livebox
Mod Emeritus
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Hallo Kollegen,
ich habe noch keinen Thread zu dem Thema aus Techniker-Sicht gefunden... darum hier mal einer.
Mich interessiert, wie eure Vorgehensweise ist, wenn die Mikros mal grob stehen und alles gepatcht ist. Wie ist die Reihenfolge auf technischer Seite bei euch? Wie geht ihr mit den Musikern um? Und - in welchem Umfeld passiert das bei euch?
(Da mir die Idee zum Thread ein beim Lesen einer der Schulbeschallungs-Fragen kam, plaudere ich nicht nur sondern lasse auch ein paar erklärende Worte mit einfließen - hoffe es kommt nicht zu schulmeisterlich 'rüber.)
Ich selbst habe im Moment oft mit jungen Bands zu tun, die nur wenig live-Erfahrung, noch weniger Erfahrung mit Technik und keine oder nur sehr wenig Erfahrung auf (ansatzweise) richtigen Bühnen haben.
Da gibt es ja mehrere Herangehensweisen als Techniker:
- Der Motivierte, der all seine Energie in das Event hineinlegt und versucht, all sein (meist erst kürzlich erworbenes) Fachwissen anzuwenden. Der dann von der Band enttäuscht wird, weil sie nicht so mitzieht, wie er es sich vorstellt - und sich am Ende über eine schöne VA freut, aber irgendwo doch leicht depri ist.
- Der alte Hase, der auf jede Frage sowieso nur mit "Ja, das klappt schon" antwortet, ein bisschen so daneben steht als hätte er mit der ganzen VA nichts zu tun und den ganzen Job sichtbar lustlos durchzieht.
Nun, wie wohl die meisten von euch sehe ich mich irgendwo dazwischen. Ich kann einschätzen, was ich selbst kann und nicht kann und was ich aus der mir zur Verfügung stehenden Technik herausholen kann. (Für den Rest kann ich dann guten Gewissens die Technik, den Raum oder die Band verantwortlich machen ) Das gibt mir das nötige Selbstvertrauen, um den Bands entsprechend gegenübertreten zu können. Dazu ein paar Jahre Altersunterschied und es endet nicht selten darin, dass in mir ein allmächtiger Techniker gesehen wird.
(Was ich natürlich nicht abstreite, so lange nicht nötig )
Damit fällt mir der Umgang mit den Bands auch einfacher - sie hören (zumindest besser) zu, was ich zu sagen habe. Nun aber zum tatsächlichen Ablauf, wie ich ihn in der Regel gestalte:
Ich mache den Bands (wenn möglich schon eine Woche vor der VA) klar, dass der Soundcheck keine Generalprobe ist. Er ist dazu da, die Instrumente am Pult richtig einzupegeln und ein paar erste Einstellungen und Abstimmungen zu machen, und dann vor allem, um den Monitor-Sound zu klären. Das wird während der VA schwierig; für den Sound auf der Front habe ich den ganzen Abend lang Zeit.
Dann kommt das Einpegeln und grobe Einstellen. Ich gehe die Instrumente nach meiner Patch-Belegung durch (kleine Diskussion dazu siehe hier). Dabei bitte ich jede(n) Musiker, erst mal ein bisschen so laut zu spielen, wie er später maximal laut spielt. Hier ist ein bisschen Erfahrung und Menschenkenntnis (und während der Show hin und wieder ein Blick auf den Kanal-Pegel) gefragt, ob das später lauter oder leiser sein wird.
An der Stelle erfolgen noch Korrekturen bei der Mikro-Aufstellung; ein zweiter Mann oder ein Helfer aus der Band macht das Leben deutlich einfacher.
Kleiner Einschub hier: Wenn die Band nicht diszipliniert ist, scheue ich mich da nicht, auch mal deutliche Worte in den Mund zu nehmen.
Stimmt der Pegel, gehe ich ans EQing. Spätestens hier wird es Zeit die Band zu fragen, wie sie sich ihren Sound vorstellt. Eine beiderseits bekannte Band als uuungefähre Referenz zu finden ist hierbei sehr hilfreich. Dann mache ich mich a) daran, das Instrument rund und durchsetzungsfähig klingen zu lassen (evtl. auch noch mal Korrektur der Mikro-Position) und b) denke ich dabei schon an den Gesamtmix. Evtl. auftretende Feedbacks werden natürlich gezogen Ein Pult mit doppelten semi-param. Mitten oder evtl. sogar mit einem vollparam. Mittenband ist hier Gold wert!!!
Dann kommen noch Effekte und Dynamics auf/in den Kanal, falls benötigt.
Kenne ich mich mit dem Pult gut und ist die Band diszipliniert, ist die ganze Tour (ausgenommen beim Drummer) schneller vorbei als man die letzten beiden Absätze konzentriert liest, und ab geht's zum nächsten Musiker.
Sind alle Instrumente und sonstigen Signale durch, geht's an die Monitoring-Wünsche. Wer muss wen hören? --> bei Anfänger-Bands versuche ich, auch diese Info möglichst bis zu einer Woche vorher kommuniziert zu haben, damit sich die Band darüber Gedanken machen kann.
Grobe Einstellung nach Gefühl; Korrekturen kommen später.
Dann ist es eigentlich so weit, dass die Band ein paar Songs anspielen darf. An dieser Stelle übergebe ich die Leitung an den Band-Leader. Er soll ein paar Lieder anspielen lassen, die charakteristisch für die Band sind. (Bei Anfängern auch hier wieder frühzeitig Bescheid geben, sonst steht die Band erst mal da wie der Ochs vor der Apotheke.) Ich greife ein und melde mich, wenn ich was geändert haben will. Ebenso tun es die Band-Mitglieder bei anstehenden Wünschen (i.d.R. gehts ums Monitoring).
Jetzt habe ich Gelegenheit, ein bisschen am Gesamtmix zu arbeiten. Meinetwegen kann die Band dann noch ein bisschen proben, so lange ihre Zeit noch nicht um ist.
Was, wenn die Zeit nicht ausreichend ist für die beschriebenen Schritte?
- Schneller arbeiten
- Die Band zu mehr Disziplin anhalten
- Im Voraus arbeiten - bis der Gitarrist kapiert dass er spielen soll oder die Sängerin noch ihr "aber nicht zu laut, sonst hört man mich!" von sich gibt, kann man schon mal an ein paar vermuteten Frequenzen spielen
- Auch wenn wir Perfektion anstreben - den perfekten Zustand gibt es bei live-Auftritten nicht. Das muss man akzeptieren. Instrumente, die sich als schwierig einzustellen herausstellen, grob einstellen und zum nächsten gehen. Falls später noch Zeit bleibt, das zu verfeinern - gut.
- Die Prio beim Soundcheck sollte immer bei den Punkten liegen, die Kommunikation mit der Band erfordern. Es sollte ein grober Frontmix bestehen, damit man nicht beim ersten Lied noch die letzten Kanäle hochfahren muss... aber wie gesagt, für den Sound auf der Front bleibt während der VA noch genug Zeit.
Was, wenn die Band einfach nicht diszipliniert arbeitet?
Nun, dann geht in der Regel einfach viel mehr Zeit drauf als nötig. Was uns zum Punkt direkt hier drüber bringt. Und in der Regel damit endet, dass der Sound nicht so gut ist, wie er hätte sein können.
Wird man vom Veranstalter oder sonst jemand hierfür zur Verantwortung gezogen, darf man den Punkt auch ruhig anklingen lassen. Aber vorsichtig bei der Wortwahl: Techniker, die alle Schuld von sich auf andere schieben und nur über andere lästern oder klagen können sind genauso unbeliebt wie schlechte Techniker Also lieber etwas Diplomatie an den Tag legen. Erwähnte ich schon, dass ein bisschen Menschenkenntnis nicht schlecht ist? Ja? Dann tue ich es hier grade noch mal.
So - das ist, was ich aus eigener Erfahrung weitergeben kann. Was mich interessiert: Wie ist euer Arbeitsumfeld und eure Routine beim Soundcheck? Welche Punkte sind beim arbeiten mit fortgeschrittenen / professionelleren Bands anders, fallen weg, kommen hinzu?
MfG, livebox
ich habe noch keinen Thread zu dem Thema aus Techniker-Sicht gefunden... darum hier mal einer.
Mich interessiert, wie eure Vorgehensweise ist, wenn die Mikros mal grob stehen und alles gepatcht ist. Wie ist die Reihenfolge auf technischer Seite bei euch? Wie geht ihr mit den Musikern um? Und - in welchem Umfeld passiert das bei euch?
(Da mir die Idee zum Thread ein beim Lesen einer der Schulbeschallungs-Fragen kam, plaudere ich nicht nur sondern lasse auch ein paar erklärende Worte mit einfließen - hoffe es kommt nicht zu schulmeisterlich 'rüber.)
Ich selbst habe im Moment oft mit jungen Bands zu tun, die nur wenig live-Erfahrung, noch weniger Erfahrung mit Technik und keine oder nur sehr wenig Erfahrung auf (ansatzweise) richtigen Bühnen haben.
Da gibt es ja mehrere Herangehensweisen als Techniker:
- Der Motivierte, der all seine Energie in das Event hineinlegt und versucht, all sein (meist erst kürzlich erworbenes) Fachwissen anzuwenden. Der dann von der Band enttäuscht wird, weil sie nicht so mitzieht, wie er es sich vorstellt - und sich am Ende über eine schöne VA freut, aber irgendwo doch leicht depri ist.
- Der alte Hase, der auf jede Frage sowieso nur mit "Ja, das klappt schon" antwortet, ein bisschen so daneben steht als hätte er mit der ganzen VA nichts zu tun und den ganzen Job sichtbar lustlos durchzieht.
Nun, wie wohl die meisten von euch sehe ich mich irgendwo dazwischen. Ich kann einschätzen, was ich selbst kann und nicht kann und was ich aus der mir zur Verfügung stehenden Technik herausholen kann. (Für den Rest kann ich dann guten Gewissens die Technik, den Raum oder die Band verantwortlich machen ) Das gibt mir das nötige Selbstvertrauen, um den Bands entsprechend gegenübertreten zu können. Dazu ein paar Jahre Altersunterschied und es endet nicht selten darin, dass in mir ein allmächtiger Techniker gesehen wird.
(Was ich natürlich nicht abstreite, so lange nicht nötig )
Damit fällt mir der Umgang mit den Bands auch einfacher - sie hören (zumindest besser) zu, was ich zu sagen habe. Nun aber zum tatsächlichen Ablauf, wie ich ihn in der Regel gestalte:
Ich mache den Bands (wenn möglich schon eine Woche vor der VA) klar, dass der Soundcheck keine Generalprobe ist. Er ist dazu da, die Instrumente am Pult richtig einzupegeln und ein paar erste Einstellungen und Abstimmungen zu machen, und dann vor allem, um den Monitor-Sound zu klären. Das wird während der VA schwierig; für den Sound auf der Front habe ich den ganzen Abend lang Zeit.
Dann kommt das Einpegeln und grobe Einstellen. Ich gehe die Instrumente nach meiner Patch-Belegung durch (kleine Diskussion dazu siehe hier). Dabei bitte ich jede(n) Musiker, erst mal ein bisschen so laut zu spielen, wie er später maximal laut spielt. Hier ist ein bisschen Erfahrung und Menschenkenntnis (und während der Show hin und wieder ein Blick auf den Kanal-Pegel) gefragt, ob das später lauter oder leiser sein wird.
An der Stelle erfolgen noch Korrekturen bei der Mikro-Aufstellung; ein zweiter Mann oder ein Helfer aus der Band macht das Leben deutlich einfacher.
Kleiner Einschub hier: Wenn die Band nicht diszipliniert ist, scheue ich mich da nicht, auch mal deutliche Worte in den Mund zu nehmen.
Stimmt der Pegel, gehe ich ans EQing. Spätestens hier wird es Zeit die Band zu fragen, wie sie sich ihren Sound vorstellt. Eine beiderseits bekannte Band als uuungefähre Referenz zu finden ist hierbei sehr hilfreich. Dann mache ich mich a) daran, das Instrument rund und durchsetzungsfähig klingen zu lassen (evtl. auch noch mal Korrektur der Mikro-Position) und b) denke ich dabei schon an den Gesamtmix. Evtl. auftretende Feedbacks werden natürlich gezogen Ein Pult mit doppelten semi-param. Mitten oder evtl. sogar mit einem vollparam. Mittenband ist hier Gold wert!!!
Dann kommen noch Effekte und Dynamics auf/in den Kanal, falls benötigt.
Kenne ich mich mit dem Pult gut und ist die Band diszipliniert, ist die ganze Tour (ausgenommen beim Drummer) schneller vorbei als man die letzten beiden Absätze konzentriert liest, und ab geht's zum nächsten Musiker.
Sind alle Instrumente und sonstigen Signale durch, geht's an die Monitoring-Wünsche. Wer muss wen hören? --> bei Anfänger-Bands versuche ich, auch diese Info möglichst bis zu einer Woche vorher kommuniziert zu haben, damit sich die Band darüber Gedanken machen kann.
Grobe Einstellung nach Gefühl; Korrekturen kommen später.
Dann ist es eigentlich so weit, dass die Band ein paar Songs anspielen darf. An dieser Stelle übergebe ich die Leitung an den Band-Leader. Er soll ein paar Lieder anspielen lassen, die charakteristisch für die Band sind. (Bei Anfängern auch hier wieder frühzeitig Bescheid geben, sonst steht die Band erst mal da wie der Ochs vor der Apotheke.) Ich greife ein und melde mich, wenn ich was geändert haben will. Ebenso tun es die Band-Mitglieder bei anstehenden Wünschen (i.d.R. gehts ums Monitoring).
Jetzt habe ich Gelegenheit, ein bisschen am Gesamtmix zu arbeiten. Meinetwegen kann die Band dann noch ein bisschen proben, so lange ihre Zeit noch nicht um ist.
Was, wenn die Zeit nicht ausreichend ist für die beschriebenen Schritte?
- Schneller arbeiten
- Die Band zu mehr Disziplin anhalten
- Im Voraus arbeiten - bis der Gitarrist kapiert dass er spielen soll oder die Sängerin noch ihr "aber nicht zu laut, sonst hört man mich!" von sich gibt, kann man schon mal an ein paar vermuteten Frequenzen spielen
- Auch wenn wir Perfektion anstreben - den perfekten Zustand gibt es bei live-Auftritten nicht. Das muss man akzeptieren. Instrumente, die sich als schwierig einzustellen herausstellen, grob einstellen und zum nächsten gehen. Falls später noch Zeit bleibt, das zu verfeinern - gut.
- Die Prio beim Soundcheck sollte immer bei den Punkten liegen, die Kommunikation mit der Band erfordern. Es sollte ein grober Frontmix bestehen, damit man nicht beim ersten Lied noch die letzten Kanäle hochfahren muss... aber wie gesagt, für den Sound auf der Front bleibt während der VA noch genug Zeit.
Was, wenn die Band einfach nicht diszipliniert arbeitet?
Nun, dann geht in der Regel einfach viel mehr Zeit drauf als nötig. Was uns zum Punkt direkt hier drüber bringt. Und in der Regel damit endet, dass der Sound nicht so gut ist, wie er hätte sein können.
Wird man vom Veranstalter oder sonst jemand hierfür zur Verantwortung gezogen, darf man den Punkt auch ruhig anklingen lassen. Aber vorsichtig bei der Wortwahl: Techniker, die alle Schuld von sich auf andere schieben und nur über andere lästern oder klagen können sind genauso unbeliebt wie schlechte Techniker Also lieber etwas Diplomatie an den Tag legen. Erwähnte ich schon, dass ein bisschen Menschenkenntnis nicht schlecht ist? Ja? Dann tue ich es hier grade noch mal.
So - das ist, was ich aus eigener Erfahrung weitergeben kann. Was mich interessiert: Wie ist euer Arbeitsumfeld und eure Routine beim Soundcheck? Welche Punkte sind beim arbeiten mit fortgeschrittenen / professionelleren Bands anders, fallen weg, kommen hinzu?
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