Literaturempfehlung zu Sinustonkomposition/serielle Musik(Stockhausen)

luzil
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Ich bin über

http://de.wikipedia.org/wiki/Studio_f%C3%BCr_elektronische_Musik_(K%C3%B6ln)

gestolpert worin etwas die hist. Entwicklung der akad. Forschung betreffs elektr. Musik erläutert wird. V.a. diese Sinustonkompositionen find ich sehr interessant, welche Konzepte, Theorien da verfolgt und erfolgreich umgesetzt wurden und wo diese Prinzipien evtl. auch heute prakt. Anwendung finden in der Komposition. In der klass Harmonielehre spielt ja Instrumentenwahl kaum eine Rolle, mich würde Literatur interessiern, jetzt nicht speziell Stockhausen (der Mann schient ja nochmal ne eigene Fachbib für sich zu sein) die Klangfarbenkomosition aus praktischer Sicht und aktuellen Kenntnisstand theo. und techn. Möglichkeiten mal beleuchet, Deutsch oder English, darf ruhig technischnes Vokabluar sein, bin ich vorbelastet. Aber mich würde wirklich interessieren, nach welchen Konzepten damals Sinustöne zu best. Klangfarben addiert wurden und wie das in fortlaufenden Stück dann variiert wurde. Laut dem Wikiartikel war das wohl das sowohl komplexeste und techn. anspruchsvollste Problem der damaligen Zeit. Der techn. Aspekt dürfte ja mittlerweile gelöst sein, drum täte mich v.a. die Theorie hinter Klangfarbenwahl interessieren. In Büchern zu Komposition und Harmonielehre wird ja meist das alte klassische Wissen wiedergekäut.

Im Wikiartiel sind zwar Literaturquellen, aber wohl mehr auf Historisches bezogen, alles recht alte Jahrgänge. Für eine aktuelle Empfehlung auf heutigen techn. Kenntnisstand wär ich dankbar. Evtl. auch welche Kurse in einer musik. Fak sich am ehesten damit beschäftigen damit ich mal im Vorlesungsverzeichnis der örtlichen Uni stöbern kann.

@Mod: da hier immer sehr schnell verschoben wird, erhoffe mir hier mehr Feedback als in Rubriken elektr. Musik oder Musiktheorie, alos biddsche erstmal nicht verschieben, wenn nach Tagen noch kein Feedback kann ja immer noch verscoben werden, crosspost wie in Usenet ist wohl hier nicht möglich (?)

Danke
 
Eigenschaft
 
pow wow! zero feedback!

mal anders gefragt. Spielen die Forschungsaktivitäten in der seriellen Musik heute überhaupt eine Rolle in der akadem. Ausbildung? Hier sind doch viele studierte Musiker unterwegs. Keine Vorlesung in der man mit diesen Konzepten, Forschungsergebnissen in Berührung kommt? Oder ist serielle Musik so tot wie kalte Fusion in der Physik und ein sehr spezielles theo. Thema zu dem ausser in wiss. Journalen kaum Literatur gibt und im prakt. Musizieren 0 Anwendung findet?
 
Das einzige was ich bis jetzt in die Richtung gemacht hab, war eine Analyse von Nonos Canto sospeso und von Stockhausens Gruppen.

Du könntest die "Musikkonzepte" Reihe (http://www.boorberg.de/sixcms/detail.php?id=3825&template=neu_reihe_default_musik) nach Informationen durchsuchen.
Es gibt von Stockhausen selbst eine reihe Aufsätze und Texte, ich weiß allerdings nicht wo sie versammelt sind. Google könnte da helfen.

Vielleicht hilft auch das Archiv für Musikwissenschaft (http://www.fachzeitungen.de/seite/p/titel/titelid/1011702372).
Dort finden sich auch einige Analysen und Texte zu jüngerer Musik.

Zur Relevanz: Von den ganzen Komponisten, die ich persönlich kenne, arbeitet eigentlich keiner mehr mit seriellen Techniken. Unterrichtet wird es auf jeden Fall in den Hochschulen, es ist ja schließlich ein wichtiger Entwicklungsschritt in der zeitgenößischen Klassik, aber irgendwie scheint es bei jungen Komponisten nicht mehr so einen wichtigen Stellenwert einzunehmen, ist zumindest mein Eindruck.
Ich kann damit zum Beispiel sehr wenig anfangen, da mir halt nur sehr wenige Werke aus der seriellen Musik gefallen und ich bin auch nicht der einzige, der glaubt, dass das Konzept jedes Parameter genau durchzuorganisieren irgendwie nicht aufgeht.
 
Danke erstmal für die Mühe. Sind schonmal gute Anhaltspunkte. In Deutschland scheint das ja alles nicht mehr so aktuell zu sein bzw. die Forschung in Sackgassen gemündet oder zu abstrakt geblieben und besagtes Studio eingemottet.

http://en.wikipedia.org/wiki/IRCAM

Hier wird schienbar immer noch stark über Sound Design und elektr. Musk siniert. Werd hier auch nochmal etwas stöbern.

Ein spezielles musikalisches Fachjournal das sich speziell mit exp./serieller Musik oder Sounddesign beschäftigt kennt ihr nicht/gibt es nicht?

 
Aber mich würde wirklich interessieren, nach welchen Konzepten damals Sinustöne zu best. Klangfarben addiert wurden und wie das in fortlaufenden Stück dann variiert wurde.

In den frühen 50er Jahren wähnte man sich so weit, auch die Klangfarbe in den kompositorischen Prozeß einbeziehen zu können - durch die neuen elektroakustischen Möglichkeiten:

Generatoren für Sinus- und andere Schwingungen, Rauschgeneratoren
Filter, Verhallung
Einsatz des Tonbandes: Schleifen, Veränderung der Abspielgeschwindigkeit, Schnitt und Montage

Was die Sinusschwingungen angeht, so bezog man sich auf Fourier, Helmholtz (Lehre von den Tonempfindungen) und Stumpf (Tonpsychologie), welche wichtige theoretisch-mathematische und akustische Grundlagen gelegt hatten.

Man versuchte Klänge aus Sinustönen zu synthetisieren, stellte aber fest, daß sie die addierten harmonischen Sinustöne sich mit den damaligen Mitteln nicht nicht genügend zu einem Klang verschmolzen. Zu sehr hörte man statt einem Klang zunächst einfach einen Akkord. Später wandten sich Stockhausen und andere von harmonischen Frequenzverhältnissen ab und man kombinierte Sinustöne im irrationalen Verhältnis "25te Wurzel aus 5" (Studie II). Durch eine Verhallung wurde die mangelnde Verschmelzung der Sinustöne verwischt und es entstand ein homogen erscheinender Klang. Pousseur kombinierte Frequenzverhältnisse von 7:13:19 und erreichte einen "dissonanz-geschärften" Klang. Eimert (Glockenspiel 1953)erzeugt 60 Glockenklänge durch Kombination von acht Teiltönen, deren Verhältnis er aus einer Glockentabelle eines Glockenakkustikers entnahm.

Stockhausen: Studie I Studie II

Die Vorstellung, Klänge durch Klangmontage fließend zu verändern, ließ sich damals nicht realisieren. Die Veränderung von Parametern funktionierte seierzeit durch Teamarbeit mit Stoppuhr: Nach vorher festgelegten Verlaufsformen bediente jemand z.B. einen Impulsgenerator, ein anderer ein Rückkopplungsfilter und ein dritter einen Lautstärkeregler. Es wurde solange probiert, bis die Vorgaben gut genug erfüllt waren. Eine Spannungs- und zeitgesteuerte Parameterveränderung (VCO u.ä.) existierte noch nicht.

In Deutschland scheint das ja alles nicht mehr so aktuell zu sein bzw. die Forschung in Sackgassen gemündet oder zu abstrakt geblieben und besagtes Studio eingemottet.

Der frühere Stolz auf die damals neuen technischen Errungenschaften kommt gut in diesem Video aus dem Mailänder Studio (1955) zum Ausdruck. Das Kölner Studio veraltete Ende der 60er Jahre und hat heute musealen Chararakter (mit Bilder aus der Pionierzeit an der Wand) wie diese Videos zeigen:

http://www.youtube.com/watch?v=hAtW6mNNmuA
http://www.youtube.com/watch?v=TM4f_GdsaF0

Ein spezielles musikalisches Fachjournal das sich speziell mit exp./serieller Musik oder Sounddesign beschäftigt kennt ihr nicht/gibt es nicht?

So sehr die technische Zugänglichkeit der Klangveränderung Komponisten zunächst begeisterte, so blieben die Ergebnisse doch weit hinter den Erwartungen zurück. Deshalb ist das Thema wohl heute in Fachzeitschriften kaum vertreten.

Ich muß dem Komponisten und Musikprofessor Reinhard Karger in seinen Ausführungen zustimmen, wenn er schreibt:

Auch in der Welt der Musik gab es dieses Pathos des Aufbruchs in eine "schöne neue Welt" der unbegrenzten Möglichkeiten - am besten lässt sich das anhand der kurzen Geschichte der elektronischen Musik veranschaulichen: Nach dem zweiten Weltkrieg herrschte in den neu entstehenden elektronischen Studios in Köln, Stockholm, Utrecht und Paris eine euphorische Aufbruchsstimmung: man machte sich auf ins exotische Neuland der elektronisch erzeugten Klänge, im Prinzip schien es nun möglich, jeden beliebigen Klang künstlich zu erzeugen, es sollte eine neue moderne Musik entstehen, die nicht mehr von den traditionellen Klangerzeugern abhängig war und die ihre ganz eigenen Kompositionsmethoden und ihre eigene Ästhetik entwickeln sollte. Heute ist diese elektronische Musik - bis auf wenige Ausnahmen - vollständig aus den Konzertsälen verschwunden, sie hat sich nicht durchgesetzt und ist nur noch von historischem Interesse. Ich habe mir die Frage, woran das wohl liegen mag, selbst oft gestellt, denn ich wurde als junger Student in den 70er-Jahren genauso von dieser Forscher-Euphorie erfasst und beschäftige mich heute, wo die technische Entwicklung der Geräte die Erfüllung fast aller Träume von damals möglich macht, kaum mehr mit diesem Gebiet.
http://www.reinhard-karger.de/texte_4.htm
Man kann den Eindruck haben, daß Komponisten heute noch kaum in der Lage sind, die jetzigen unendlichen Möglichkeiten adäquat zu beherrschen.
Oder gibt es andere Gründe für die mangelnde Durchsetzungskraft elektronischer Musik?
Es ist zu bedenken, daß wir im Laufe unseres Lebens die akustische Realität unserer Umgebung erlernen. Mit dieser verbinden wir dann das, was aus Lautsprechern ertönt und messen ihm Realität bei. Hören wir künstlich erzeugte Klänge und können diese kaum mit dem gelernten in Verbindung bringen, kann Hilflosigkeit die Folge sein: "Was soll das? Was soll ich mir dabei vorstellen?"
Die Klänge wirken dann vieldeutig und unverbindlich. Jeder kann etwas anderes assoziieren. Sie haben dann keine Mitteilungscharakter vom Komponisten zum Zuhörer mehr und dienen nur noch als Projektionsfläche individueller Emfindungen, vergleichbar der Sterndeutung oder dem Interpretieren von Wolken- oder Klecksbildern.
Am erfolgsversprechendsten ist vielleicht ein Weg der zwar über die erlernte Realität hinausausgeht und so neue Erfahrungen begünstigt, aber den Bezug zu ihr nicht verliert. So eine Art musikalischer Science Fiction Roman.

Viele Grüße

Klaus
 
Man kann den Eindruck haben, daß Komponisten heute noch kaum in der Lage sind, die jetzigen unendlichen Möglichkeiten adäquat zu beherrschen.
Oder gibt es andere Gründe für die mangelnde Durchsetzungskraft elektronischer Musik?

Naja, es gibt einige Komponisten, die sehr fit mit Computermusik sind (einen kenn ich, der hat auch ein abgeschlossenes Informatikstudium).
Ich erkenne aber eher die Tendenz, dass elektronische und natürliche Klänge, bzw. Elektronik und die instrumentalen Klänge vermischt werden.
Ein Dozent meinte mal: Am besten ist es, wenn man gar nicht merkt, dass Elektronik dabei ist.

Für sowas kann ich mich auch eher begeistern, also die Mischung von Elektronik und natürlichen Klängen (wie beispielsweise bei Ensemble oder Soloinstrument mit Live-Elektronik). Der rein elektronische Klang hingegen zehrt schon sehr an meiner Aufmerksamkeit und Konzentration, da gibt es nur ganz wenig, dass mir gefällt.
 
Ich halte die frühe elektronische Musik für eine ziemliche Sackgasse da man einfach die technischen Mittel nicht hatte.

Additive Synthese mit ein paar Sinusgeneratoren hört sich nun mal im besten Fall nach einer verstimmten Heimorgel an, um es mal gehässig auszudrücken. Nichtsdestotrotz haben die eigentlichen Pioniere der elektronischen Musik zum Teil darauf gebaut.




Wenn man wissen will was der Stand der Technik ist und welche Möglichkeiten sich bieten sollte man sich einfach mal Pure Data (oder MAX/MSP oder cSound oder chuck oder einer der vielen anderen Audio-Programmiersprachen) runterladen und sich mal anschauen was damit geht. Allerdings kommt man da um ein Grundverständnis der Programmierung nicht ganz herum.
 
@klaus

Vielen Dank für dein Post. Die Studien I II Links ist die Art von Info die gesucht habe

Man kann den Eindruck haben, daß Komponisten heute noch kaum in der Lage sind, die jetzigen unendlichen Möglichkeiten adäquat zu beherrschen.
Oder gibt es andere Gründe für die mangelnde Durchsetzungskraft elektronischer Musik?
Es ist zu bedenken, daß wir im Laufe unseres Lebens die akustische Realität unserer Umgebung erlernen. Mit dieser verbinden wir dann das, was aus Lautsprechern ertönt und messen ihm Realität bei. Hören wir künstlich erzeugte Klänge und können diese kaum mit dem gelernten in Verbindung bringen, kann Hilflosigkeit die Folge sein: "Was soll das? Was soll ich mir dabei vorstellen?"
Die Klänge wirken dann vieldeutig und unverbindlich. Jeder kann etwas anderes assoziieren. Sie haben dann keine Mitteilungscharakter vom Komponisten zum Zuhörer mehr und dienen nur noch als Projektionsfläche individueller Emfindungen, vergleichbar der Sterndeutung oder dem Interpretieren von Wolken- oder Klecksbildern.
Am erfolgsversprechendsten ist vielleicht ein Weg der zwar über die erlernte Realität hinausausgeht und so neue Erfahrungen begünstigt, aber den Bezug zu ihr nicht verliert. So eine Art musikalischer Science Fiction Roman.

Wahrscheinlich ist die Erforschung des Klangs auch vielen Akademikern einfach zu aufwendig, wenig erfolgversprechend und zu technisch in der Arbeit, als das Thema mal wirklich zu durchdringen, gibt eben auch Forschungsgebiete die per se nicht sonderlich sexy sind und bei denen ein Wissenvorsprung keinen Paradigmenwechsel in kreativen prakt. Musizieren verspricht. Das was Stockhausen da vor Jahrzehnten mit Riesenaufwand fabriziert hat, lässt sich heute mit nen paar Plugins und paar Mausklicks in Kürze zusammenbauen. Drum wundert mich es eben etwas, dass dieses Gebiet scheinbar aufgegeben wurde. Das wir auf Klänge sozialisiert werden glaube ich nicht, Klangfarbe ist wohl ein viel subjektiver/auswechselbarer und weniger funktionaler Parameter der Musik im Gegensatz zu Harmonik, Rhythmus. Aber nichtsdestotroz ein sehr spannender m.M.

Für mich persönlich als Vielhörer fällt und steigt die Hörbarkeit best. Musik und ihrer Tempi mit verw. Klangfarben wenn ich in best. Stimmung bin. Von oft gehörten akust. Instrumten bin ich einfach nicht mehr sonderlich emot. berührt. Musiker wie Aphex twin sind aber leider in der elektr. Musik eher die Ausnahme als die Regel. So etwas wie orchestraler Ambient, elektr. Jazz ist etwas wovon ich als Hörer träume, dann geh ich vielleicht auch mal wieder in die Philharmonie...

@lord

teilweise scheint es mir auch fast schon eine Aversion gegen alles "elektronische" zu sein, die Leute gehen wohl mehr wegen dem Ambiente in eine Philharmonie, als wirklich um der Musik willen. Warum hört man nicht mal etwas wie orchestrale elektronische Musik, warum diese künstl. Kategorisierung in elektr. und akust. Instrumente. Mittlerweile kann jeder Klang wie oben erwähnt additiv künstlich erzeugt werden, warum akust. Instrumentalklänge eine andere Wirkung haben sollten ist ergo unschlüssig. Ich denke auch nicht das man damit sozialisiert wird, wir sind von soviel künstl. Geräuschen umgeben das die paar Instrumente keine besondere Priorität in der Perzeption aufweisen m.M. Ich hab jahrelang in meiner Kindheit in Orchester gespielt, heute produzier ich elektr. Musik hptsl. wg. den Soundmöglchkeiten. Momentan hab ich den Eindruck, wenn man Musik mit elektr. erzeugten Klängen machen will, ist der Weg an die Uni ein Umweg bzw. Sackgasse. Scheinbar wird hier unter elektr. Musik nur primitive Tanzmusik verstanden.

@matthias

der Stand der Technik und diese Tools sind mir schon klar, MAX benutz ich selber, mir gehts eher darum welche musikalischen Konzepte und Parameter Stockhausen & Co damals in der Komposition v.a. in Bezug auf die Klangfarbe ausprobiert haben. Aber Klangfarbe ist wohl auch der subjektivste Parameter in der Musik.

Ich beschäftige mich viel mit spez. Sounds und deren Erzeugung, ich will mich jetzt nicht en detail in die musik. Fachforschung vertiefen aus Spass an der Freud, aber wie arrangiert man best. Klänge, gibt es Leitprinzipien bei der Synthese (zeitliche, spektrale Eigenschaften die ein Klang haben sollte, damit er eine instrumentale Funktion übernehmen kann, nicht nur Unterschied Rauschen - Geräusch - gleichbleibende Tonhöhe) ich denke das hierzu evtl. geforscht wurde. Aus der Hörphysiologie und Fourier-Theorie kann man ja z.B. auch schon Erkenntnisse ziehen, was das menschliche Ohr überhaupt klanglich unterscheiden kann und wie man einen Klang überhaupt rein von den Parametern analytisch beschreibt. Die Stellparameter von spez. Synths eignen sich dazu ja sicherlich nicht.

Im Gegenstz zur Malerei die jede mischbare Farbe verwendet finde ich es höchst suspekt das in der musikalishcen Kunst v.a. von "erfolgreichen wichtigen" Komponisten, universitär ausgebildet, die Klangfarbe so wenig variiert wird und immer die gleichen Instrumente in klass. Musik benutzt werden. Warum keine orchestrale elektr. Musik, wie es Stockhausen & Co wohl vor Augen hatten. Das waren ja nicht fanatische Musiktheoretiker sondern sie hatten wohl auch ein grösseres Ziel im Hintersinn
 
Ich beschäftige mich viel mit spez. Sounds und deren Erzeugung, ich will mich jetzt nicht en detail in die musik. Fachforschung vertiefen aus Spass an der Freud, aber wie arrangiert man best. Klänge, gibt es Leitprinzipien bei der Synthese (zeitliche, spektrale Eigenschaften die ein Klang haben sollte, damit er eine instrumentale Funktion übernehmen kann
Das würde mich in der Tat auch interessieren, viel was besseres als Versuch und Irrtum hab ich auch noch hin raus bekommen.

Das Problem ist ja irgendwie dass das was man sich in vollständiger Freiheit zusammen stöpseln kann sich selten gut anhört. Und wirklichen Gefallen finde ich auch an dem was in akademischen Kreisen an Elektronika gemacht wird auch nicht. Eine gewisse Beliebigkeit schleicht sich bei all den Möglichkeiten schnell ein. Deswegen bin ich mir auch nicht sicher dass deren Ansätze unbedingt die richtigen sind und ob es nicht doch einen Grund gab warum sie nicht fortgeführt wurden.


Meine persönliche Theorie ist dass es nicht unbedingt an der Klangerzeugung selber sondern am Zugang dazu, am Interface hapert. Man bräuchte ein Instrument mit dem die Klangformung intuitiv macht.
 
@klaus

Vielen Dank für dein Post. Die Studien I II Links ist die Art von Info die gesucht habe

Gern geschehen, das von Dir angeschnittene Thema interessiert mich ebenfalls seit langem.

Naja, es gibt einige Komponisten, die sehr fit mit Computermusik sind (einen kenn ich, der hat auch ein abgeschlossenes Informatikstudium).
Wahrscheinlich ist die Erforschung des Klangs auch vielen Akademikern einfach zu aufwendig, wenig erfolgversprechend und zu technisch in der Arbeit, als das Thema mal wirklich zu durchdringen.

Nein, den Komponisten der ersten elektronischen Musik aus dem Kölner Studio möchte ich nicht die erfolderlichen Fachkenntnisse absprechen, soweit sie damals überhaupt bekannt waren.

Was ich meinte mit "Man kann den Eindruck haben, daß Komponisten heute noch kaum in der Lage sind, die jetzigen unendlichen Möglichkeiten adäquat zu beherrschen." war nicht die technische oder theoretisch-akustische Beherrschung, sondern die musikalische im nachhaltigen Sinne.

Als ich die "elektronische Musik" vor langer Zeit zum ersten Mal hörte, war ich fasziniert von den neuen klanglichen Möglichkeiten. Es wurden da schon sehr beeindruckendes und prinzipiell neues geschaffen. Nur hatte ich immer das Gefühl, daß es sich um Studien handelt. Bedeutende Kompositionen im musikalisch-gestalterischen Sinne erwartete ich noch - leider vergebens. Die neuen Klänge wurden m.E. noch nicht zu überzeugenden Ganzheiten zusammengesetzt.

Es mag daran liegen, daß sich die Komponisten der ersten elektronischen Musik fast alle dem Konzept der seriellen Musik verschrieben hatten: Eimert, Stockhausen, Goeyvaerts, Boulez (mehr musique concrète), Koenig

Wenn ich mich recht erinnerne, beindruckten mich Stücke von Koenig und Ligeti besonders. Und es war Ligeti, der in radikaler Absetzung gegenüber der seriellen Musik in eine vielversprechendere Richtung wies:

Die "Klangflächenkomposition", ein Konzept, das auf den Einfluss der elektronischen Musik zurückgeht.

Ligeti verließ den Bereich der elekronischen Musik, wandte sich traditionell-natürlichen Klangerzeugern zu, schuf mit ihnen aber Klänge, die ganz und gar nicht traditionell waren.

Seine Abkehr vom seriellen Prinzip und von künstlichen Klängen: War beides symptomatisch? Jedenfalls schuf er Musik, die in Fachkreisen und auch außerhalb Bedeutung erlangte:

Atmosphères ist für großes Orchester geschrieben und wurde 1961 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt, wo es ein so großer Publikumserfolg war, dass es wiederholt werden musste.
http://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti
Stanley Kubrick benutzte seine Musik in mehreren Filmen.

Das wir auf Klänge sozialisiert werden glaube ich nicht...

Ich meine nicht die Sozialisation, sondern etwas Grundlegenderes: Die Tatsache, daß der Mensch schon ab seiner Existenz im Mutterleib die aufgenommenen Schalleindrücke verarbeitet und mit anderen Eindrücken vernetzt. Trotz zunehmender künstlich erzeugter Klänge sind es die natürlichen und die davon abgeleiteten, die uns vor allem prägen: Die menschliche Stimme und eine unübersehbare Zahl von Schalleindrücken aus der Umgebung (inklusive der Medien).

Sie prägen unser Gehör bzw. die verarbeitenden Nervenzellen dahinter mit all den emotionalen Assoziationen, die in unserem Gehirn möglich sind.
Trotz perfektionierter Technik können Menschen auch erstaunlich genau erkennen, ob ein Instrumentalklang synthetisiert wurde, ob es sich um ein gutes Sample handelt oder den direkten natürlichen Klang.
Und noch leichter läßt sich ein künstlicher Klang, der mit unnatürlichen Obertönen synthetisiert wurde von einem mit natürlichen Obertönen unterscheiden.

Meine These wäre nun, daß wegen unserer Prägung, unnatürliche Klänge bezüglich der Bedeutung, die wir Ihnen zumessen erst einmal schlechtere Karten haben als natürliche.

Das mag vielleicht der tiefere Grund gewesen, warum sich Ligeti den natürlichen Klangerzeugern zuwandte, auch der o.g. Komponist Karger und das Konzertpublikum, welchem man heute offenbar kaum noch elektronische Musik vorsetzen kann.

Auch diese Aussagen gehen in die gleiche Richtung:

Ein Dozent meinte mal: Am besten ist es, wenn man gar nicht merkt, dass Elektronik dabei ist.

Für sowas kann ich mich auch eher begeistern, also die Mischung von Elektronik und natürlichen Klängen (wie beispielsweise bei Ensemble oder Soloinstrument mit Live-Elektronik). Der rein elektronische Klang hingegen zehrt schon sehr an meiner Aufmerksamkeit und Konzentration, da gibt es nur ganz wenig, dass mir gefällt.
________

...Klangfarbe ist wohl ein viel subjektiver/auswechselbarer und weniger funktionaler Parameter der Musik im Gegensatz zu Harmonik, Rhythmus. Aber nichtsdestotroz ein sehr spannender m.M.

In diesem Punkt wurde die endlich elektronisch zugängliche Komponente "Klang" von Stockhausen m.E. weit überschätzt.

(Wie er auch die Rolle der räumlichen Klangbewegung überschätzt hat. In der Expo 70 in Osaka wurde unter wesentlicher Mitwirkung von Stockhausen im deutschen Pavillon ein Kugelauditorium errichtet, das dem Hörer Klänge aus allen Richtungen des Raumes präsentieren konnte. Allerdings blieb dieser Konzertsaal nicht über die Weltausstellung hinaus erhalten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Karlheinz_Stockhausen)


Tonhöhe, Rhythmus und Harmonie bleiben am wichtigsten.

Stockhausen zur Klangfarbe 1972:
Schönbergs Konzeption, daß man mit Klangfarben genauso Musik machen könnte wie vorher mit Veränderungen der Tonhöhen, ist ja bis heute noch nicht ins Bewußtsein der meisten Musiker gedrungen; daß man zum Beispiel ein Stück machen könnte, in dem die Tonhöhe völlig konstant ist, für eine halbe Stunde, und dieselbe Information musikalisch komponiert und wahrgenommen sein könnte - nur durch Veränderungen der Klangfarben -, wie früher in einer melodischen Komposition.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
Vielleicht läßt sich eines Tages ein bedeutendes Werk auf diese Weise komponieren. Doch kann die Klangfarbe generell in der Musik eine derart wichtige Rolle spielen? Viele wichtige Musikstücke haben hingegen gezeigt, daß sie unabhängig von der Klangfarbe bedeutend sind. Man kann sie
vom Chor singen lassen, mit Streichinstrumenten spielen, Orgel oder sonst etwas.

Klangfarbe ist in der Tat ein viel auswechselbarer und weniger funktionaler Parameter der Musik, aber dennoch ein sehr spannender.

...und wie man einen Klang überhaupt rein von den Parametern analytisch beschreibt. Die Stellparameter von spez. Synths eignen sich dazu ja sicherlich nicht...

Stockhausen selbst kümmerte sich um eine Systematisierung von Klängen wohl nicht und wollte die Erstellung einer Klangfarben-Skala den Musikwissenschaftlern überlassen:

Schon in den zwanziger Jahren hat es in der Farbentheorie zum Beispiel einen Katalog gegeben, den >Ostwaldschen Farbtonkreis<, in dem über 200 deutlich unterscheidbare Farben differenziert wurden (wie in einer Tonhöhen-Skala eines Klaviers).
Solch eine Skala für die Klangfarben aufzustellen wäre zum Beispiel eine zukunftweisende Aufgabe für Musikwissenschaftler, statt sich ewig mit Partituren aufzuhalten, die im 15. Jahrhundert geschrieben worden sind.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
M.E. ist die Situation bei den Klang"farben" viel komplizierter als bei den Farben. Letztere können durch Kombination aus lediglich drei Farben zusammengesetzt werden, weil es eben nur drei verschiedene Arten von Zapfen (Farbrezeptoren) beim Menschen gibt.

Ein Klang wird hingegen durch viel mehr Paramenter definiert. Hier besteht ja die Fähigkeitkeit komplexe Klangstrukturen wahrzunehmen, ähnlich einem Bild, das man sich aus einer Vielzahl von Farbpunkten zusammengesetzt vorstellen kann, wobei eben auch die Strukturen erkannt werden, nach denen die Farbpunkte aufgebaut sind.

Passender als "Klangfarben" wäre daher vielleicht "Klangbilder", was andererseits wieder etwas übertrieben klingt.
Dennoch wird bei dem Vergleich deutlich, daß es nur schwer möglich ist, die vielen exisitierenden und möglichen Bilder nach relvanten Kriterien zu katalogisieren. Man könnte Klänge und Bilder z.B. nach dem Helligkeitsgrad ordnen, doch das würde nur wenig helfen.
Es gab eine Reihe von Musikern, die elektronische Klänge katalogisierten. Doch die Verschiedenheit der Versuche zeigte, daß es kein absolutes System geben kann.

Viel einfacher haben es da die akustischen Klangerzeuger. Da werden einfach die Instrumente bezeichnet: Blech, Holz, Streicher usw.


Ich halte die frühe elektronische Musik für eine ziemliche Sackgasse da man einfach die technischen Mittel nicht hatte.

Additive Synthese mit ein paar Sinusgeneratoren hört sich nun mal im besten Fall nach einer verstimmten Heimorgel an, um es mal gehässig auszudrücken. Nichtsdestotrotz haben die eigentlichen Pioniere der elektronischen Musik zum Teil darauf gebaut.

Wenn man wissen will was der Stand der Technik ist und welche Möglichkeiten sich bieten sollte man sich einfach mal Pure Data (oder MAX/MSP oder cSound oder chuck oder einer der vielen anderen Audio-Programmiersprachen) runterladen und sich mal anschauen was damit geht. Allerdings kommt man da um ein Grundverständnis der Programmierung nicht ganz herum.

Mit der Sackgasse würde ich dir ja recht geben, aber aus ganz anderen Gründen (s.o.).
An eine verstimmte Heimorgel erinnerte die Musik aus dem Kölner Studio nicht im entferntesten.
Zu den "eigentlichen" Pionieren der elektronischen Musik:

Bis heute besteht eine Kontroverse in der Terminologie, da einerseits ein wissenschaftlicher Begriff der Akustik und andererseits eine Gattung der Neuen Musik, gleichzeitig aber auch ein Oberbegriff über neue Musikstile der Unterhaltungsmusik gemeint ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronische_Musik
Die "elektronische Musik" der Pioniere aus Köln und anderswo und deren Nachfolger wird heute, um Mißverständnisse zu vermeiden "elektroakustische Musik" genannt. Die Beatles erkannten übrigens die Pionierleistung von Stockhausen an, weswegen sein Porträt auch auf dem Plattencover von St. Pepper erschien.

Pure Data wurde übrigens am IRCAM entwickelt. Das IRCAM wurde maßgeblich von Pierre Boulez gegründet, seit den 50er Jahren neben Stockhausen und Nono der herausragende Vertreter der sog. musikalischen Avantgarde.

Der Einfluß der sog. E-Musik auf die sog. U-Musik wird auch hier deutlich, ohne jetzt sog. U-Musiker herabsetzen zu wollen, die ebenfalls bedeutendes geschaffen haben. (Die U/E-Kategorisierung ist grobschlächtig aber erfüllt manchen Zweck).

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Beatles erkannten übrigens die Pionierleistung von Stockhausen an, weswegen sein Porträt auch auf dem Plattencover von St. Pepper erschien.
Ich denke auch dass es ohne diese Leute Kraftwerk in der Form nie gegeben hätte, wahrscheinlich hätte sich auch Techno und alles was folgte komplett anders entwickelt.

Trotzdem geht es mir so wie du es geschrieben hattest. Es sind mehr Studien als wirklich großartige Musikstücke. Zumindest mein Geschmack ist es nicht, und dem Konzertpublikum ging es ja ähnlich.

Andererseits: Ist das denn so wichtig? Es ist ja nicht so dass keine elektronische Musik gehört wird. Da können sich selbst Musikstudenden von überzeugen wenn sie mal in den nächsten Club gehen und zu Dubstep und DnB abfeiern. ;)
Aber wahrscheinlich bin ich zu sehr von "Unterhaltungsmusik" versaut um die Sorge um die verschwundene elektronische Musik zu verstehen.... ;)


Nee, mal Spaß beiseite. Ich sehe es ähnlich wie du, eine einheitliche Klangfarbenlehre ist wohl nicht möglich und wurde auch bis jetzt von den abertausenden die sich jeden Tag damit beschäftigen nicht gefunden. Man kann sich also nur auf sein Gefühl und sein Gehör verlassen, und da halte ich es für am zielführensten Werkzeuge zu erfinden die das vereinfachen.
 
@matthias

Naja, es ist ja nicht so, dass die Klangfarbe ein völlig undurchsichtiges Phänomen ist und sich überhaupt keine Schlüsse auf eine gezielte systematische Einsetzung/Variation möglich sind. Aber momentan scheinen es eher nur Erfahrungswerte, Studien, Daumenregeln zu sein im Vergleich zu einer Harmonie oder Rhytmuslehre die diesen Namen verdienen. Wir wissen ja mittlerweile dass sich best. akust. Instrumente, Synthklänge zusammen gut anhören, Orchester, Rockband, etc..., andere beissen sich klanglich und sollten eher vermieden werden
Aber warum passen best. Klangfarben besonders zueinander, wie ändert man die Klangfarbe z.B. gezielt einer Klangflächenkomposition sequentiell, dass sind die Fragen die mich umtreiben.

Es gibt durchaus nützliches Wissen aus psychoakust. Forschung, dass die Arbeit mit Synths und zielgenaue Programmierung stark vereinfacht. Da hat sich meine Recherche bis jetzt ausgeszahlt. Während ich anfangs eben wie meisten Klänge hptsl. in meiner Erfahurng nach Wellenform, verw. Filter usw. kategorisiert und programmiert habe, tune ich meine Sounds momentan gezielter auf der darunter liegenden Ebene. Was unterschiedet Sounds, nicht die Stellparameter eines Synths oder die Holzart aus dem die Gitarre gebaut ist, sondern die temporal-spektralen Eigenschaften eines Klangs die wir aufgrund der hörphysiologischnen Leistungsmerkmalen unseres Ohrs überhaupt wahrnehmen und unterscheiden können graduell, z.B.

Rauschanteil in einem Klang
Amplitudenverlauf
Anzahl von geraden/ungeraden Obertönen
spektraler Schwerpunkt (Bass, Leadinstrument)
versch. Klangfarbe während Attack und Decay Sustain Rel. phase (das Ohr wird im Attack in Schwingung versetzt und nimmt deswegen getriggert durch Art des Attack Klangs den gleichen DSR Klang anders war)
Sychronizität von Partialwellen
Tremolo Vibrato
etc.

Ich denke also eher wie ändere ich diese Parameter mithilfe irgendeiner Synthmethode speziell, als das ich mich von den Reglern des Synths leiten lasse. Man merkt ja selber, wenn man mal komplexe Synth Preset Sounds tuned, dass sich der Klang oft erstmal garnicht ändert, weil viele der Einstellungsmöglichkeiten an heutigen Synths perzeptiv von unserem Gehör garnicht mehr aufgelöst werden können. Um Zeit zu sparen ist also ein genaues physiologisches und phys. Verständnise des Klanges und seiner Wahrnehmung Vorraussetzung um nicht in blosses Trial und Error zu verfallen. Besonders bei komplizierten Verfahren wie additiv oder FM Synthese.

Ich hatte eben erwartet, dass Stockhausen & Co hier schon Literatur geschrieben haben die ihre vorläufigen Theorien darüber zusammenfassen. z.B. gibt man eine synth. Klangfarbe für ein vierstimmigen Satz vor, lassen sich best. Klangfarben für die anderen Stimmen dann ableiten, die diesen ästhetisch und physiologisch bestmöglich ergänzen, auch wenn Ästhetik sehr subjektiv ist.

@klaus

wir hatten an anderer Stelle hier mal die Diskussion inwieweit Klangfarbe/Instrumten best. Tonartensysteme favorisieren, von daher denke ich nicht dass man Klangfarbe unterschätzen sollte und deswegen Stockhausen auch seine Studien verfolgte. Aber hat man sich erstmal auf ein gängiges Instrumentarium festgelegt wie in der heutigen Klassik, Rock, spielt Klangfarbe natürlich nicht mehr die grosse Rolle im Gegensatz zu elektr. Musik und man entfaltet sich eher in Harmonik/Rhythmus unabh. davon.
Teilweise scheint Stockhausen auch etwas theatralisch und darstellerisch gewesen zu sein, seinem Helikopter Quartett kann ich jedenfalls aus musikalischer wie wiss. Perspektive nicht einen richtigen Sinn abgewinnen. Es fällt mir schwer eine Systematik und die Art der Experimente zu erkennen.

Ich stimme dir zu, das Klangfarbe nicht wesentlich für die kompositorische Reinheit sind gegenüber Harmonik/Rhytmik, dennoch hängt sie m.M. inhärent mit diesen Parametern zusammen (s.o. Tonarten z.B.) Auch bleibt uns von unseren Lieblingsliedern doch oft ein ganz char. Klanglinie im Kopf hängen, die Hook Line, wenn man mal Midi Files populärer Songs mit nem General Midi Synth abspielt klingen sie eben auf einmal doch oft sehr dünn bzw. scharz/weiss um das Bild mal zu benutzen. Schön, aber nicht perfekt. Seit ich produziere träume ich auch vermehrt von Musik und Klängen die ich bewusst noch nie gehört habe oder mich daran erinnern kann. Stark beliebig auswechselbar ist der Klang für mich nicht.

Interessant in diesem Hinblick ist auch das Phänomen der Synästhesie. Das Analogon mit der Farblehre ist natürlich gewagt aber es gibt irgendwie auch kein besseres :) Während der Inhalt eines Bildes allein durch hell/dunkel Kontrast klargemacht werden kann, spielen die Farben und insbesondere ihre emergente Wirkung und nicht die spez. Art der einzeln verwendeten eine bestimmte Rolle ber der Perzeption. Ähnlich verhält es sich mit den Klangfarben. Solche emergenten Phänomene sind aber per se immer sehr schwer zu erforschen in allen Bereichen der Wissenschaft, da Mess-/Beaobachtungs- und Ursachenebene nur indirekt/teilweise miteinander verwoben sind. Akkorden misst man an sich ja auch keine absolute Bedeutungs bei, sondern die unterschiedliche Wirkung eines Akkords ergibt scih grösstenteils in Verwendung mit anderen Akkorden in Progressionen und ihrer wechselseitigen Dissonanz/Konsonanz.

Danke nochmal für die vielen Links und Denkanstösse, mal sehen ob ich zu diesen Klangflächenkompositionen noch etwas Literatur finde, hatte ich schonmal gesucht, aber jetzt habe ich bessere Anhaltspunkte
 
Ich denke auch dass es ohne diese Leute Kraftwerk in der Form nie gegeben hätte, wahrscheinlich hätte sich auch Techno und alles was folgte komplett anders entwickelt.

Das würde ich nicht so ausdrücken. Den Einfluss der Pioniere der elektronischen Musik der 50er Jahre auf die sehr viel spätere populäre elektronische Musik würde ich als minimal bezeichnen. Die Beatles waren zur Zeit von Sgt. Pepper sehr an Innovationen interessiert und nahmen allerlei Eindrücke aus allen möglichen Richtungen auf.

Paul McCartney interessierte sich offenbar nur für den "Gesang der Jünglinge" und fand die meisten anderen Stücke zu verrückt:

There was only one Stockhausen song I liked actually! We used to get it in all interviews "Love Stockhausen!" There was only one, Gesang der Jünglinge - 'The Song of the Young' - that was the only one I ever liked! I thought most of his other stuff was too fruity.
http://www.markusheuger.de/theory/stocktown.html
Die damalige elektronische Musik aus dem Kölner Studio verfolgte auch ein völlig anderes Konzept als die heutige populäre elektronische Musik.

Man wollte 1953 mit der elektronischen Musik nicht die bisherige Tonwelt imitieren, sondern eine "paramusikalische Klangwelt" schaffen, deren unglaubliche Dimensionen erst überhaupt grundlegend zu erforschen wären.
(Herbert Eimert, S.90)

Ganz im Gegensatz dazu geht man in der populären elektronischen Musik von bekannten rhythmischen, melodischen und harmonischen Strukturen aus. Auch bei den elektronischen Klängen orientiert man sich eher an den natürlichen Vorbildern. Sie sind i.d.R. von natürlichen Klängen abgeleitet, werden oft resynthetisiert und/oder mit elektronischen Mitteln verfremdet.

Ich denke, das ist ein Faktor, der dazu beiträgt, daß letztere Musik populär ist und die elektronische "E-Musik", die man in Abgrenzung heute "elektroakustische Musik" nennt, unpopulär.

Trotzdem geht es mir so wie du es geschrieben hattest. Es sind mehr Studien als wirklich großartige Musikstücke.

Stockhausen schrieb während des Entstehungsprozesses seiner Studie I, 1953:

Selbstverständlich sind die Klänge, die ich mache, die Musik des Stückes selber, an dem ich arbeite:
Intervalle zwischen den Sinustönen, Anzahl der Sinustöne, Lautstärke jedes Sinustons und Zeitdauer jedes Sinustones sind durch die Struktur bestimmt. Wie kann man einen Klang überhaupt komponieren, wenn nicht aus den Wirkungen der gesamten Struktur in vertikaler Richtung!
...
Diese Musik klingt unsagbar schön und rein!!!

(Brief an Goeyvaerts, nach Hermann Sabbe (Hrg.), in: Karlheinz Stockhausen, ...wie die Zeit verging..., Musik-Konzepte 19, München: edition text+kritik, 1981, S. 44-45)
Stockhausen 1972:
Musik, in der sich die Dimensionen erweitern und die auf neue Weise tönt, kann dazu dienen, wie ich oft sage, ein schnelles Flugschiff zum Göttlichen zu sein.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
Hat Stockhausen sein Ziel erreicht? Als seine Heimat betrachtete er jedenfalls den Sirius und fühlte sich auf dieser Erde wohl fremd:

"Ich wurde auf Sirius ausgebildet, und dort will ich auch wieder hin, obwohl ich noch in Kürten bei Köln wohne"
http://de.wikipedia.org/wiki/Karlheinz_Stockhausen#Stockhausens_Weltsicht

Möchte man in Neuland vordringen, verläßt man i.d.R. das Populäre, geht in das Fremde und macht neue Erfahrungen. Der Kölner Avantgarde folgt heute kaum jemand. Es ist aber nicht auszuschließen, daß einer anderen Avantgarde mit anderer elektronischer Musik gefolgt werden wird.

@luzil: Antwort kommt später

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Das würde ich nicht so ausdrücken. Den Einfluss der Pioniere der elektronischen Musik der 50er Jahre auf die sehr viel spätere populäre elektronische Musik würde ich als minimal bezeichnen. Die Beatles waren zur Zeit von Sgt. Pepper sehr an Innovationen interessiert und nahmen allerlei Eindrücke aus allen möglichen Richtungen auf.
Ich würde den Einfluss gar nicht mal so weit unterschätzen.

Bei den Beatles war das ja eher ein Gimmick und hat sie ja weiter nicht so extrem beeinflusst, aber die früheren elektronischen Musiker waren an der elektroakustischen Musik schon interessiert, und noch viel wichtiger, die Leute die Synthesizer gebaut hatten waren es. Ich behaupte ja nicht dass die Leute die angefangen hatten Drum n Base zu machen groß an Stockhausen interessiert waren, aber die frühren Synthesizer die ja bis heute eine gewisse Klangästhetik geprägt haben hätte es ohne die Vorarbeit so nicht gegeben oder anders ausgesehen.

Aber das ist auch müßig Einflüsse und Entwicklungslinien aufzuschlüsseln. Ich hatte auch gar nicht vor das weiter auszuwalzen. ;)


Man wollte 1953 mit der elektronischen Musik nicht die bisherige Tonwelt imitieren, sondern eine "paramusikalische Klangwelt" schaffen, deren unglaubliche Dimensionen erst überhaupt grundlegend zu erforschen wären.
Mhh, ich hab nicht den Eindruck das heute elektronische Musik irgendetwas imitiert. Vor allem kann man das ja auch nur schwer pauschalisieren.

Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht so recht was einen normalen Musiker der sich mit digitaler und elektronischer Klangerzeugung beschäftigt und an Neuem interessiert ist von einem Avangardisten unterscheidet - außer der Selbstbezeichnung.
 
Ich nehme zur Kenntnis, daß Du Deine Behauptungen nicht belegt hast.

Bei einer Aussage von 1953 kann es nicht um die heutige elektronische Musik gehen, jedoch um das Konzept der damaligen elektronischen Musik.

Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht so recht was einen normalen Musiker der sich mit digitaler und elektronischer Klangerzeugung beschäftigt und an Neuem interessiert ist von einem Avangardisten unterscheidet - außer der Selbstbezeichnung.

Das könnest du leicht herausbekommen, wenn Du die entsprechende Musik und die musikalischen Konzepte vergleichen würdest.

Viele Grüße

Klaus
 
Ich nehme zur Kenntnis, daß Du Deine Behauptungen nicht belegt hast.
Nun ja, ich hab den Kram nicht studiert und du hast sicher recht, aber ich hatte irgendwie immer im Hinterkopf dass viele (gerade auch technische) Grundlagen an denen sich gerade die Entwickler späterer Instrumente orientiert hatten gelegt wurden, und die haben bis heute vieles geprägt.

Ich meinte wirklich nur einen gewissen Einfluss erkannt zu haben, wenn du es sagst akzeptiere ich allerdings auch gerne dass die damalige Avangarde in Bezug auf aktuelle Musik nichts bewirkt und bewegt hat. :nix:
Letztlich ist es mir auch ein Stück weit egal, um ehrlich zu sein. Ich nehme die Randbemerkung einfach zurück und gut?
 
Ich nehme die Randbemerkung einfach zurück und gut?

Einverstanden

...ich hatte irgendwie immer im Hinterkopf dass viele (gerade auch technische) Grundlagen an denen sich gerade die Entwickler späterer Instrumente orientiert hatten gelegt wurden, und die haben bis heute vieles geprägt.

Das kann ich nicht nachvollziehen, außer in der Form, daß sich jegliche elektronische Klangerzeugung der entsprechenden Erkenntnisse aus Akustik und Elektronik bedient.

Deine Aussage, daß ohne die Leute (um Stockhausen) "Kraftwerk in der Form nie gegeben hätte, wahrscheinlich hätte sich auch Techno und alles was folgte komplett anders entwickelt" beruht auf einem Gerücht, das einer näheren Betrachtung nicht standhält, z.B.:

In der einschlägigen Literatur oder in Selbstzeugnissen zur Techno-Musik werden häufig sowohl der Komponist Karlheinz Stockhausen als auch die Band Kraftwerk als Vorbilder oder Pioniere benannt. Abgesehen von der Tatsache, dass beide mit elektronischer Musik experimentierten, weisen die ästhetischen Entwürfe (sofern vorhanden) und musikalischen Resultate aber nur wenige Gemeinsamkeiten auf. Durch eingehende, auch musikanalytische Beschäftigung mit ausgewählten Beispielen wird die im Titel ausgedrückte Standarddarstellung zur Geschichte der Techno-Musik kritisch hinterfragt.
http://www.uni-kassel.de/~hemming/lv/2010/se_techno.html
Siehe auch http://kraftwerkfaq.com/related-projects.html#stockhausen

Die Musik von Kraftwerk ist sehr repetitiv, auch die frühe, siehe Ruckzuck (1970).

Die Kölner Pioniere der elektroakustischen Musik der 50er und 60er hatten nichts mit repetitiven Rhythmen und gleichbleibenden Tempi am Hut.

Wenn man schon einen Bezug von heutiger populärer elektronischer Musik und E-Musik herstellen möchte, so würde der viel eher in der Minimal Musik zu finden sein.

Diese lehnt aber den Serialismus (Stockhausen u.a.) oft vehement ab.


Aber hat man sich erstmal auf ein gängiges Instrumentarium festgelegt wie in der heutigen Klassik, Rock, spielt Klangfarbe natürlich nicht mehr die grosse Rolle...

Sie kann eine sehr große Rolle spielen, wie Werke über Instrumentation/Orchestrierung zeigen (u.a. von den Komponisten Rimsky-Korsakov und Hector Berlioz). Der Bolero von Ravel lebt z.B. von der immer neuen Klangfarbe des Themas. Die Instrumente spielen auch teiweise verschiedene Teiltöne, um einen neuen Klang zu erzeugen (siehe am Ende dieses Videos und Beginn des zweiten Teils).

Schließlich zeigt sich auch an den zahlreichen Registern einer Pfeifenorgel, wie sehr man sich auch bei traditionellen Instrumenten um den Klang kümmerte.

Und anscheinend ist man beim traditionellen Instrumentenbau auf schon auf Klänge gekommen, die eine Qualität haben, die durch noch so viele elektronisch erzeugten Klänge einfach nicht tot zu kriegen ist. Ganz im Gegenteil, möchte man auf diese Klänge und die davon abgeleiteten auch in den elektronischen Instrumenten nicht verzichten. Über mögliche Gründe habe ich früher etwas gesagt.

Vieles von Stockhausen, auch das "Helikopter Quartett" halte ich für unwichtig. Der Mann war eben ein bißchen verrückt, im Sinne von "dem Normalen entrückt".

Was Tonarten und Klangfarbe angeht, so ist in solchen Betrachtungen m.E. auch viel Mythos enthalten. Teilweise dadurch bedingt, daß man eben mit verschiedenen Tonarten aufgrund der eigenen Geschichte verschiedene Musik verknüpft. Eine objektive Komponente besteht darin, daß viele einstimmige Instrumente durch ihren Aufbau in verschiedenen Tonarten etwas unterschiedlich klingen (insbes. Blasinstrumente).

Auch bleibt uns von unseren Lieblingsliedern doch oft ein ganz char. Klanglinie im Kopf hängen, die Hook Line, wenn man mal Midi Files populärer Songs mit nem General Midi Synth abspielt klingen sie eben auf einmal doch oft sehr dünn bzw. scharz/weiss um das Bild mal zu benutzen.

Was als "Ohrwurm" hängen bleibt ist doch fast immer die Melodielinie. Eine Veränderung des Klanges ist da eher selten von Bedeutung. Am ehesten vielleicht noch Wah-Wah-Effekte, ob elektronisch erzeugt oder mit Plunger (Trompete, Posaune).

Klar, bei MIDI-files mit einem General Midi Synth abgespielt, kann viel verloren gehen, doch wie wichtig die Parameter Dynamik und rhythmische Variation für den Ausdruck ist, zeigt dieses Hörbeispiel (S.213, fast ganz unten). Vergleich (dummer) Computer - Mensch.

Während der Inhalt eines Bildes allein durch hell/dunkel Kontrast klargemacht werden kann, spielen die Farben und insbesondere ihre emergente Wirkung und nicht die spez. Art der einzeln verwendeten eine bestimmte Rolle ber der Perzeption. Ähnlich verhält es sich mit den Klangfarben.

Nicht immer kann der Inhalt eines Bildes allein durch hell/dunkel Kontrast klargemacht werden, wie dieser Test auf Farbenblindheit am deutlichsten zeigt. Der hell/dunkel Kontrast ist da immer gleich.

Eine Analogie des hell/dunkel Kontrasts zur Musik könnte in unterschiedlicher Weise bestehen. Man könnte verschiedene Paramater minimieren:

- das übertragene Frequenzband (z.B. Musik über ein Telefon, das nur 300 und 3400 Hz überträgt)
- die Dynamik, unter der inbes. Klassik und Romantik sehr "kontrastarm" wirken würden.
- bei einer Melodielinie könnte man die Frequenzunterschiede der Töne zusammenstauchen.
("Freude schöner Götterfunke" wäre über einen gewissen Bereich immer noch erkennbar, obwohl die Melodie rhythmisch ziemlich monoton ist. Bei der Melodie spielt die Kontur eine große Rolle.)

Die Analogie zwischen optischen und akustischen Eindrücken ist nicht so einfach.

Eine wichtige Rolle spielt natürlich der Kontext, in dem der einzelne Eindruck steht. Das hattest Du ja angesprochen. Ein und dieselbe Sache kann völlig unterschiedlich wahrgenommen werden, wie optische Täuschungen zeigen oder auch die Wirkung ein und des selben Intervalls (oder Akkords) in unterschiedlichem Kontext.

Abschließend noch einmal zu den Bemühungen um eine Katalogisierung von Klängen.
Darum haben sich folgende Autoren bemüht:

James C. Tenney: Die physikalischen Korrelate der Klangfarbe (1965)
Pierre Schaeffer: Traité des Objets Musicaux (1966)
Robert Erickson: Sound Structur in Music (1975)
Robert Cogan and Pozzi Escot: Sonic Design (1976)
Michel Chion: Guide des objets sonore (1983)
Trvor Wishart: Sound, Symbols and Landscapes (1990)

Vielleicht findet sich etwas im Internet, Bibliotheken oder Buchhandel.


Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo alle zusammen!
Bin noch recht neu hier im Forum, weshalb meine Gedanken zum Thema vielleicht ein bißchen spät daherkommen.
Die ganze Thematik um die serielle Musik mag zwar aus heutiger Sicht rein kompositionstechnisch keine wirklich tragende Rolle mehr spielen, für den musikästhetischen Diskurs über und um die 'Neue Musik' ist sie aber nach wie vor von Bedeutung, nicht zuletzt auch im rein pejorativen Sinn. Wohl kaum eine andere Erscheinung, die die abendländische Kunstmusik hevorgebracht hat, steht dermaßen parabolisch im Kontext der sie umgebenden Zeitqualität, vielleicht sogar eines gesamten Jahrhunderts. Es ist eine Geschichte grandiosen Scheiterns. Die serielle Musik ist schneller implodiert, als die werten Herren damals bis 12 hätten zählen können. Da wurden im Zuge unheilbaren Fortschrittsglaubens, oder vielleicht besser gesagt -wahns, am laufenden Band mit heißester Nadel Utopien gestrickt, die den bereits im Kern verankerten Weg in den Abgrund unausweichlich voran schritten. Von Adorno möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen.
Sein eigener, überhöhter Anspruch wurde dem Serialismus letztlich zum Verhängnis, er mündete in einem scheinbaren Paradoxon. Übersteigerte Kontrolle und Determination bis hin zum Kulminationspunkt totaler Parametrisierung hatten schlichtweg das genaue Gegenteil zum Resultat. Den Eindruck absoluter Beliebigkeit. In Amerika begann John Cage also mit dem Würfeln und in Europa war es, wie oben bereits erwähnt, György Ligeti, der als einer der ersten dem seriellen Denken den Rücken kehrte und mit seiner 1958 erschienenen Analyse von Pierre Boulez' Structures wohl eine der bekanntesten und intelligentesten Brandreden gegen den Serialismus verfasst hat.

Wer sich näher für das Köln der 50er interessiert sollte unbedingt mal folgendes Interview mit Konrad Boehmer lesen:

Ein lächerlicher Clown

Anfangs noch Apostel Stockhausens, ist er mittlerweile Leiter des Instituts für Sonologie in Den Haag, nach wie vor eine der wichtigsten Studieneinrichtungen für Elektronische Musik in Europa. Gerade aus dieser Perspektive sind seine Ansichten über den technologischen Fortschritt besonders interessant.


Also, Sinustonkomposition. Warum hat's nicht funktioniert?
Mit diesem allerersten Primaten Additiver Synthese schien ein lang gehegter Traum wahr geworden zu sein. Die absolute Kontrolle des Komponisten über einen bislang nur mittelbar zu kontrollierenden Parameter, den Klang selbst.
Und Kontrolle war in diesem Fall gleichbedeutend mit seriellem Reihendenken. Obiges Stockhausen-Zitat zu Studie I ist dazu das perfekte Beispiel. Das Resultat war in etwa das gleiche, als würde man versuchen ein Gedicht nur mit Satzzeichen zu schreiben. Falsche Syntax. Im Idealfall vielleicht interessant, aber bedeutungslos. Klangliche Parameter lassen sich einfach nicht durch Zahlenspielerein steuern, die einer gänzlich anderen Systematik entlehnt wurden.
Der absolute Evergreen unter den Zahlenreihen ist und bleibt die Fibonacci-Reihe, nicht zuletzt wegen ihrem häufigen Auftreten in der Architektur, bildenden Kunst und Natur. Der goldene Schnitt als Inbegriff ästhetischer räumlicher Disposition. Außerordentlich gut geeignet um z.B. musikalische Form zu strukturieren, aber als Klang synthetisiert sieht's sehr schnell düster aus.

Die Additive Synthese ist ja bis heute Stiefkind geblieben, denn wenn's halbwegs anständig klingen soll, ist und bleibt's ein Parametergrab. Die ursprüngliche Frage von luzil drehte sich ja auch exakt genau darum. Nach welchen systematischen Aspekten Klänge strukturieren? Komponisten sind da ungeheuer kreativ gewesen in den letzten Jahren und die unterschiedlichen Ansätze reichen von esoterisch bis brauchbar. Den meisten ist jedoch nach wie vor aufgrund der oben genannten Gründe ein hohes Maß an Unberechenbarkeit zu Eigen, was auch nicht weiter verwundert, wenn man beispielsweise versucht das Relief einer Gebirgskette oder gar statistische Daten von Wettersatelliten zu Klang zu machen.
Interessant wird es aber z.B. wenn man sich mit den Schwingungseigenschaften von dreidimensional schwingenden Körpern auseinandersetzt, die zwar deutlich von der Teiltonreihe abweichen, aber trotzdem gut klingen, da sie ebenfalls physikalischen Gesetzmäßigkeiten entsprechen.

Ein anderes großes Problem ist die unvermeidliche Statik additiv erzeugter Klänge. Will man also zeitliche Variation, und das sollte man eigentlich wollen, so steigen zum einen die zu kontrollierenden Parameter beinahe exponentiell an und es müssen auch nochmal neue Kontrolldaten her. Ein Faß ohne Boden. Und eine wirklich sinnvolle gestische Steuerung derartiger Sounds in Echtzeit ist selbst beim heutigen Stand der Technik obendrein immer noch nicht restlos überzeugend zu realisieren.

Eine wirklich ernstzunehmende Alternative zur klassischen Additiven Synthese stellt jedoch die Additive Resynthese dar. Ein konkreter Sound wird per FFT in seine Einzelteile gespalten, die, wenn's sein muß sogar einzeln nach persönlichem Gusto oder mithilfe diverser Algorithmen verbogen werden können, und wird dann mittels Additiver Synthese wieder zusammengebaut. Das oben bereits erwähnte IRCAM, das absolute Mekka der akademischen Computermusik, ist mit der Software AudioSculpt nach wie vor tonangebend auf diesem Gebiet. Es gibt allerdings auch ein wirklich fantastisches Freeware-Tool, das ich jedem der sich dafür interessiert nur wärmstens empfehlen kann.

SPEAR

Ebenfalls hochinteressant, jedoch ohne die Möglichkeit einzelne Partialtöne zu bearbeiten:

Mammut

Dann bleibt nur zu hoffen, daß ich mit diesem Mammut-Post vielleicht ein wenig Licht ins Dunkel bringen konnte.
Saluti
 
Hallo Hiatus!

Danke für den interessanten Beitrag, der so reichhaltig ist, daß ich jetzt nur zu einem Teil darauf eingehen kann.

Es ist eine Geschichte grandiosen Scheiterns. Die serielle Musik ist schneller implodiert, als die werten Herren damals bis 12 hätten zählen können.

Da wurden im Zuge unheilbaren Fortschrittsglaubens, oder vielleicht besser gesagt -wahns, am laufenden Band mit heißester Nadel Utopien gestrickt...

Der Sicht stimme ich voll zu. Insbesondere sehe ich ebenfalls die fatale Wirkung eines Fortschrittsglaubens.

Der Kern der Misere geht wohl auf Schönbergs Konzept der Reihentechnik zurück, das, gemessen an dem, was sich Schönberg erhofft hatte, ebenfalls grandios gescheitert ist. Schönbergs Irrtümer, z.B.:

Der Musikwissenschaftler Manuel Gervink bzw. Schönbergs Schüler Rufer führen aus:
"Schönberg wie Hauer verbanden mit der Zwölftontechnik mehr als nur eine neue Kompositionsmethode, Schönberg glaubte, mit ihr eine Entdeckung gemacht zu haben, durch die er »der deutschen Musik die Vorherrschaft für die nächsten hundert Jahre« sichere, wie er 1921 seinem Schüler Josef Rufer verkündete."
Quellen: Josef Rufer: Das Werk Arnold Schönbergs. Kassel 1959, S. 26.
http://joern.free.de/lyrik/2006/10/arnold-schnberg-und-die-vorherrschaft.html
Schönberg in einem Brief an Hans Rosbaud vom 12. Mai 1947 geäußerter Hoffnung:
Ich aber wünsche nichts sehnlicher (wenn überhaupt) als daß man mich für eine bessere Art von Tschaikowski hält - um Gotteswillen: ein bißchen besser, aber das ist auch alles. Höchstens noch, daß man meine Melodien kennt und nachpfeift.
Keiner pfiff nach 50 Jahren Schönbergs Zwölftonreihen auf den Gassen, wie es andersowo heißt, eher pfiff (im Sinne von auspfeifen) man auf Schönbergs Musik.

Schönbergs Einfluß auf die Nachfolger aus Köln:

Die Zweite Wiener Schule ordnete Tonhöhen und Intervallstrukturen nach eigenen Regeln neu. Schönberg prägte in seiner Harmonielehre von 1911 den Begriff der "Klangfarbenmelodien". Sie endet mit den Worten:

Klangfarbenmelodien! Welche feinen Sinne, die hier unterscheiden, welcher hochentwickelte Geist, der an so subtilen Dingen Vergnügen finden mag! Wer wagt hier Theorie zu fordern!
Die früheste deutsche Zwölftonpublikation schrieb übrigens Eimert 1923 (Atonale Musiklehre), zwei Jahre nachdem Schönberg seine Zwölfton-Reihentechnik schuf. Er gründete später das Kölner Studio.

Olivier Messiaen hatte Ende der vierziger Jahre als erster den Gedanken der Organisation von den Tonhöhen auch auf die Tondauern -lautstärken und konzeptuell auch auf die Klangfarben übertragen.

In der folgenden Seriellen Musik sollte die Musik in allen Aspekten reihenmaßig organisiert sein: Tondauer, Lautstärke und Klangfarbe
Publiziert wurden die Ideen in der Musikzeitschrift "Die Reihe" (1955 bis 1962). Herausgeber waren Eimert unter Mitarbeit von Stockhausen.

Robert Beyer (Tonmeister und Komponist) träumte schon seit den 1920er Jahren von einer Klangfarbenmusik. Zusammen mit Eimert und Meyer-Eppler (Physiker) gründete er das Kölner Studio.

Meyer-Eppler schuf den Begriff "elektronische Musik" und war auch deren Wegbereiter. Die elektronischen Instrumente Monochord und Melochord wurden auf seine Empfehlung angeschafft. (Von Stockhausen wurden diese Instrumente später für die Produktion einer in allen Aspekten organisierten Musik als nutzlos angesehen.)

Beyer sah den Serialismus und seine strenge Ordnung nur als ein Übergangsstadium an. Langfristig hielt er eine völlig freie Klangfarbenmalerei für notwendig und die seriellen Regeln für hinderlich. Die Konsequenz dieser Differenzen mit Eimert (und wohl auch Stockhausen) war, dass Beyer später aus dem Studio ausschied.

Übersteigerte Kontrolle und Determination bis hin zum Kulminationspunkt totaler Parametrisierung hatten schlichtweg das genaue Gegenteil zum Resultat. Den Eindruck absoluter Beliebigkeit.

In Amerika begann John Cage also mit dem Würfeln...

Der Messiaen-Schüler Boulez entwickelte serielle Musik mit traditionellen Instrumenten und lehnte "Würfeln" à la Cage ab. Doch die Klangergebnisse wirken so beliebig wie die gewürfelte Musik von Cage.

Einen Höhepunkt der Fehlentwicklung, erreichte der Schönberg-Schüler Cage m.E. mit 4'33", komponiert für Klavier, später auch für großes Orchester.

Es wird allerdings kein einziger Ton gespielt. Cage erwürfelte vor der ersten Aufführung als Dauern für die 3 Sätze 33&#8243;, 2&#8242;40&#8243; und 1&#8242;20&#8243;, was eine Gesamtlänge von 4&#8242;33&#8243; ergibt.
http://de.wikipedia.org/wiki/4%E2%80%B233%E2%80%B3

Passend seine spätere Aussage:

Ich habe nichts zu sagen
und ich sage es und das ist
Poesie wie ich sie brauche

(John Cage »Silence«)
Die meisten Musiker und Musikhörer können sie wohl nicht gebrauchen und geben sich damit nicht zufrieden.

Es sieht so aus, daß eine Fehlentwicklung in der Musik gerade dann stattfand, als die elektronische Klangerzeugung bedeutende Fortschritte erzielte. So konnte daraus nichts Nachhaltiges entstehen.

Ich denke, daß in der Geschichte der elektronischen Musik das letzte Wort noch lange nicht gesprochen wurde und vermute, daß sich vielversprechendere Wege entwicklen werden, insbesondere unter Einbeziehung des Klangs.

Neue Software und neue neurophysiologische Erkenntnisse mögen dabei ebenso helfen, wie die Abkehr von gescheiterten kompositorischen Konzepten.

Viele Grüße

Klaus
 
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