Wie hat sich eure Musik-Wahrnehmung durch eine musikalische Ausbildung verändert?

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Hi zusammen :)

In letzter Zeit habe ich ein reges Interesse für Musik-Komposition und Produktion entwickelt. Alles hat damit angefangen, dass ich beim Gitarre üben immer mehr eigene Riffs gespielt habe, die mir so in den Sinn kamen und ich irgendwann das "Handbuch der Gitarre" aus dem Bücherregal genommen habe und einfach mal angefangen habe zu lesen. In letzter Zeit hat sich auch die Tür zur Klassik / Film Musik für mich aufgetan und mich noch mehr inspiriert.

Nun hatte ich gehofft an der Uni ein paar extra Kurse über Musiktheorie belegen zu können, allerdings gab es da nur einen Intensivkurs Harmonielehre, der doch sehr theoretisch und trocken aussah.

Ich würde mich wirklich gerne mehr mit dem Thema Komposition, Harmonie usw. auseinandersetzen, andererseits habe ich auch eine gewisse Angst, dass mir dabei den Spaß, dieses tolle Gefühl, welches mir manche Musik gibt, wenn ich Sie höre, verliere.

Man kennt es vielleicht aus dem Abitur.. jeder der etwas Literatur in der Schule hatte, wird wissen was ich meine. Irgendwann kann man kein Buch mehr lesen, ohne zumindest passiv über die versteckten Themen, Anspielungen und Autorenintention nachzudenken, was - für mich jedenfalls - eine Wand zwischen der Story und mir aufgebaut hat. Ich kann kein Buch mehr wirklich genießen und mich einfach nur an der Story und dem Schreibstil erfreuen.

Daher interessiert mich, wie es euch ergangen ist. Habt ihr eine komplette musikalische Ausbildung durchlaufen und könnt ihr noch immer in eurer Freizeit einfach so Musik hören und Sie einfach genießen? Gibt es immernoch Musik, die euch einfach glücklich macht, die euch mitreist?

Freue mich über Antworten :)

MfG,
Max
 
Eigenschaft
 
Interessantes Thema, auch wenn ich da streng genommen nicht teilnehmen darf: Ich habe nach einigen Jahren Schlagzeug erst vor etwas mehr als einem Jahr mit Klavier (sowie Synth/Keyboard) angefangen und meine eigentliche Ausbildung hat nichts mit Musik zu tun. Da ich da gerade letztes Jahr gemessen an dem Zeitraum sehr viel gemacht habe und mich auch gerne mit Grundlagen der Musiktheorie mach ich es trotzdem mal.

Ich bin auch generell in Sachen Musikrichtungen offener geworden. Gerade zur Klassik habe ich dadurch erstmals wirklich Zugang gefunden, auch wenn ich sie weniger im Alltag als ab und zu bei Konzerten höre. Ich achte schon gerne auf verschiedenste Sachen wenn ich Musik höre (Dur/Moll, was für Instrumente spielen gerade, was genau ist das wohl gerade für ein Synthsound). Auch ein bisschen Komposition, Arrangement und Producing mit DAW, wenn man das auf dem Level schon so nennen kann habe ich mir gerne angeeignet.

Nun ja, ich kann in meiner Freizeit noch genau so Musik hören, vielleicht abgesehen davon dass ich so viel nach neuer, interessanter Musik suche dass ich nun musikalisch zwischen allen Schubladen sitze keine "eigene" Richtung mehr habe. Da ich das gelegentliche Analysieren von mir aus mache verdirbt es mir auch nirgends den Spaß daran.
 
Bei mir ist es so, dass ich fast nur noch analysierend Höre. Nicht nur bezogen auf Harmonie, sondern auch auf Struktur, Instrumentation, Themen, Klangfarben etc. Was für mich eine völlig neue Sicht auf Musik eröffnet hat. Je mehr ich an einem Stück Musik zu knabbern habe, desto interessanter wird es für mich. Die Öffnung hin zu neuen Musikrichtungen, die ich früher überhaupt nicht gehört hätte, nur um sie zu "verstehen" ist doch etwas Gutes.
Es gab aber mal eine Zeit, da konnte ich nur einzelne Instrumente hören, bzw. habe mich zu sehr immer nur auf ein einzelnes Instument konzentriert. Das ist zum Glück aber nicht mehr so.
 
ColdDayM. hat fast auch meine Situation beschrieben, bei mir kommt noch Metrik/Rhythmik sehr zur Analyse dazu.
Wie das als Kind/Jugendlicher war, danran kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war da auch eher der musikal. "Staubsauger", aber spätestens zu Beginn des Musikstudiums wars vorbei mit unbedarftem Hören.

Inzwischen (etwas Ü60) ist es so, daß ich fast gar keine Musik mehr höre, für mich ist die (absolute) Stille viel wichtiger geworden. Musik höre ich nur noch sehr gezielt, weil ich was für ein Projekt brauche, etc.
Ich treibe den Entzug soweit, daß ich dann wieder irgendwann ins Gegenteil umschlage und einige Stunden gerne höre - dann aber bevorzugt Solo-Interpretationen, bzw, Duo/Trio-Aufnahmen. Ich bin ja ein großer Big Band Freak, aber selbst da hör ich mir die wichtigen Neuerscheinungen gestückelt auf mehrere Tage an.
Eine seltsame Ausnahme hab ich, ich hab mir ca. 150 CDs fürs Auto kopiert, wenn ich unterwegs bin hören ich gern und immer Musik, fast auschließlich Jazz.
 
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Sehr interessant, wie unterschiedlich die Meinungen hier doch zu sein scheinen, einerseits in der Hinsicht auf "verliere ich den thrill" als auch in der Hinsicht "ist das nicht was gutes".

Ich bin ähnlich wie WilliamBasie mal war, ein richtiger Musikstaubsauger.. dabei meine ich allerdings nicht, dass ich die ganze Zeit neue Musik brauche, ich habe auch sehr lange Spaß an einem guten Stück, aber bei mir läuft quasi rund um die Uhr Musik. Lediglich ab und zu habe ich mal einen Tag oder so, wo ich mal Ruhe brauche, bzw. von der Musik die ich gerade höre "die Schnauze voll habe" und etwas anderes brauche. Da ich aber immer wieder mal auf YT eine Doku oder so schaue, bekomme ich die eig. ganz automatisch.

Ich bezweifle jedenfalls für mich, dass ich von der intensiven analyse oder von dem Genuss der Stille jemals die gleiche "Satisfaktion" bekommen werde, wie ich sie im Moment durch das einfache genießen der Musik bekomme.

Würde mich über weitere Meinungen freuen :)
 
Du darfst aber nicht vergessen, dass ein gewisses analysierendes Hören auch völlig neue Ansätze in ein dir schon bekanntes Stück bringen kann. Zudem ist es als Musiker auch nie verkehrt sich etwas mehr mit der theoretischen Seite seiner Materie auseinanderzusetzen.
 
Um auf die Eingangsfrage zu antworten:

Wie hat sich eure Musik-Wahrnehmung durch eine musikalische Ausbildung verändert?

Die Wahrnehmung SEHR, aber das emotionale (Bauch-)Erlebnis des Musikhörens ÜBERHAUPT NICHT.


Ich habe mir im Alter von 13 Jahren selber angewöhnt, Musik analytisch zu hören ("analytisch" heißt in diesem Zusammenhang bei mir: Harmonien erkennen, harmonische Strukturen erkennen, rhythmische Strukturen erkennen). Ohne Zwang. Aus reiner Neugierde. Das war vor gut 30 Jahren.
Seitdem gibt es bei mir kein Muskhören mehr OHNE gleichzeitige Analyse. Das ist ein Programm, das bei mir im Hintergrund immer automatisch mitläuft.
Aber es beeinträchtigt mein "Bauchgefühl" beim Hören eines guten Grooves in keiner Weise, wenn ich gleichzeitig dahinterkomme, WIE sich Gitarrist, Drummer und Bassist da konkret rhythmisch organisieren und koordinieren. Im Gegenteil: Das schafft noch eine weitere Ebene der Musikwahrnehmung, und eine weitere Ebene der Freude.

LG-Thomas
 
...gibt es bei mir kein Muskhören mehr OHNE gleichzeitige Analyse. Das ist ein Programm, das bei mir im Hintergrund immer automatisch mitläuft ... Das schafft noch eine weitere Ebene der Musikwahrnehmung, und eine weitere Ebene der Freude ...
Das kam bei mir vielleicht nicht so rüber, aber genauso ist es bei mir auch - ich fühle mich meistens nicht beeinträchtigt durch die (gleichzeitige) Analyse.
 
Hi zusammen,

so mein Intensivkurs der Harmonielehre ist nun durch und ich dachte ich schildere mal ein paar Eindrücke, wie ich (kompletter Neuling) es so aufgenommen habe.
Zunächst einmal war ich überrascht wie viele Begriffe es für verschiedene Dinge gibt, auch gerne mal mehrere für die gleiche Sache. Ich bin erstaunt, dass sich so viel Musik durch so genaue Regeln (auch wenn diese natürlich gerne mal gebrochen werden) beschreiben lässt.

Obwohl wir in dem Intensivkurs natürlich nicht sonderlich in die Tiefe gehen konnten, hat der Dozent jedoch wie ich finde schon sehr viele Aspekte rüber gebracht, bereits am zweiten Abend haben wir ein Bach Präludium analysiert.

Insgesamt würde ich sagen, dass ich durch den Einstieg auf jeden Fall ein stärkeres Interesse entwickelt habe, Musik verstehen zu wollen, zu verstehen, was sich der Komponist gedacht hat, als er ein gewisses Stück komponiert hat und welche musikalischen Konstrukte welche Emotionen hervorrufen.

Nun jedoch eine gewisse Erleichterung: Ich habe immer noch genau so viel Freude an meiner "Lieblingsmusik" wie vorher, wenn nicht sogar noch etwas mehr. Ich habe mich noch nicht daran gemacht, zu versuchen diese komplett durch zu analysieren, jedoch bin ich auch noch nicht mal an dem Punkt, wo ich beim hören die ganze Zeit versuche irgendwelche Kadenzen o.ä. zu erkennen oder sowas.

Ich denke dass Musik vielleicht doch nur ihren Charm verliert, wenn man Sie zu oft gehört hat, und nicht mehr durch das Genie des Komponisten überrascht werden kann, da hilft wohl dann nur eine Zeit lang etwas anderes zu hören :p
 
Ich denke dass Musik vielleicht doch nur ihren Charm verliert, wenn man Sie zu oft gehört hat, und nicht mehr durch das Genie des Komponisten überrascht werden kann, da hilft wohl dann nur eine Zeit lang etwas anderes zu hören :p


Ich habe null Ahnung von Theorie, Komposition, Harmonielehre usw.
Aber als ich als Teenager (bevorzugt war bis dahin meist schwarze Musik - Funk, Soul usw.) das erste Mal Klassik hörte und auch heute immer wieder entsprechende Radiosender einschalte, hat sich meine musikalische Wahrnehmung verbessert. Hängt auch damit zusammen, daß ich mit meinem früheren Drum-Lehrer viel in Jazz-Clubs war (er: Drums - ich: Percussions).
Dann kam irgendwann die Latin-Schiene dazu - oder parallel.

Jedenfalls sollte man seine Ohren aufsperren und sich mit verschiedenen Dingen (intensiver) beschäftigen.

Mir hat es jedenfalls geholfen, musikalische Spannungsbögen "zu erahnen" und vorauszufühlen.
Bei Proben mit diversen Bands waren dann vom Drumset gelieferte Breaks, Fill-Ins usw. dann meistens die richtigen - weil ich das sog. "Feeling" reingelegt habe.


Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen:

Die Ausbildung war bei mir sowohl die Praxis wie auch das Beschäftigen mit Dingen über den ursprünglichen Tellerrand hinaus.

Reisen bildet....
 
Eine sensorische Verarbeitung von Tönen ist ganz sicher nicht dasselbe wie eine gleichzeitig intellektuelle. Wenn aber schon der Kommentator immer mitläuft, ist es wahrscheinlich dichter am Erleben, wenn wenigstens die Kommentare etwas mit der sensorischen Wahrnehmung zu tun haben...

Fällt mir gerade ein... Ein Reisebus macht Zwischenstop im australischen Outback. Da sagt ein Fahrgast zu einem anderen: "Hör mal diese Stille!". Antwortet der "Ich höre nichts..."
 
Halli hallo,

in meinem Studium erfuhr ich einen gewissen Wandel, wie ich glaube. Es ist durchaus für mich erkennbar, dass durch mehr Wissen über die Materie Musik auch mehr Verständnis für Genres entstanden ist, die ich zuvor nicht so mochte, bzw. auch immer noch nicht höre. Man achtet aber vermutlich auf viele andere kleinen Aspekte der Musik, sobald man weiß, worauf man alles achten kann.

Darüber hinaus glaube ich allgemein die Materie anders zu betrachten. Ob das schlecht ist, glaube ich nicht. Je mehr Wissen man hat, desto besser ist es sicherlich ... denke ich mal. Ich für meinen Teil kann den analytischen Teil auch ausschalten, sodass ich Musik auch noch genießen kann. (-;
 

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