@klaus
Vielen Dank für dein Post. Die Studien I II Links ist die Art von Info die gesucht habe
Gern geschehen, das von Dir angeschnittene Thema interessiert mich ebenfalls seit langem.
Naja, es gibt einige Komponisten, die sehr fit mit Computermusik sind (einen kenn ich, der hat auch ein abgeschlossenes Informatikstudium).
Wahrscheinlich ist die Erforschung des Klangs auch vielen Akademikern einfach zu aufwendig, wenig erfolgversprechend und zu technisch in der Arbeit, als das Thema mal wirklich zu durchdringen.
Nein, den Komponisten der ersten elektronischen Musik aus dem Kölner Studio möchte ich nicht die erfolderlichen Fachkenntnisse absprechen, soweit sie damals überhaupt bekannt waren.
Was ich meinte mit "Man kann den Eindruck haben, daß Komponisten heute noch kaum in der Lage sind, die jetzigen unendlichen Möglichkeiten adäquat zu beherrschen." war nicht die technische oder theoretisch-akustische Beherrschung, sondern die musikalische im nachhaltigen Sinne.
Als ich die "elektronische Musik" vor langer Zeit zum ersten Mal hörte, war ich fasziniert von den neuen klanglichen Möglichkeiten. Es wurden da schon sehr beeindruckendes und prinzipiell neues geschaffen. Nur hatte ich immer das Gefühl, daß es sich um Studien handelt. Bedeutende Kompositionen im musikalisch-gestalterischen Sinne erwartete ich noch - leider vergebens. Die neuen Klänge wurden m.E. noch nicht zu überzeugenden Ganzheiten zusammengesetzt.
Es mag daran liegen, daß sich die Komponisten der ersten elektronischen Musik fast alle dem Konzept der seriellen Musik verschrieben hatten: Eimert, Stockhausen, Goeyvaerts, Boulez (mehr musique concrète), Koenig
Wenn ich mich recht erinnerne, beindruckten mich Stücke von Koenig und Ligeti besonders. Und es war Ligeti, der in radikaler Absetzung gegenüber der seriellen Musik in eine vielversprechendere Richtung wies:
Die "
Klangflächenkomposition", ein Konzept, das auf den Einfluss der elektronischen Musik zurückgeht.
Ligeti verließ den Bereich der elekronischen Musik, wandte sich traditionell-natürlichen Klangerzeugern zu, schuf mit ihnen aber Klänge, die ganz und gar nicht traditionell waren.
Seine Abkehr vom seriellen Prinzip und von künstlichen Klängen: War beides symptomatisch? Jedenfalls schuf er Musik, die in Fachkreisen und auch außerhalb Bedeutung erlangte:
Atmosphères ist für großes Orchester geschrieben und wurde 1961 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt, wo es ein so großer Publikumserfolg war, dass es wiederholt werden musste.
http://de.wikipedia.org/wiki/György_Ligeti
Stanley Kubrick benutzte seine Musik in mehreren Filmen.
Das wir auf Klänge sozialisiert werden glaube ich nicht...
Ich meine nicht die Sozialisation, sondern etwas Grundlegenderes: Die Tatsache, daß der Mensch schon ab seiner Existenz im Mutterleib die aufgenommenen Schalleindrücke verarbeitet und mit anderen Eindrücken vernetzt. Trotz zunehmender künstlich erzeugter Klänge sind es die natürlichen und die davon abgeleiteten, die uns vor allem prägen: Die menschliche Stimme und eine unübersehbare Zahl von Schalleindrücken aus der Umgebung (inklusive der Medien).
Sie prägen unser Gehör bzw. die verarbeitenden Nervenzellen dahinter mit all den emotionalen Assoziationen, die in unserem Gehirn möglich sind.
Trotz perfektionierter Technik können Menschen auch erstaunlich genau erkennen, ob ein Instrumentalklang synthetisiert wurde, ob es sich um ein gutes Sample handelt oder den direkten natürlichen Klang.
Und noch leichter läßt sich ein künstlicher Klang, der mit unnatürlichen Obertönen synthetisiert wurde von einem mit natürlichen Obertönen unterscheiden.
Meine These wäre nun, daß wegen unserer Prägung, unnatürliche Klänge bezüglich der Bedeutung, die wir Ihnen zumessen erst einmal schlechtere Karten haben als natürliche.
Das mag vielleicht der tiefere Grund gewesen, warum sich Ligeti den natürlichen Klangerzeugern zuwandte, auch der o.g. Komponist Karger und das Konzertpublikum, welchem man heute offenbar kaum noch elektronische Musik vorsetzen kann.
Auch diese Aussagen gehen in die gleiche Richtung:
Ein Dozent meinte mal: Am besten ist es, wenn man gar nicht merkt, dass Elektronik dabei ist.
Für sowas kann ich mich auch eher begeistern, also die Mischung von Elektronik und natürlichen Klängen (wie beispielsweise bei Ensemble oder Soloinstrument mit Live-Elektronik). Der rein elektronische Klang hingegen zehrt schon sehr an meiner Aufmerksamkeit und Konzentration, da gibt es nur ganz wenig, dass mir gefällt.
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...Klangfarbe ist wohl ein viel subjektiver/auswechselbarer und weniger funktionaler Parameter der Musik im Gegensatz zu Harmonik, Rhythmus. Aber nichtsdestotroz ein sehr spannender m.M.
In diesem Punkt wurde die endlich elektronisch zugängliche Komponente "Klang" von Stockhausen m.E. weit überschätzt.
(Wie er auch die Rolle der räumlichen Klangbewegung überschätzt hat. In der Expo 70 in Osaka wurde unter wesentlicher Mitwirkung von Stockhausen im deutschen Pavillon ein Kugelauditorium errichtet, das dem Hörer Klänge aus allen Richtungen des Raumes präsentieren konnte. Allerdings blieb dieser Konzertsaal nicht über die Weltausstellung hinaus erhalten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Karlheinz_Stockhausen)
Tonhöhe, Rhythmus und Harmonie bleiben am wichtigsten.
Stockhausen zur Klangfarbe 1972:
Schönbergs Konzeption, daß man mit Klangfarben genauso Musik machen könnte wie vorher mit Veränderungen der Tonhöhen, ist ja bis heute noch nicht ins Bewußtsein der meisten Musiker gedrungen; daß man zum Beispiel ein Stück machen könnte, in dem die Tonhöhe völlig konstant ist, für eine halbe Stunde, und dieselbe Information musikalisch komponiert und wahrgenommen sein könnte - nur durch Veränderungen der Klangfarben -, wie früher in einer melodischen Komposition.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
Vielleicht läßt sich eines Tages ein bedeutendes Werk auf diese Weise komponieren. Doch kann die Klangfarbe generell in der Musik eine derart wichtige Rolle spielen? Viele wichtige Musikstücke haben hingegen gezeigt, daß sie unabhängig von der Klangfarbe bedeutend sind. Man kann sie
vom Chor singen lassen, mit Streichinstrumenten spielen, Orgel oder sonst etwas.
Klangfarbe ist in der Tat ein viel auswechselbarer und weniger funktionaler Parameter der Musik, aber dennoch ein sehr spannender.
...und wie man einen Klang überhaupt rein von den Parametern analytisch beschreibt. Die Stellparameter von spez. Synths eignen sich dazu ja sicherlich nicht...
Stockhausen selbst kümmerte sich um eine Systematisierung von Klängen wohl nicht und wollte die Erstellung einer Klangfarben-Skala den Musikwissenschaftlern überlassen:
Schon in den zwanziger Jahren hat es in der Farbentheorie zum Beispiel einen Katalog gegeben, den >Ostwaldschen Farbtonkreis<, in dem über 200 deutlich unterscheidbare Farben differenziert wurden (wie in einer Tonhöhen-Skala eines Klaviers).
Solch eine Skala für die Klangfarben aufzustellen wäre zum Beispiel eine zukunftweisende Aufgabe für Musikwissenschaftler, statt sich ewig mit Partituren aufzuhalten, die im 15. Jahrhundert geschrieben worden sind.
http://www.elektropolis.de/ssb_story_stockhausen.htm
M.E. ist die Situation bei den Klang"farben" viel komplizierter als bei den Farben. Letztere können durch Kombination aus lediglich drei Farben zusammengesetzt werden, weil es eben nur drei verschiedene Arten von Zapfen (Farbrezeptoren) beim Menschen gibt.
Ein Klang wird hingegen durch viel mehr Paramenter definiert. Hier besteht ja die Fähigkeitkeit komplexe Klangstrukturen wahrzunehmen, ähnlich einem Bild, das man sich aus einer Vielzahl von Farbpunkten zusammengesetzt vorstellen kann, wobei eben auch die Strukturen erkannt werden, nach denen die Farbpunkte aufgebaut sind.
Passender als "Klangfarben" wäre daher vielleicht "Klangbilder", was andererseits wieder etwas übertrieben klingt.
Dennoch wird bei dem Vergleich deutlich, daß es nur schwer möglich ist, die vielen exisitierenden und möglichen Bilder nach relvanten Kriterien zu katalogisieren. Man könnte Klänge und Bilder z.B. nach dem Helligkeitsgrad ordnen, doch das würde nur wenig helfen.
Es gab eine Reihe von Musikern, die elektronische Klänge katalogisierten. Doch die Verschiedenheit der Versuche zeigte, daß es kein absolutes System geben kann.
Viel einfacher haben es da die akustischen Klangerzeuger. Da werden einfach die Instrumente bezeichnet: Blech, Holz, Streicher usw.
Ich halte die frühe elektronische Musik für eine ziemliche Sackgasse da man einfach die technischen Mittel nicht hatte.
Additive Synthese mit ein paar Sinusgeneratoren hört sich nun mal im besten Fall nach einer verstimmten Heimorgel an, um es mal gehässig auszudrücken. Nichtsdestotrotz haben die eigentlichen Pioniere der elektronischen Musik zum Teil darauf gebaut.
Wenn man wissen will was der Stand der Technik ist und welche Möglichkeiten sich bieten sollte man sich einfach mal Pure Data (oder MAX/MSP oder cSound oder chuck oder einer der vielen anderen Audio-Programmiersprachen) runterladen und sich mal anschauen was damit geht. Allerdings kommt man da um ein Grundverständnis der Programmierung nicht ganz herum.
Mit der Sackgasse würde ich dir ja recht geben, aber aus ganz anderen Gründen (s.o.).
An eine verstimmte Heimorgel erinnerte die Musik aus dem Kölner Studio nicht im entferntesten.
Zu den "eigentlichen" Pionieren der elektronischen Musik:
Bis heute besteht eine Kontroverse in der Terminologie, da einerseits ein wissenschaftlicher Begriff der Akustik und andererseits eine Gattung der Neuen Musik, gleichzeitig aber auch ein Oberbegriff über neue Musikstile der Unterhaltungsmusik gemeint ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronische_Musik
Die "elektronische Musik" der Pioniere aus Köln und anderswo und deren Nachfolger wird heute, um Mißverständnisse zu vermeiden "elektroakustische Musik" genannt. Die Beatles erkannten übrigens die Pionierleistung von Stockhausen an, weswegen sein Porträt auch auf dem Plattencover von St. Pepper erschien.
Pure Data wurde übrigens am IRCAM entwickelt. Das IRCAM wurde maßgeblich von Pierre Boulez gegründet, seit den 50er Jahren neben Stockhausen und Nono der herausragende Vertreter der sog. musikalischen Avantgarde.
Der Einfluß der sog. E-Musik auf die sog. U-Musik wird auch hier deutlich, ohne jetzt sog. U-Musiker herabsetzen zu wollen, die ebenfalls bedeutendes geschaffen haben. (Die U/E-Kategorisierung ist grobschlächtig aber erfüllt manchen Zweck).
Viele Grüße
Klaus