schön aus, aber meine Bullet ist bereits Arctic White. Auch die Gitarre in Surf Green gefällt mit ausgesprochen gut. Beide gibt es als Five-Minute-Kit - wobei man noch den Sattel nachkerben muss. Das übernimmt Rockinger aber auch für einen geringen Obolus. Die schwarze Strat, bei Rockinger heißt sie "ST", gibt es als Ready-to-Play. Hier kann man nach dem Stimmen direkt loslegen. Aber schwarz? Ich bin zwar Clapton Fan, aber seine Blacky hat mir nie gefallen. Schwarz? Naja ... man könnte die schwarze ST ja leicht modifizieren! Anfang der 80er spielte "The Edge" von U2 bei seinen Rockpalast Konzerten (habe ich noch live am Fernseher verfolgt!) doch auch so eine rattenscharfe schwarze Strat?!
Bestellung
mit Extrawünschen
Also eine schwarze Rockinger ST "Ready-to-Play! "
Neben der ST bestelle ich noch einige andere Teile, für die ST, aber auch für andere Gitarren. Außerdem 10 Satz Rockinger LH-Saiten. Ich liebe diesen 009-050 Satz, der auf den tiefen Saiten Bässe bis zum abwinken liefert.
Da ich einige Sonderwünsche habe bestellte ich nicht direkt online, sondern per E-Mail. Falls möglich hätte ich gerne den Rockinger Schriftzug in der "alten Form" auf meiner neuen ST. Für meine alte Rockinger zusätzlich noch einen alten Schriftzug, denn der originale (damals noch aus Messingblech!) ist im Laufe der Jahre angegangen. Weil meine alte Rockinger Cadicaster zwischen 4 und 4,5 kg wiegt, und ich mich daran gewöhnt habe, sollte meine neue ST nicht - wie meist gewünscht - besonders leicht, sondern lieber besonders schwer sein. Ah ja; und bitte direkt mit LH-Saiten drauf - falls das möglich ist.
Bestellung Sonntag abgeschickt, Mittwoch ist der Abholschein von DHL im Briefkasten. Donnerstag im Schneegestöber geht es in einer Rutschpartie zur Post und dann nachhause.
Sie ist da
Enttäuschungen
Die Gitarre ist sehr sicher verpackt. Die meisten der Ersatzteile befinden sich in einem extra Karton und sind in Plastikschläuchen portioniert. Dass die ST den "neuen" Schriftzug auf der Kopfplatte trägt ist nicht so schlimm. Es ist ja auch keine "alte" Rockinger. Den "alten" Schriftzug für meine Cadicaster hat man mir aber dazugepackt.
Erstmal wird alles sortiert und durchgeschaut. Auf der Rechnung steht extra vermerkt, dass man eine möglichst schwere ST gewählt hat - und der nette Satz: "Die Strat ist nur mit neuem Logo erhältlich. Ich hoffe, du liebst sie trotzdem."
Selbst mit dem mintfarbenen Pickguard und den cremefarbenen Knöpfen und Kappen sieht die Rockinger ST schick und edel aus. Trotzdem wird sie nach meiner Operation bestimmt noch besser aussehen.
Nach dem ersten Anspielen muss ich zugeben enttäuscht zu sein. Hals- und Mittel-Pickup klingen ganz gut, aber der Stegpickup klingt irgendwie zu schrill. Da hätte ich mehr erwartet. Ich schraube die Pickups höher, was jedoch mit heftiger Stratitis (Magnete beeinflussen die Saitenschwingung) beantwortet wird. Was mir jetzt auffällt ist, dass die Pickup-Kappen lose auf den Pickups schlackern und auch die Pickups nicht gegen das Pickguard gestemmt werden. Hm ...
Morgen ist auch noch ein Tag. Vielleicht hat die Kälte der ST zugesetzt?
Am Freitag nehme ich die Saiten ab und entferne das Pickguard. In der Tat. Die Silikonschläuche zwischen Pickups und Pickguard sind viel zu kurz. Teilweise ist dort sogar noch reichlich Luft. Im Nachhinein weiß ich nicht was den Sound vom Donnerstag so mies gemacht hat. Vielleicht war es wirklich die Pickup-Befestigung?
Als ich das schwarze Austausch-Pickguard auf die ST lege mache ich große Augen. neun der elf Bohrungen stimmen nicht überein. Sie sind ein halbes bis dreiviertel Loch in alle Richtungen verschoben. An dieser Stelle sollte ich Fairerweise anmerken, dass es auch bei Original-Fender-Pickgurds durchaus zu Maßabweichungen kommen kann. Einzig die "Trefferquote" von 9:2 ist außergewöhnlich hoch.
Eigentlich wollte ich die Seitenreiter austauschen und mit Ersatzteilen die Saitenreiter abwechselnd verchromt und schwarz machen. Ich als "alter Hase " hätte wissen müssen, dass es sich hier um ein echtes Vintage Tremolo handelt. Das heißt, der Saitenabstand ist nicht 54 mm, sondern 56 mm! Ein Satz mit X; dat war nix. Die Originalreiter sind 0,8 mm breiter als die Ersatzreiter. Durch genaues studieren der Website hätte ich darauf kommen können. Auch hier sei angemerkt, dass so etwas zum Bastler-Risiko gehört!
Als ich dann den Hals abnehme blicke ich auf ein SHIMM (Ahornstreifen), der die Halsneigung vergrößert. Nun ist der Frust richtig groß. Ist das der Grund für den relativ schlechten Klang vom Donnerstag? Rockinger schreibt in seinem Workshop, dass SHIMMs den Klang nicht negativ beeinflussen. Nachdem ich den Hals wieder angeschraubt habe fällt mir auf, dass der Hals sehr tief in seiner Halstasche liegt. Das bestätigt auch der Vergleich mit der Squier und Fotos von anderen Rockingern und Diegos aus dem Internet.
Ich breche meine Umbauversuche ab. Samstag und Sonntag sind vom Frust und dem schreiben einer langen E-Mail an Rockinger geprägt. Da ich große Teile der ST auseinander genommen habe kann ich mir gut vorstellen, dass der Umtausch ausgeschlossen ist.
Montag rufe ich zusätzlich bei Rockinger an und spreche mit Andreas. Das mit den Silikongummis sehen wir gleich, in anderen Punkten haben wir Differenzen. Trotzdem fühle ich mich nicht abgespeist; es kommen keine platten sinnfreien Sprüche, sondern nachvollziehbare Argumente.
Meiner E-Mail hatte ich eine kleine Liste von Teilen beigefügt, die ich zum "Rettungsversuch " benötige. Auch Teile, die mir mehrere Optionen offen lassen. Andreas verspricht mir die Teile schnell zu schicken. Zudem will er versuchen ein schwarzes Pickguard rauszusuchen, das vielleicht passt.
Mittwoch wartet bereits ein Päckchen vor meiner Wohnungstür. Alle versprochenen Teile wurden geliefert. Leider ist beim zweiten Pickguard die Trefferquote auch nur bei 7:4.
Jetzt habe ich aber Silikongummis, Pickup-Federn (vorsorglich bat ich um beides) und eine mintfarbene Tremoloabdeckung - falls alle Stricke reißen und das mintfarbene Pickguard doch drauf bleiben muss. Den Abend verbringe ich damit, mir eine Strategie zurecht zu legen.
Der Umbau
bisher habe ich es immer geschafft!
Schaschlik
Am Donnerstag besorge ich mit in der Montageabteilung unserer Firma Schaschlikspieße (die wir benutzen um in schwer zugänglichen Geräteecken zu putzen) und Holzleim. Die Schaschlikspieße will ich mit einem Cutter auf den Durchmesser der Pickguardschraubenlöcher bringen (man könnte sie auch schmirgeln). Danach sollen sie eingeleimt werden. Hoffentlich bekomme ich so die Pickguardschrauben senkrecht und ohne auszubrechen in ihre neuen Löcher.
Den den späten Nachmittag verbringe damit die Schaschlikspieße auf Form zu bringen, sie abzulängen und einzukleben. Das dreischichtige schwarze Pickguard, das zwischenzeitlich auf meiner Squier platziert war, kommt wieder runter und auf die ST. Auch auf der Squier kommen die Schaschlikspieße zum Einsatz, denn das mintfarbene Pickguard der Rockinger sieht schon absolut rattenscharf aus und soll sein neues Heim auf der Squier finden.
Der auf den Schraubendurchmesser angepasste Schaschlikspieß wird ins Bohrloch gesteckt um die Tiefe zu ermitteln und danach abgelängt. Dann fülle ich mit einem Zahnstocher Holzleim ins Bohrloch und betupfe das Füllstück ebenfalls. Mit dem Endstück eines Körners klopfe ich das Füllstück weitgehend ins Loch. Für das letzte Stück setze ich den Körner "richtig herum" an und klopfe vorsichtig, bis das Füllstück bündig im Bodyist. Vorsichtig den überschüssigen Holzleim entfernen, fertig.
Nachdem der Leim hart ist wird eine Anreißnadel zweckentfremdet um die neuen Bohrlöcher exakt mittig festzulegen. Alles klappt und am späten Abend haben beide Strats ein neues Pickguard.
Die Hochzeit
Freitag geht es nach der Arbeit an die Elektrik sowie die Vereinigung von Pickguard und Body.
Nehme ich den Silikonschlauch oder die Federn? Auf jeden Fall hat Rockinger mir sehr gute Federn geliefert. Keine Kugelschreibermienen, sondern Federn aus dickem Federstahl. Ich entscheide mich für die Federn. Da der Hals bei mir relativ niedrig aus dem Body ragt, müssen die SingleCoils tiefer im Body versenkt werden. Die exzellenten Federn üben selbst dann noch einen großen Druck aus.
Die drei Rockinger ST-RAT Pickups sollen vorher noch schwarze Kappen erhalten. Die Befestigungslöcher in den Plastikkappen muss ich leicht mit einer Rundfeile nachfeilen. Null Problemo! Kappen auf die Pickups und dann rein in das Pickguard. Passt.
Jetzt den 5-Weg-Schalter, das Volumen- und obere Ton-Poti. Passt. Das untere Ton-Poti muss draußen bleiben. Hier kommt ein Poti mit Push/Pull-Schalter zum Einsatz. Zieht man am Poti, so werden Hals- uns Steg-Pickup immer zugeschaltet. So kann ich zusätzlich Hals- und Steg Pickup oder alle drei Pickup zusammen anhaben.
Außerdem wird die Belegung des 5-Weg-Schalters leicht geändert. Das obere Ton-Poti ist für Mitte und Hals zuständig, das untere für den Steg, denn der braucht am ehesten eine Soundkorrektur. Keine Ahnung, was Herr Fender sich damals bei seiner Schaltung gedacht hat.
Rockinger setzt übrigens japanische Potis bester Qualität in seine Gitarren. Die Tone Potis sind logarithmische 250k Potis mit einem 22nF Kondensator (wenn ich mich nicht verlesen habe). Als Volumen-Poti kommt ein lineares 500k Poti zum Einsatz. Hier ist ein zusätzlicher Kondensator angelötet, der die Höhen beim zurückdrehen des Potis erhält. Fein! So soll es sein.
Nach dem Löten messe ich erstmal alles durch. Klappt. Dann setze ich das Pickguard an den Body und löte die restlichen Kabel zur Klinkenbuchse und Erdung an. Hinein in die Ausfräsung, etwas hin und her geschoben, passt.
Noch einmal kurz durchmessen ob das Signal an der Klinkenbuchse stimmt. Stimmt.
Also rein mit den 11 Pickguardschrauben, die dank den Schaschlikspießen und dem Zentrieren der Löcher per Reißnadel auch alle mittig und senkrecht ihren Weg in die amerikanische Erle finden.
Claptonisierung
Wie schon anfangs erwähnt mag ich keine Strats.
Das körpergerechte Shaping auf der Rückseite mag ich nicht; zum abfedern habe ich meinen Bierbauch! Außerdem stören mich Tremolos aus Prinzip. Anscheinend habe ich diese Abneigung mit Herrn Clapton gemeinsam. Seine Clapton Signature Strat wurde in den 80ern berühmt, weil sie ab Werk mit einem Holzblock ausgeliefert wurde, der das Tremolo stilllegt. Da ich momentan kein passendes Holzstück zur Verfügung habe löse ich das Problem auf einfachere Weise.
Zuerst werden die sechs Halteschrauben etwas weiter runter geschraubt, dann hänge ich auf der Rückseite zwei zusätzliche Federn ein. Noch mal rumgedreht und erneut die sechs Schrauben mit wohl dosierter angezogen. Unter den sechs Schrauben ist das Tremolo, wie üblich, leicht angeschrägt. Also dürfen die Schrauben nicht zu hart angezogen werden. Und noch mal rumgedreht und die Federhalteplatte soweit ins Holz geschraubt, dass das Gewinde gerade eben verschwindet. Keine Ahnung ob das Einfluss auf das Sustain hat, aber immerhin hat man so eine optimale Verbindung zwischen Saiten, Steg, Federn und Body. Da bewegt sich nichts mehr.
Zum Vintage Tremolo sei noch angemerkt, dass es ein echtes 62er Vintage Tremolo ist; demzufolge auch einen Saitenabstand von 56 mm hat. Viele Vintage Style Tremolos haben einen Abstand von 54 mm - was nicht dem Original entspricht. Mit diesem Tremolo erübrigt sich im Grunde die Frage der HSS-Umrüstung, da ein Humbucker zu schmal für die 56 mm ist. Wer also etwas heißeres möchte, sollte zu einem der zahlreichen Humbucker im SingleCoil-Format greifen.
Des weiteren passen nur 10,5 oder 10,8 mm Saitenreiter auf dieses Tremolo. Die 10 mm Reiter eines 54 mm Tremolos ständen zu weit auseinander.
Da mein Tremolo voll auf der Decke aufliegt muss ich etwas experimentieren, bis ich die Tremoloabdeckung richtig platziert habe. Das Schraubenloch rechts oben liegt sehr nahe an der Tremoloausfräsung, aber es passt alles. Nichts reißt aus. Diesmal war das Glück mit dem Dummen.
Zum Schluss wird noch am Tremolohebel der weiße gegen einen Schwarzen Knauf getauscht. Statt einen Thread zu eröffnen wie ich den weißen runter kriegen soll greife ich beherzt zu einem Teppichmesser. Geht ...
Saitensprünge
Erstmal kommen die alten Saiten wieder drauf. Zumindest E bis G Saite.
Vor Jahren hatte Rockinger in seinen Saiten-Sets immer doppelt e- und H-Saiten drin. Daher verfüge ich noch über eine ausreichende Anzahl.
Die Kluson Mechaniken sind einfach genial. Die Saiten werden nicht durch ein seitliches Loch gefädelt, sondern in ein Loch von oben in die Mechaniken eingeführt. Man führt die Saite zur Mechanik, zieht sie an der Mechanik vorbei und schneidet die Saite ca. 5 cm hinter der Mechanik ab. Jetzt die Saite von oben in das Loch der Mechanik, Saite abwinkeln und ein paar mal um die Mechanik schlingen, Saite spannen, fertig. Es gibt keine Verletzungsgefahr durch herausstehende Saitenenden und die Stimmstabilität ist auch hervorragend. Bei der ST kann ich das noch nicht beurteilen, aber die 22 Jahre alten Kluson Mechaniken meiner Rockinger Cadicaster gehen nicht nur so weich wie am ersten Tag, sie sind auch ein Wunder an Stimmstabilität.
Da ich noch zwei Rollen-Saitenniederhalter von Göldo zuhause rum fliegen habe, werden diese gegen den einzelnen Vintage-Saitenniederhalter getauscht. Sittlichen Nährwert haben die Rollen natürlich bei mir nicht - ohne Tremolo. Zumindest wird der Druck auf D- und G-Saite aber etwas erhöht.
Was zu wichtig zu berichten wäre
Ausstattung
Wer eine Strat von 1962, gepaart mit den Errungenschaften des 21. Jahrhunderts sucht ist meiner Meinung nach falsch bei der Rockinger (und Diego).
Die ST hat keinen Ibanez-High-Speed-Hals, der Saitenabstand am Tremolo beträgt 56 mm, das Vibrato-System ist - soweit ich gehört habe - nicht 100% stimmstabil (eben Vintage Tremolo), die SingleCoils rauschen und liefern einen zwar lauten und kraftvollen, aber relativ spät verzerrenden Sound.
Die ST will aber auch gar kein Wolf im Schafspelz sein. Sie ist ein Wolf im Wolfspelz. Die Rockinger ist aus erstklassigen Komponenten zusammengebaut; das betrifft sowohl Hölzer als auch Hardware. Die Maße für Hals und Body stammen von alten Instrumenten. Die Pickups rauschen zwar leicht, aber ich habe noch nie den Vorwurf gegenüber Clapton, Hendrix oder Blackmore gehört, ihre Gitarren hätten gerauscht - und das taten sie. Einziger - verzeihlicher - Stilbruch der ST ist der 5-Wegschalter, den es in den 60ern noch nicht gab.
Daten Rockinger ST "Ready-to-Play"
Body: US-Erle, zweiteilig, vintage Shaping
Hals: Ahornhals, Fat 60s Shaping
Griffbrett: Palisander (Rosewood) Griffbrett, 7,5er Radius, 21 jumbo Bünde
Mechaniken: Kluson Vintage
Tremolo: Vintage Tremolo 56 mm mit Stahlblock, 3 Federn, keine Abdeckung serienmäßig
Hals-Pickup: Rockinger Strat Pickup, 5,68 k Ohm, Alnico V
Mittel-Pickup: Rockinger Strat Pickup, 5,78 k Ohm, Alnico V, reversed
Hals-Pickup: Rockinger Strat Pickup, 6,44 k Ohm, Alnico V
Regler: Ein Mastervolume, ein Tone jeweils für Hals und Mitte
Schalter: US-Schalter, 5-Weg, offen
Hardware: Verchromt
Pickup-Kappen und Knöpfe: creme (Aged White?)
Pickguard: mint
Farbe: schwarz
Preis: 525 Euro
Einstellung und Verarbeitung
Großes Manko war natürlich, dass die Silikonschläuche der Pickup-Befestigung viel zu kurz waren.
Ansonsten waren Oktavreinheit und Seitenlage bei Lieferung perfekt eingestellt, die Bünde gut abgerichtet. Ob das Tremolo perfekt eingestellt war kann ich nicht beurteilen - ich hasse die Dinger. An den etwas breiteren und ausladenden Hals muss man sich war erst etwas gewöhnen, aber die Bespielbarkeit ist sehr gut. Mit dem Baseballschläger-Hals meiner Tele kommt auch nicht jeder auf Anhieb klar. Das Griffbrett ist stärker gewölbt als die heutzutage üblichen 9 oder gar 12 Zoll. Das tut der Bespielbarkeit aber keinen Abbruch.
Die Lackierung des Bodys ist erstklassig. Ob es nun Nitrolack oder sonst was ist weiß ich nicht. Polyurethan dürfte es aber nicht sein, da der Lack viel dünner und auch nicht so spröde ist. Im Tremolofach schimmert ganz leicht an einer kleinen Stelle die Grundierung durch und an einer Kante des Tremolofachs wurde wohl (professionell) mit einem Feilenstrich eine Nase entfernt. Anders kann ich mir den Feilenstrich nicht erklären. Anzumerken sei noch, dass schwarze Gitarren nicht nur schwer zu fotografieren sind, man sieht auch sofort jeden Fingerabdruck oder Staub. Und die schwarze Version gibt es zur Zeit nur bei Rockinger und nicht bei Diego.
Die Kopfplatte ist glänzend lackiert (wem es gefällt), die Rückseite des Halses hingegen hat ein wunderschönes seidenmattes Finish. Der Trussrod wurde von oben in den Ahornhals eingesetzt. Es gibt also keinen "Stinktierstreifen" auf der Halsrückseite wie ihn auch einige Gitarren mit Rosewood-Griffbrett aufweisen. Das Palisandergriffbrett (Rosewood = Palisander und nicht Rosenholz) ist natürlich nicht lackiert.
Der Klang
Ich kann nur raten, nehme aber an, dass die losen Pickups für meine Enttäuschung am ersten Tag verantwortlich waren. Des weitern ist natürlich anzumerken, dass ich das Tremolo festgesetzt habe und dass man mir eine relativ schwere schwarze ST rausgesucht hat. Keine Ahnung wie eine leichte ST mit schwingend gelagertem Tremolo klingt. Hinzu kommt, dass ich 009-050 Saiten auf der Strat habe.
Meine Strat ist trocken gespielt nur mittellaut - aber das sind meine Rockinger Cadicaster und Mexican Fender Deluxe Nashville Tele auch. Die Squier Bullet ist etwas lauter und "stratelt" auch etwas mehr. Vielleicht nicht verwunderlich, denn sie ist einiges leichter als die ST. Der Ton der ST ist richtig schön präzise und differenziert. Da matscht nichts. Gleichzeitig ist aber auch jede Menge Sustain da. Der SHIMM - also die Halseinlage aus Ahorn - scheint in der Tat keinen Einfluss auf das Sustain zu haben. Zumindest kann es die ST mit meiner Epiphone Les Paul Standard in Sachen Sustain aufnehmen.
Über den Amp gespielt klingt meine Nashville Tele (ab Werk mit TexMex Strat Pickup!) in den Mittelstellungen etwas stratiger als die ST; etwas hohler und dünner. Sie hat aber auch noch 009-042er Saiten drauf.
Die SingleCoils der Nashville bringen im Overdrive-Betrieb des Verstärkers mehr / früher Verzerrung. Das kann man als Vorteil sehen. Will man aber Clapton nachspielen steht man bei vielen Amps schnell vor dem Problem, dass die Pickups zu schnell zu sehr zerren. Die wenigsten dürften live Endstufenverzerrung gezielt zur Verzerrung einsetzen? Schönes Hörbeispiel ist "Cocain", wo man sich bei einigen der Gitarrenspuren im Hintergrund nicht entscheiden kann ob die Gitarre noch clean oder schon verzerrt ist.
Ich habe mir aus Jux mal eine (bitte nicht schlagen!) Alba Tele gekauft. Deren Pickups verzerren ebenfalls recht spät. Während die Pickups der Alba aber immer dünn und kraftlos klingen sieht die Sache bei den ST-RAT Pickups ganz anders aus. Sie verzerren zwar relativ spät, haben dabei aber jede Menge Kraft und Wärme.
Der Rockinger Hals-Pickup bringt richtig satte Bässe, ausgewogene Mitten und dezente Höhen, ohne dass die Gitarre an Durchsetzungskraft verliert. Matsch kennt die Rockinger eh nicht.
Der mittlere Rockinger Pickup ist anders herum gewickelt um in den Zwischenstellungen das Brummen zu unterdrücken (was er auch sehr gut erledigt). Hier hat die ST etwas weniger Bass, die Mitten kommen schön mittiger (?) und die Höhen sind etwas kräftiger.
Der Rockinger Steg-Pickup klingt nach dem Zusammenbau irgendwie total anders. Was vorher eher schrill klang hat jetzt schöne scharfe Höhen ohne im geringsten unangenehm zu sein. Die Bässe kommen natürlich drahtig rüber und die Mitten sind dezenter.
Leider habe ich es absolut nicht mit dem Aufnehmen.
Daher kann ich als Soundbeispiel nur sagen: Greift mal in eure Musikbox und holt die uralten U2 Scheiben raus. Der Sound von "Sunday Bloody Sunday" oder "New Years Day" könnte von meiner ST stammen. Vor fast 20 Jahren habe ich mal "New Years Day" in einer Band gespielt - mit einer Squier Japan Strat. Auf der Rockinger ST geht das um einiges einfacher! Die Sounds von Clapton, Blackmore, Hendrix, Buddy Guy und Co lassen sich auch recht schnell und gut einstellen.
Hardware
Wie bereits erwähnt sind die Kluson Mechaniken einfach nur genial. Die sind NICHT gekapselt, in Öl oder sonst was gelagert. Ich kann aber aus einem Langzeittest berichten, dass sie auch nach 22 Jahren (bis auf die Chromschicht) wie neu sind. An meiner Cadicaster habe ich es irgendwie geschafft mit dem obersten Stimmwirbel wo gegen zu latschen. Und? Der Pin sitzt jetzt zwar etwas schief, aber die Mechanik funktioniert als wäre nichts gewesen.
Wegen der Optik will ich schwarze Strat-Potiknöpfe drauf haben. Dome Speeds fände ich nicht schön. Hat schon mal jemand versucht ein Push-Pull-Poti mit Strat-Knopf hochzuziehen? Was beim Dome Speed kinderleicht ist, kann man beim Strat-Knopf dank der Rillen vergessen. Also ein Satz mit X, aber was soll es?
Die Gurtpins der ST passen übrigens zu den Schaller Security Locks. Sehr schön!
Fazit
Aus dem hässlichen Entlein ist ein wunderschöner schwarzer Schwan geworden!
Keine Ahnung woran es an diesem verschneiten Donnerstag lag. Dass sich bei mir so viele Schwierigkeiten häuften ist Bastlerglück und meiner Erfahrung nach auch ein einmaliger Fall.
Die schnelle und unbürokratische Hilfe von Andreas (Mertens) und dem Rockinger Team ist für mich definitiv ein Grund weiterhin treuer Rockinger-Fan zu bleiben. Ich bin vollstens mit der ST, dem Service und Support zufrieden!
Jetzt habe ich eine (in meinen Augen) wunderschön aussehende und toll klingende Strat. An die Halsdimensionen und dem Saitenabstand werde ich mich noch ein wenig gewöhnen müssen. Das sehe ich aber auf keinen Fall als Manko. Die Frau für's Leben muss man auch nicht am ersten Abend rumkriegen.
Wegen meiner Saitenwahl, dem festgesetzten Tremolo und dem schweren Body klingt meine ST bestimmt etwas anders als andere Rockinger oder Diegos. Aber klingen zwei Gitarren gleich? Die Rockinger ST braucht auf keinen Fall den Vergleich mit einer Fender Mexico oder USA zu scheuen. Zumindest nicht, wenn man die Philosophie die hinter diesen Gitarren steckt berücksichtigt. Alles andere hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Ich kann die Rockinger ST wärmstens jedem empfehlen, der eine echte, ehrliche, qualitativ hochwertige - und nagelneue - Vintage Strat sucht. Leute die lediglich Vintage Sound ohne Vintage Feeling haben wollen wären vielleicht falsch beraten. Ibanez-Hals-Fans, Floyd-Rose-Fans und High-Speed-Fetischisten sollten sich meiner Meinung nach ebenfalls besser nach etwas anderem umsehen.
Für den Preis von 525 Euro für die "Ready-to-Play" erhält man ein erstklassiges Vintage Instrument. Wer ein "Five-Minute-Kit" gerne als "Ready-to-Play" haben möchte, sollte einfach eine E-Mail an Rockinger schreiben oder in Hannover anrufen. Hoffentlich bringe ich Rockinger jetzt nicht in Bedrängnis! Solange nicht an der Gitarre rumgebastelt wurde - wie ich es tat (!!!) - besteht meines Wissens ein normales Rückgaberecht.
Etwas schwärmerisch möchte ich anmerken:
Fender sind eher wie Rolls Royces. Die kauft man sich weil man es sich leisten kann.
Rockinger / Diego sind eher wie Bentleys. Eine Lebenseinstellung; so was gönnt man sich.
Die Rockinger ist "keine Gitarre für eine Nacht" - sie ist eine Gitarre für Jahre oder das ganze Leben. Meine Rockinger Tele begleitet mich jetzt seit 22 Jahren und sie wird wohl bis zu meinem Lebensende bei mir bleiben (müssen). Aber jetzt ist sie ja nicht mehr alleine, sondern hat eine junge Halbschwester bei sich!
Hier noch ein paar Bilder:
Die ST vor dem Umbau:
Die ST nach dem Umbau:
Das war wohl erstmal lang genug?!
Aber es kommen vielleicht noch Fragen oder Anmerkungen?!
Gruß
Andreas
vorausschickend möchte ich sagen, dass mein "Review" auf keinen Fall objektiv ist!
Es wird zeifelsfrei rauszulesen sein, dass ich seit über 25 Jahren Rockinger Fan bin - und es auch bleiben werde.
Bezahlt werde ich aber nicht für diesen Review!
Ich hoffe mal, die Rockinger kriegen keinen Schock falls sie das hier lesen.
Vor- Vorgeschichte
Als Helmut Schmidt noch Kanzler war ...
Dieser Review beginnt um 1981 herum.
Helmut Schmidt war damals noch Bundeskanzler, ich Gymnasiast und Schlagzeuger.
Auf der Konzertgitarre meines Bruders machte ich meine ersten Gehversuche mit sechssaitigen Zupfinstrumenten. Da bekam ich die Gelegenheit äußerst preiswert an eine E-Gitarre zu kommen. Das dumme daran: An der japanischen Les Paul Custom Kopie fehlten die Potis, Knöpfe und die Verdrahtung. Ich versuchte es zuerst mit Teilen aus einem kleinen Elektronikladen, bis mir in einer Fachzeitschrift die Anzeige eines deutschen Gitarrenbauers auffiel: ROCKINGER
Ich bestellte also einen Katalog - der im Laufe der Zeit so eine Art Mao-Bibel für mich wurde - und danach alle Teile um meine LP wieder in Ordnung zu bringen. Mit der Zeit kannte ich alle Rockinger Preise auswendig und stellte mir - in dem Wissen sie doch nicht bezahlen zu können - immer neue Traumgitarren zusammen.
1985 - mittlerweile Student - war es dann soweit. Ich konnte mir zumindest einen Rockinger Telecaster Bausatz leisten. Daraus wurde meine Rockinger Cadicaster, die mich seit nunmehr 22 Jahren begleitet. Doch das ist eine andere Geschichte.
Rockinger
Gitarren aus Hannover
Für die, die noch nie oder kaum etwas von Rockinger gehört haben, möchte ich kurz auf die Historie von Rockinger eingehen. Hoffe mal, ich erzähle nicht zuviel Mist.
1978 wurde Rockinger in Hannover gegründet. Zuerst konnte man dort Gitarrenbausätze kaufen bei denen man die Body- und Kopfform selbst aussägen musste. Zudem bot man hochwertige Ersatzteile an. Das Programm wurde immer reichhaltiger. Dass die Scorpions gute Bekannte der Rockinger waren half bestimmt den amerikanischen Markt zu erobern. Selbst Eddie Van Halen besaß eine Rockinger.
Rockinger wuchs und wuchs. Neben den gängigen Formen (Strat, Tele und zeitweilig auch Les Paul) gab es auch sehr exotische Gitarren wie die "Lady" oder die "Titcaster". Die Rockinger-Schmiede war auch für zahlreiche Entwicklungen im Hardwarebereich verantwortlich. Am berühmtesten dürfte die einfache aber geniale "Blackbox" sein, die ein Tremolo besser in Position hält. In den 80ern gab es neben den Bausätzen auch Custom-Shop-Gitarren und eine Reparaturwerkstatt. Kopf des Ladens war Atze Rockinger, der im wahren Leben Dieter Gölsdorf heißt und heute hinter Duesenberg, Göldo und - man beachte die Anfangsbuchstaben des Namens - Diego steht. 1991 verließ Dieter Gölsdorf Rockinger, die Custom-Shop und Reparaturabteilung wurde aufgelöst. 1997 kamen dann auch wieder Rockinger Bausätze auf den Markt. Heute ist Andreas Mertens der Kopf von Rockinger.
Vergleicht man das Programm von Göldo (Großhandel bei dem man als Privatmensch nicht direkt kaufen kann) mit dem von Rockinger, fallen bestimmte Parallelen auf. Das betrifft auch die Bodys, Hälse und die kompletten Tele und Strat Gitarren. Falls ich die Hausnummern richtig interpretiere liegen sich Göldo und Rockinger übrigens gegenüber.
Rockinger will zwar nicht direkt bestätigen dass die Teles und Strats baugleich mit den Diegos sind, mir wurde jedoch mit einem Schmunzeln am Telefon gesagt, dass es da durchaus gewisse Parallelen zwischen den Rockinger und Diego Gitarren geben könnte. Ja ja ... die bösen Internet-Foren in denen man heutzutage durch Recherche und Vergleich hinter Geheimnisse kommen kann, die doch eigentlich niemand wissen soll.
Was sich in all den vielen und bewegten Jahren nicht geändert hat ist, meiner Erfahrung nach, der exzellente Service und Support der Rockinger. Auf der anderen Seite des Telefons sind keine Musikalienhändler, sondern Musiker die hinter ihrem Produkt stehen und versuchen ihre Kunden zufrieden zu stellen. Rockinger gewinnt, meines Wissens, seine Kunden nicht hauptsächlich durch teure Anzeigen in Fachmagazinen, sondern durch Mund-zu-Mund-Propaganda - und behält sie meisten über Jahrzehnte.
Vorgeschichte
Eine Strat muss her
Eigentlich mag ich ja gar keine Strats ...
Ich bin mehr der Tele-Fan. Aber mit vier Teles musste es keine fünfte sein. Ich habe zwar eine, am Preis gemessen, sehr gute Squier Bullet Strat, doch eine Strat im Bereich um die 500 Euro ist irgendwie etwas anderes. Es hätte zwar auch eine Mexican Fender sein können, doch wozu den US-Imperialismus unterstützen, wenn man auch in Niedersachsen hochwertige Gitarren erwerben kann?!
Die Farbe ... Die weiße Rockinger mit ihrem mintfarbenen Pickguard sieht traumhaft schön aus, aber meine Bullet ist bereits Arctic White. Auch die Gitarre in Surf Green gefällt mit ausgesprochen gut. Beide gibt es als Five-Minute-Kit - wobei man noch den Sattel nachkerben muss. Das übernimmt Rockinger aber auch für einen geringen Obolus. Die schwarze Strat, bei Rockinger heißt sie "ST", gibt es als Ready-to-Play. Hier kann man nach dem Stimmen direkt loslegen. Aber schwarz? Ich bin zwar Clapton Fan, aber seine Blacky hat mir nie gefallen. Schwarz? Naja ... man könnte die schwarze ST ja leicht modifizieren! Anfang der 80er spielte "The Edge" von U2 bei seinen Rockpalast Konzerten (habe ich noch live am Fernseher verfolgt!) doch auch so eine rattenscharfe schwarze Strat?!
Bestellung
mit Extrawünschen
Also eine schwarze Rockinger ST "Ready-to-Play! "
Neben der ST bestelle ich noch einige andere Teile, für die ST, aber auch für andere Gitarren. Außerdem 10 Satz Rockinger LH-Saiten. Ich liebe diesen 009-050 Satz, der auf den tiefen Saiten Bässe bis zum abwinken liefert.
Da ich einige Sonderwünsche habe bestellte ich nicht direkt online, sondern per E-Mail. Falls möglich hätte ich gerne den Rockinger Schriftzug in der "alten Form" auf meiner neuen ST. Für meine alte Rockinger zusätzlich noch einen alten Schriftzug, denn der originale (damals noch aus Messingblech!) ist im Laufe der Jahre angegangen. Weil meine alte Rockinger Cadicaster zwischen 4 und 4,5 kg wiegt, und ich mich daran gewöhnt habe, sollte meine neue ST nicht - wie meist gewünscht - besonders leicht, sondern lieber besonders schwer sein. Ah ja; und bitte direkt mit LH-Saiten drauf - falls das möglich ist.
Bestellung Sonntag abgeschickt, Mittwoch ist der Abholschein von DHL im Briefkasten. Donnerstag im Schneegestöber geht es in einer Rutschpartie zur Post und dann nachhause.
Sie ist da
Enttäuschungen
Die Gitarre ist sehr sicher verpackt. Die meisten der Ersatzteile befinden sich in einem extra Karton und sind in Plastikschläuchen portioniert. Dass die ST den "neuen" Schriftzug auf der Kopfplatte trägt ist nicht so schlimm. Es ist ja auch keine "alte" Rockinger. Den "alten" Schriftzug für meine Cadicaster hat man mir aber dazugepackt.
Erstmal wird alles sortiert und durchgeschaut. Auf der Rechnung steht extra vermerkt, dass man eine möglichst schwere ST gewählt hat - und der nette Satz: "Die Strat ist nur mit neuem Logo erhältlich. Ich hoffe, du liebst sie trotzdem."
Selbst mit dem mintfarbenen Pickguard und den cremefarbenen Knöpfen und Kappen sieht die Rockinger ST schick und edel aus. Trotzdem wird sie nach meiner Operation bestimmt noch besser aussehen.
Nach dem ersten Anspielen muss ich zugeben enttäuscht zu sein. Hals- und Mittel-Pickup klingen ganz gut, aber der Stegpickup klingt irgendwie zu schrill. Da hätte ich mehr erwartet. Ich schraube die Pickups höher, was jedoch mit heftiger Stratitis (Magnete beeinflussen die Saitenschwingung) beantwortet wird. Was mir jetzt auffällt ist, dass die Pickup-Kappen lose auf den Pickups schlackern und auch die Pickups nicht gegen das Pickguard gestemmt werden. Hm ...
Morgen ist auch noch ein Tag. Vielleicht hat die Kälte der ST zugesetzt?
Am Freitag nehme ich die Saiten ab und entferne das Pickguard. In der Tat. Die Silikonschläuche zwischen Pickups und Pickguard sind viel zu kurz. Teilweise ist dort sogar noch reichlich Luft. Im Nachhinein weiß ich nicht was den Sound vom Donnerstag so mies gemacht hat. Vielleicht war es wirklich die Pickup-Befestigung?
Als ich das schwarze Austausch-Pickguard auf die ST lege mache ich große Augen. neun der elf Bohrungen stimmen nicht überein. Sie sind ein halbes bis dreiviertel Loch in alle Richtungen verschoben. An dieser Stelle sollte ich Fairerweise anmerken, dass es auch bei Original-Fender-Pickgurds durchaus zu Maßabweichungen kommen kann. Einzig die "Trefferquote" von 9:2 ist außergewöhnlich hoch.
Eigentlich wollte ich die Seitenreiter austauschen und mit Ersatzteilen die Saitenreiter abwechselnd verchromt und schwarz machen. Ich als "alter Hase " hätte wissen müssen, dass es sich hier um ein echtes Vintage Tremolo handelt. Das heißt, der Saitenabstand ist nicht 54 mm, sondern 56 mm! Ein Satz mit X; dat war nix. Die Originalreiter sind 0,8 mm breiter als die Ersatzreiter. Durch genaues studieren der Website hätte ich darauf kommen können. Auch hier sei angemerkt, dass so etwas zum Bastler-Risiko gehört!
Als ich dann den Hals abnehme blicke ich auf ein SHIMM (Ahornstreifen), der die Halsneigung vergrößert. Nun ist der Frust richtig groß. Ist das der Grund für den relativ schlechten Klang vom Donnerstag? Rockinger schreibt in seinem Workshop, dass SHIMMs den Klang nicht negativ beeinflussen. Nachdem ich den Hals wieder angeschraubt habe fällt mir auf, dass der Hals sehr tief in seiner Halstasche liegt. Das bestätigt auch der Vergleich mit der Squier und Fotos von anderen Rockingern und Diegos aus dem Internet.
Ich breche meine Umbauversuche ab. Samstag und Sonntag sind vom Frust und dem schreiben einer langen E-Mail an Rockinger geprägt. Da ich große Teile der ST auseinander genommen habe kann ich mir gut vorstellen, dass der Umtausch ausgeschlossen ist.
Montag rufe ich zusätzlich bei Rockinger an und spreche mit Andreas. Das mit den Silikongummis sehen wir gleich, in anderen Punkten haben wir Differenzen. Trotzdem fühle ich mich nicht abgespeist; es kommen keine platten sinnfreien Sprüche, sondern nachvollziehbare Argumente.
Meiner E-Mail hatte ich eine kleine Liste von Teilen beigefügt, die ich zum "Rettungsversuch " benötige. Auch Teile, die mir mehrere Optionen offen lassen. Andreas verspricht mir die Teile schnell zu schicken. Zudem will er versuchen ein schwarzes Pickguard rauszusuchen, das vielleicht passt.
Mittwoch wartet bereits ein Päckchen vor meiner Wohnungstür. Alle versprochenen Teile wurden geliefert. Leider ist beim zweiten Pickguard die Trefferquote auch nur bei 7:4.
Jetzt habe ich aber Silikongummis, Pickup-Federn (vorsorglich bat ich um beides) und eine mintfarbene Tremoloabdeckung - falls alle Stricke reißen und das mintfarbene Pickguard doch drauf bleiben muss. Den Abend verbringe ich damit, mir eine Strategie zurecht zu legen.
Der Umbau
bisher habe ich es immer geschafft!
Schaschlik
Am Donnerstag besorge ich mit in der Montageabteilung unserer Firma Schaschlikspieße (die wir benutzen um in schwer zugänglichen Geräteecken zu putzen) und Holzleim. Die Schaschlikspieße will ich mit einem Cutter auf den Durchmesser der Pickguardschraubenlöcher bringen (man könnte sie auch schmirgeln). Danach sollen sie eingeleimt werden. Hoffentlich bekomme ich so die Pickguardschrauben senkrecht und ohne auszubrechen in ihre neuen Löcher.
Den den späten Nachmittag verbringe damit die Schaschlikspieße auf Form zu bringen, sie abzulängen und einzukleben. Das dreischichtige schwarze Pickguard, das zwischenzeitlich auf meiner Squier platziert war, kommt wieder runter und auf die ST. Auch auf der Squier kommen die Schaschlikspieße zum Einsatz, denn das mintfarbene Pickguard der Rockinger sieht schon absolut rattenscharf aus und soll sein neues Heim auf der Squier finden.
Der auf den Schraubendurchmesser angepasste Schaschlikspieß wird ins Bohrloch gesteckt um die Tiefe zu ermitteln und danach abgelängt. Dann fülle ich mit einem Zahnstocher Holzleim ins Bohrloch und betupfe das Füllstück ebenfalls. Mit dem Endstück eines Körners klopfe ich das Füllstück weitgehend ins Loch. Für das letzte Stück setze ich den Körner "richtig herum" an und klopfe vorsichtig, bis das Füllstück bündig im Bodyist. Vorsichtig den überschüssigen Holzleim entfernen, fertig.
Nachdem der Leim hart ist wird eine Anreißnadel zweckentfremdet um die neuen Bohrlöcher exakt mittig festzulegen. Alles klappt und am späten Abend haben beide Strats ein neues Pickguard.
Die Hochzeit
Freitag geht es nach der Arbeit an die Elektrik sowie die Vereinigung von Pickguard und Body.
Nehme ich den Silikonschlauch oder die Federn? Auf jeden Fall hat Rockinger mir sehr gute Federn geliefert. Keine Kugelschreibermienen, sondern Federn aus dickem Federstahl. Ich entscheide mich für die Federn. Da der Hals bei mir relativ niedrig aus dem Body ragt, müssen die SingleCoils tiefer im Body versenkt werden. Die exzellenten Federn üben selbst dann noch einen großen Druck aus.
Die drei Rockinger ST-RAT Pickups sollen vorher noch schwarze Kappen erhalten. Die Befestigungslöcher in den Plastikkappen muss ich leicht mit einer Rundfeile nachfeilen. Null Problemo! Kappen auf die Pickups und dann rein in das Pickguard. Passt.
Jetzt den 5-Weg-Schalter, das Volumen- und obere Ton-Poti. Passt. Das untere Ton-Poti muss draußen bleiben. Hier kommt ein Poti mit Push/Pull-Schalter zum Einsatz. Zieht man am Poti, so werden Hals- uns Steg-Pickup immer zugeschaltet. So kann ich zusätzlich Hals- und Steg Pickup oder alle drei Pickup zusammen anhaben.
Außerdem wird die Belegung des 5-Weg-Schalters leicht geändert. Das obere Ton-Poti ist für Mitte und Hals zuständig, das untere für den Steg, denn der braucht am ehesten eine Soundkorrektur. Keine Ahnung, was Herr Fender sich damals bei seiner Schaltung gedacht hat.
Rockinger setzt übrigens japanische Potis bester Qualität in seine Gitarren. Die Tone Potis sind logarithmische 250k Potis mit einem 22nF Kondensator (wenn ich mich nicht verlesen habe). Als Volumen-Poti kommt ein lineares 500k Poti zum Einsatz. Hier ist ein zusätzlicher Kondensator angelötet, der die Höhen beim zurückdrehen des Potis erhält. Fein! So soll es sein.
Nach dem Löten messe ich erstmal alles durch. Klappt. Dann setze ich das Pickguard an den Body und löte die restlichen Kabel zur Klinkenbuchse und Erdung an. Hinein in die Ausfräsung, etwas hin und her geschoben, passt.
Noch einmal kurz durchmessen ob das Signal an der Klinkenbuchse stimmt. Stimmt.
Also rein mit den 11 Pickguardschrauben, die dank den Schaschlikspießen und dem Zentrieren der Löcher per Reißnadel auch alle mittig und senkrecht ihren Weg in die amerikanische Erle finden.
Claptonisierung
Wie schon anfangs erwähnt mag ich keine Strats.
Das körpergerechte Shaping auf der Rückseite mag ich nicht; zum abfedern habe ich meinen Bierbauch! Außerdem stören mich Tremolos aus Prinzip. Anscheinend habe ich diese Abneigung mit Herrn Clapton gemeinsam. Seine Clapton Signature Strat wurde in den 80ern berühmt, weil sie ab Werk mit einem Holzblock ausgeliefert wurde, der das Tremolo stilllegt. Da ich momentan kein passendes Holzstück zur Verfügung habe löse ich das Problem auf einfachere Weise.
Zuerst werden die sechs Halteschrauben etwas weiter runter geschraubt, dann hänge ich auf der Rückseite zwei zusätzliche Federn ein. Noch mal rumgedreht und erneut die sechs Schrauben mit wohl dosierter angezogen. Unter den sechs Schrauben ist das Tremolo, wie üblich, leicht angeschrägt. Also dürfen die Schrauben nicht zu hart angezogen werden. Und noch mal rumgedreht und die Federhalteplatte soweit ins Holz geschraubt, dass das Gewinde gerade eben verschwindet. Keine Ahnung ob das Einfluss auf das Sustain hat, aber immerhin hat man so eine optimale Verbindung zwischen Saiten, Steg, Federn und Body. Da bewegt sich nichts mehr.
Zum Vintage Tremolo sei noch angemerkt, dass es ein echtes 62er Vintage Tremolo ist; demzufolge auch einen Saitenabstand von 56 mm hat. Viele Vintage Style Tremolos haben einen Abstand von 54 mm - was nicht dem Original entspricht. Mit diesem Tremolo erübrigt sich im Grunde die Frage der HSS-Umrüstung, da ein Humbucker zu schmal für die 56 mm ist. Wer also etwas heißeres möchte, sollte zu einem der zahlreichen Humbucker im SingleCoil-Format greifen.
Des weiteren passen nur 10,5 oder 10,8 mm Saitenreiter auf dieses Tremolo. Die 10 mm Reiter eines 54 mm Tremolos ständen zu weit auseinander.
Da mein Tremolo voll auf der Decke aufliegt muss ich etwas experimentieren, bis ich die Tremoloabdeckung richtig platziert habe. Das Schraubenloch rechts oben liegt sehr nahe an der Tremoloausfräsung, aber es passt alles. Nichts reißt aus. Diesmal war das Glück mit dem Dummen.
Zum Schluss wird noch am Tremolohebel der weiße gegen einen Schwarzen Knauf getauscht. Statt einen Thread zu eröffnen wie ich den weißen runter kriegen soll greife ich beherzt zu einem Teppichmesser. Geht ...
Saitensprünge
Erstmal kommen die alten Saiten wieder drauf. Zumindest E bis G Saite.
Vor Jahren hatte Rockinger in seinen Saiten-Sets immer doppelt e- und H-Saiten drin. Daher verfüge ich noch über eine ausreichende Anzahl.
Die Kluson Mechaniken sind einfach genial. Die Saiten werden nicht durch ein seitliches Loch gefädelt, sondern in ein Loch von oben in die Mechaniken eingeführt. Man führt die Saite zur Mechanik, zieht sie an der Mechanik vorbei und schneidet die Saite ca. 5 cm hinter der Mechanik ab. Jetzt die Saite von oben in das Loch der Mechanik, Saite abwinkeln und ein paar mal um die Mechanik schlingen, Saite spannen, fertig. Es gibt keine Verletzungsgefahr durch herausstehende Saitenenden und die Stimmstabilität ist auch hervorragend. Bei der ST kann ich das noch nicht beurteilen, aber die 22 Jahre alten Kluson Mechaniken meiner Rockinger Cadicaster gehen nicht nur so weich wie am ersten Tag, sie sind auch ein Wunder an Stimmstabilität.
Da ich noch zwei Rollen-Saitenniederhalter von Göldo zuhause rum fliegen habe, werden diese gegen den einzelnen Vintage-Saitenniederhalter getauscht. Sittlichen Nährwert haben die Rollen natürlich bei mir nicht - ohne Tremolo. Zumindest wird der Druck auf D- und G-Saite aber etwas erhöht.
Was zu wichtig zu berichten wäre
Ausstattung
Wer eine Strat von 1962, gepaart mit den Errungenschaften des 21. Jahrhunderts sucht ist meiner Meinung nach falsch bei der Rockinger (und Diego).
Die ST hat keinen Ibanez-High-Speed-Hals, der Saitenabstand am Tremolo beträgt 56 mm, das Vibrato-System ist - soweit ich gehört habe - nicht 100% stimmstabil (eben Vintage Tremolo), die SingleCoils rauschen und liefern einen zwar lauten und kraftvollen, aber relativ spät verzerrenden Sound.
Die ST will aber auch gar kein Wolf im Schafspelz sein. Sie ist ein Wolf im Wolfspelz. Die Rockinger ist aus erstklassigen Komponenten zusammengebaut; das betrifft sowohl Hölzer als auch Hardware. Die Maße für Hals und Body stammen von alten Instrumenten. Die Pickups rauschen zwar leicht, aber ich habe noch nie den Vorwurf gegenüber Clapton, Hendrix oder Blackmore gehört, ihre Gitarren hätten gerauscht - und das taten sie. Einziger - verzeihlicher - Stilbruch der ST ist der 5-Wegschalter, den es in den 60ern noch nicht gab.
Daten Rockinger ST "Ready-to-Play"
Body: US-Erle, zweiteilig, vintage Shaping
Hals: Ahornhals, Fat 60s Shaping
Griffbrett: Palisander (Rosewood) Griffbrett, 7,5er Radius, 21 jumbo Bünde
Mechaniken: Kluson Vintage
Tremolo: Vintage Tremolo 56 mm mit Stahlblock, 3 Federn, keine Abdeckung serienmäßig
Hals-Pickup: Rockinger Strat Pickup, 5,68 k Ohm, Alnico V
Mittel-Pickup: Rockinger Strat Pickup, 5,78 k Ohm, Alnico V, reversed
Hals-Pickup: Rockinger Strat Pickup, 6,44 k Ohm, Alnico V
Regler: Ein Mastervolume, ein Tone jeweils für Hals und Mitte
Schalter: US-Schalter, 5-Weg, offen
Hardware: Verchromt
Pickup-Kappen und Knöpfe: creme (Aged White?)
Pickguard: mint
Farbe: schwarz
Preis: 525 Euro
Einstellung und Verarbeitung
Großes Manko war natürlich, dass die Silikonschläuche der Pickup-Befestigung viel zu kurz waren.
Ansonsten waren Oktavreinheit und Seitenlage bei Lieferung perfekt eingestellt, die Bünde gut abgerichtet. Ob das Tremolo perfekt eingestellt war kann ich nicht beurteilen - ich hasse die Dinger. An den etwas breiteren und ausladenden Hals muss man sich war erst etwas gewöhnen, aber die Bespielbarkeit ist sehr gut. Mit dem Baseballschläger-Hals meiner Tele kommt auch nicht jeder auf Anhieb klar. Das Griffbrett ist stärker gewölbt als die heutzutage üblichen 9 oder gar 12 Zoll. Das tut der Bespielbarkeit aber keinen Abbruch.
Die Lackierung des Bodys ist erstklassig. Ob es nun Nitrolack oder sonst was ist weiß ich nicht. Polyurethan dürfte es aber nicht sein, da der Lack viel dünner und auch nicht so spröde ist. Im Tremolofach schimmert ganz leicht an einer kleinen Stelle die Grundierung durch und an einer Kante des Tremolofachs wurde wohl (professionell) mit einem Feilenstrich eine Nase entfernt. Anders kann ich mir den Feilenstrich nicht erklären. Anzumerken sei noch, dass schwarze Gitarren nicht nur schwer zu fotografieren sind, man sieht auch sofort jeden Fingerabdruck oder Staub. Und die schwarze Version gibt es zur Zeit nur bei Rockinger und nicht bei Diego.
Die Kopfplatte ist glänzend lackiert (wem es gefällt), die Rückseite des Halses hingegen hat ein wunderschönes seidenmattes Finish. Der Trussrod wurde von oben in den Ahornhals eingesetzt. Es gibt also keinen "Stinktierstreifen" auf der Halsrückseite wie ihn auch einige Gitarren mit Rosewood-Griffbrett aufweisen. Das Palisandergriffbrett (Rosewood = Palisander und nicht Rosenholz) ist natürlich nicht lackiert.
Der Klang
Ich kann nur raten, nehme aber an, dass die losen Pickups für meine Enttäuschung am ersten Tag verantwortlich waren. Des weitern ist natürlich anzumerken, dass ich das Tremolo festgesetzt habe und dass man mir eine relativ schwere schwarze ST rausgesucht hat. Keine Ahnung wie eine leichte ST mit schwingend gelagertem Tremolo klingt. Hinzu kommt, dass ich 009-050 Saiten auf der Strat habe.
Meine Strat ist trocken gespielt nur mittellaut - aber das sind meine Rockinger Cadicaster und Mexican Fender Deluxe Nashville Tele auch. Die Squier Bullet ist etwas lauter und "stratelt" auch etwas mehr. Vielleicht nicht verwunderlich, denn sie ist einiges leichter als die ST. Der Ton der ST ist richtig schön präzise und differenziert. Da matscht nichts. Gleichzeitig ist aber auch jede Menge Sustain da. Der SHIMM - also die Halseinlage aus Ahorn - scheint in der Tat keinen Einfluss auf das Sustain zu haben. Zumindest kann es die ST mit meiner Epiphone Les Paul Standard in Sachen Sustain aufnehmen.
Über den Amp gespielt klingt meine Nashville Tele (ab Werk mit TexMex Strat Pickup!) in den Mittelstellungen etwas stratiger als die ST; etwas hohler und dünner. Sie hat aber auch noch 009-042er Saiten drauf.
Die SingleCoils der Nashville bringen im Overdrive-Betrieb des Verstärkers mehr / früher Verzerrung. Das kann man als Vorteil sehen. Will man aber Clapton nachspielen steht man bei vielen Amps schnell vor dem Problem, dass die Pickups zu schnell zu sehr zerren. Die wenigsten dürften live Endstufenverzerrung gezielt zur Verzerrung einsetzen? Schönes Hörbeispiel ist "Cocain", wo man sich bei einigen der Gitarrenspuren im Hintergrund nicht entscheiden kann ob die Gitarre noch clean oder schon verzerrt ist.
Ich habe mir aus Jux mal eine (bitte nicht schlagen!) Alba Tele gekauft. Deren Pickups verzerren ebenfalls recht spät. Während die Pickups der Alba aber immer dünn und kraftlos klingen sieht die Sache bei den ST-RAT Pickups ganz anders aus. Sie verzerren zwar relativ spät, haben dabei aber jede Menge Kraft und Wärme.
Der Rockinger Hals-Pickup bringt richtig satte Bässe, ausgewogene Mitten und dezente Höhen, ohne dass die Gitarre an Durchsetzungskraft verliert. Matsch kennt die Rockinger eh nicht.
Der mittlere Rockinger Pickup ist anders herum gewickelt um in den Zwischenstellungen das Brummen zu unterdrücken (was er auch sehr gut erledigt). Hier hat die ST etwas weniger Bass, die Mitten kommen schön mittiger (?) und die Höhen sind etwas kräftiger.
Der Rockinger Steg-Pickup klingt nach dem Zusammenbau irgendwie total anders. Was vorher eher schrill klang hat jetzt schöne scharfe Höhen ohne im geringsten unangenehm zu sein. Die Bässe kommen natürlich drahtig rüber und die Mitten sind dezenter.
Leider habe ich es absolut nicht mit dem Aufnehmen.
Daher kann ich als Soundbeispiel nur sagen: Greift mal in eure Musikbox und holt die uralten U2 Scheiben raus. Der Sound von "Sunday Bloody Sunday" oder "New Years Day" könnte von meiner ST stammen. Vor fast 20 Jahren habe ich mal "New Years Day" in einer Band gespielt - mit einer Squier Japan Strat. Auf der Rockinger ST geht das um einiges einfacher! Die Sounds von Clapton, Blackmore, Hendrix, Buddy Guy und Co lassen sich auch recht schnell und gut einstellen.
Hardware
Wie bereits erwähnt sind die Kluson Mechaniken einfach nur genial. Die sind NICHT gekapselt, in Öl oder sonst was gelagert. Ich kann aber aus einem Langzeittest berichten, dass sie auch nach 22 Jahren (bis auf die Chromschicht) wie neu sind. An meiner Cadicaster habe ich es irgendwie geschafft mit dem obersten Stimmwirbel wo gegen zu latschen. Und? Der Pin sitzt jetzt zwar etwas schief, aber die Mechanik funktioniert als wäre nichts gewesen.
Wegen der Optik will ich schwarze Strat-Potiknöpfe drauf haben. Dome Speeds fände ich nicht schön. Hat schon mal jemand versucht ein Push-Pull-Poti mit Strat-Knopf hochzuziehen? Was beim Dome Speed kinderleicht ist, kann man beim Strat-Knopf dank der Rillen vergessen. Also ein Satz mit X, aber was soll es?
Die Gurtpins der ST passen übrigens zu den Schaller Security Locks. Sehr schön!
Fazit
Aus dem hässlichen Entlein ist ein wunderschöner schwarzer Schwan geworden!
Keine Ahnung woran es an diesem verschneiten Donnerstag lag. Dass sich bei mir so viele Schwierigkeiten häuften ist Bastlerglück und meiner Erfahrung nach auch ein einmaliger Fall.
Die schnelle und unbürokratische Hilfe von Andreas (Mertens) und dem Rockinger Team ist für mich definitiv ein Grund weiterhin treuer Rockinger-Fan zu bleiben. Ich bin vollstens mit der ST, dem Service und Support zufrieden!
Jetzt habe ich eine (in meinen Augen) wunderschön aussehende und toll klingende Strat. An die Halsdimensionen und dem Saitenabstand werde ich mich noch ein wenig gewöhnen müssen. Das sehe ich aber auf keinen Fall als Manko. Die Frau für's Leben muss man auch nicht am ersten Abend rumkriegen.
Wegen meiner Saitenwahl, dem festgesetzten Tremolo und dem schweren Body klingt meine ST bestimmt etwas anders als andere Rockinger oder Diegos. Aber klingen zwei Gitarren gleich? Die Rockinger ST braucht auf keinen Fall den Vergleich mit einer Fender Mexico oder USA zu scheuen. Zumindest nicht, wenn man die Philosophie die hinter diesen Gitarren steckt berücksichtigt. Alles andere hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Ich kann die Rockinger ST wärmstens jedem empfehlen, der eine echte, ehrliche, qualitativ hochwertige - und nagelneue - Vintage Strat sucht. Leute die lediglich Vintage Sound ohne Vintage Feeling haben wollen wären vielleicht falsch beraten. Ibanez-Hals-Fans, Floyd-Rose-Fans und High-Speed-Fetischisten sollten sich meiner Meinung nach ebenfalls besser nach etwas anderem umsehen.
Für den Preis von 525 Euro für die "Ready-to-Play" erhält man ein erstklassiges Vintage Instrument. Wer ein "Five-Minute-Kit" gerne als "Ready-to-Play" haben möchte, sollte einfach eine E-Mail an Rockinger schreiben oder in Hannover anrufen. Hoffentlich bringe ich Rockinger jetzt nicht in Bedrängnis! Solange nicht an der Gitarre rumgebastelt wurde - wie ich es tat (!!!) - besteht meines Wissens ein normales Rückgaberecht.
Etwas schwärmerisch möchte ich anmerken:
Fender sind eher wie Rolls Royces. Die kauft man sich weil man es sich leisten kann.
Rockinger / Diego sind eher wie Bentleys. Eine Lebenseinstellung; so was gönnt man sich.
Die Rockinger ist "keine Gitarre für eine Nacht" - sie ist eine Gitarre für Jahre oder das ganze Leben. Meine Rockinger Tele begleitet mich jetzt seit 22 Jahren und sie wird wohl bis zu meinem Lebensende bei mir bleiben (müssen). Aber jetzt ist sie ja nicht mehr alleine, sondern hat eine junge Halbschwester bei sich!
Hier noch ein paar Bilder:
Die ST vor dem Umbau:
Die ST nach dem Umbau:
Das war wohl erstmal lang genug?!
Aber es kommen vielleicht noch Fragen oder Anmerkungen?!
Gruß
Andreas
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