Grüss dich Peter!
Ich war jahrelang selber in einer Guggenmusik. Ziegelhöttler hat sie geheissen. Eine Guggenmusik in der Ostschweiz, gleichzeitig die älteste der ganzen Schweiz.
Gründungsjahr war 1919 in der alten Ziegelhötte in Herisau (heute alter Zoll). Einer der Gründungsväter war mein Urgrossvater. Die Ziegelhöttler wurden zumindest in unserer Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Seit ich ordentlich Laufen kann (mit 4 Jahren etwa), war ich mit einer kleinen Plastiktrommel bewaffnet Bestandteil der Fasnachtsumzüge.
Ursprünglich waren die Ziegelhöttler eine Gruppe spassorientierter Pläuschler. Erst mit der Zeit hat sich ein System entwickelt. Ein Kostüm, was jeweils einem Motto folgt, wird 2 Jahre angezogen. Danach wird es weggeworfen. Die Kleider nähen meist die Freundinnen und Frauen der Mannschaft. Die Kopfbedeckungen sind aber Sache der Männer
Da übertrumpfen sie sich auch schon mal gegenseitig.
Von Rauchmaschinen, Plexiglasspiegelungen, elektrischer Beleuchtung und lebendigen Tieren in Käfigen ist da alles auf dem Kopf zu tragen, was nicht irgendwann zu schwer wird
Dabei gibt es Unterschiede zwischen Guggen die allesamt das gleiche Gewand einem Motto nachempfunden tragen, oder solchen, die ein Motto vorgeben, danach aber selber gestalten dürfen. Beides hat seine Vor- und Nachteile. 60 Gugger mit grauseligen, identischen Teufelsmasken, die nachts beleuchtet sind, gehen auch unter die Haut...
Früher war das anders. Es gibt uralte Fotografien, wo Freunde meines Vaters ihn als Kobold und Papagei verkleidet in einer Badewanne hinter sich herziehen. Zum musizieren war in diesem Zustand eh keiner mehr fähig
Wo wir auch gleich beim nächsten Thema wären... Alkohol.
Nicht zu unterschätzen!
Sämtliche Ferientage des Jahres gehen für die Guggenmusik drauf. Wöchentliche Proben und natürlich die Fasnacht selber. Durchzechte Nächte, nach denen man volltrunken bei der Arbeit erscheint. Schwielen an den Händen und Blasen im Mund. Ich erinnere mich an Bilder von Roger der ein Mundstück als Plexiglas hatte, was jeweils rot eingefäbrt war nach einer Tour. Und hin und wieder hat einer seine blutrote Suppe durch den Zapfhan aus seinem Blasinstrument geblasen.
Die Gugge ist eine Lebensphilosophie. Man lebt sie, und die Geschichten, die die Musik schreibt, füllen ganze Chroniken, die in Kellern aufbewahrt werden. Schnitzelbank, Insider, Erlebnisse, Pannen und Fotografien. DAS war ein richtiges, soziales Netzwerk. Nicht zu vergleichen mit dem, was man heute an vielen Orten hat. Vor allem die Erinnerungen an die Kindheit bleiben imposant vor dem geistigen Auge bestehen.
A propos imposant: Wenn 60 oder 70 Gugger, gestaffelt und in Formation loslegen, macht das schon enorm Eindruck. Vorzeigeobjekte sind dabei die Schlagzeuger (Küche, zu Schwiizerdütsch "Chuchi"), die Susaphone (sie tragen oft die Wappen und Embleme. Ein Wiedererkennungswert, der nicht wegzudenken wäre. Vor allem dann, wenn sie sich im Takt bewegen, schwenken und wippen) sowie mächtige Trompeten- und Zugposaunenensembles (oft je 10 Stück oder mehr). Dabei unterscheidet man (nicht bewusst) zwischen Profi- und Hobbyguggen. Bei Profiguggen wird sehr oft geprobt und oft spielen in ihr Musiklehrer und Berufsmusiker. Hobbyguggen klingen da meist etwas schräger, kommen oft aber auch nicht so gut an bei den Leuten.
Prinzipiell kommen Guggen nicht überall gut an. Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Was dazwischen gibt es glaube ich nicht. Entweder, man geht verkleidet zur Fasnacht, oder man flüchtet auf's Land oder in's Ausland.
Anbei ein, zwei Impressionen:
http://www.youtube.com/watch?v=X-MlC0sAwHY&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=QuioXaAkcFc
... ein völlig anderes Kapitel: Die Fasnacht in Basel und Luzern. In Basel gibt's vor allem Tambouren und Pfeiffer.
Beispiel:
http://www.youtube.com/watch?v=3CjzrYKDJA0&feature=related
Das ist hohe Kunst, was die da Spielen! (Bin selber Tambour seit ich 6 bin).
Basler haben sehr oft Masken an und tragen die traditionellen Zoggeli (Holzfinken). Zudem haben sie oft viele Glockenspiele dabei.
Ebenfalls markant: Laternen in Basel.
http://www.youtube.com/watch?v=Q1i8gkLNC6s&feature=related
Die Laternen (meist mehrere Meter hoch auf Traggestellen) thematisieren oft aktuelle politische Ereignisse. Zudem ist der Morgenstreich (der Auftakt zur Basler Fasnacht, an welchem die Laternen zu sehen sind) ein bekanntes Reiseziel für Inländer und auch Touristen. Ein Schauspiel, was man sich mal ansehen sollte!
... das mal so für's Erste
Ich hoffe, etwas Spannung und Interesse geweckt zu haben
Alles Liebe,
Limerick