Von Bach heißt es ausdrücklich, daß er sich in eine "Kammer" zurückgezogen und gegrübelt habe. Von klimpern habe ich da noch nichts gelesen. Und ein großer Improvisator wird man auch nicht ohne ausgereifte Klangvorstellung. Ich rede hier ausdrücklich nicht von Dudeljazzern, sondern dem, was man eben Beethoven & Co. nachsagte und heute z.B. von Gabriela Montero wiederbelebt wird.
Mir ist der Name entfallen, aber Götz Alsman erzählte kürzlich über einen Schlagerkomponisten der 20er, der immer am Schreibtisch komponiert hat und sagte, daß alles Andere dilettantisch sei. Jaja und die Schlager dieser Zeit sind harmonisch teils recht tricky.
Ja, bei Bach glaube ich das sofort. Der wird sich in eine Kammer zurückgezogen haben. So klingen auch seine Werke (nicht wertend gemeint). Sie klingen
recht perfekt, für meinen Geschmack recht karg. Dann hat sein Sohn irgendwann die Fiebel entworfen, die heißt
"Die wahre Art, das Klavier zu spielen". Damit änderte sich auch die Kompositionsart,
die Joseph Haydn zur Vollendung der "Sonatenform" inspirierte. Die Fuge war gestorben und wurde in Beethovens Spätwerken wieder "aufgekocht".
Franz Liszt, hat sich ier kompositorischen Schreibtischgattung dann gar nicht mehr bedient. Es ist nachzulesen, dass Franz Liszt selbst
auf Reisen ein Klaviertastatur-Dummy, ein "Manual" dabei hatte. Das diente einmal dazu, um seine Finger weich zu halten, aber auch dazu, Dinge, .... die
- man kann sagen - zwischen Hand und Hirn zu erschaffen. Franz Liszt konnte mental ohne Klavier offenbar nicht wirklich komponieren. (Er konnte es schon, aber
es wären dann gänzlich andere Werke entstanden).
Ich will es jetzt mal ganz hart ausdrücken: Es ging - speziell bei den Klassikeren und Romantikern - gar nicht immer um die Kompisition als abgeschottetes "schönes"
Klanggebilde. Franz Liszt hat Techniken für das Klavier komponiert viel eher der Technik wegen und nicht dass es kompositorisch von Theoretikern als gut
befunden worden ist. Es ging auch bei Beethoven nicht nur um Klänge, sondern eben auch um die Liebe zu Instrumenten, in diesem Fall zum Klavier und um
die Sportlichkeit und Herausforderung, diese von ambitionierten Pianisten "bedienen" zu lassen.
Es gibt Werke von Franz Liszt, die einfach nie wirklich schön klingen sollen und auch gar nicht mehr fürs "breite" Publikum gedacht waren, sondern wieder
für Pianisten, ein ganz ausgewählter Kreis. In Haydns Zeiten fing die Unterscheidung zwischen "Kenner" und "Liebhaberstücke" an. Die Kennerstücke sind
dann entweder kompositorisch komplexer oder eben sie verlangen dem Interpreten mehr Können ab, häufig auch mehr technisches Können.
Ein Schreibtischkomponist (hab selber so einen mal kennengelernt) kann sich an exorbitanten Läufen, die nicht einen Harmoniewechsel vollziehen, überhaupt
nicht erfreuen. Für ihn sind sie schlichtweg einfach nur Gedudel. Er sieht diese technische Protzerei als unnötig an. Bei Franz Liszt war es wohl häufig umgekehrt.
Es gibt einfach kaum ein Werk von Franz Liszt, welches kompositorisch äußerst komplex mit Verbindung einer technischen- pianistischen Einfachheit einhergeht.
Mein Fazit: Wenn es den Komponisten nur um die Kompisition ginge, wären folgende Konstrukte nie entstanden,
wie z.B. Takt 35 Haydn Sonate XVI
est Es-Dur 1972 Autorenangabe Mariano Romano Kayer oder
z.B. Takt 10 1. Satz Hob XVI:38 Es-Dur (reiner 32el diatonischer Lauf in Es-Dur) ... oder auch Takt 9 ff. Hob XVI:37 D-Dur 1. Satz,
der übrigens harmonisch echt einfach ist, doch technisch eindrucksvoll ...
aber auch ganz viele Beethoven-Werke, sehr gut am Lauf in der Op. 110 As-Dur zu sehen.
Oder mein Lieblingswerk die Orage von Franz Liszt, ... ein Werk welches teils aus Teile eines chromatischen Oktavparallel-Lauf besteht,
immer wieder h c cis d - as,g,ges,f (das in unterschiedlichen Oktavhöhen) ... Dann gibst irgendwann ne Modulation nach Fis-dur (jetzt sagen manche:
ooooho .. ganz interessant) Meine Meinung: Nein, es war einfach dann praktisch, diese Stelle auf schwarzen Tasten zu spielen und hat es elegant
moduliert.
Joseph Haydn hat viel am Schreibtisch komponiert, doch nur weil er bereits um die Wirkung und Handhabung der Instrumente wußte.
Er konnte ausgezeichnet die Violine spielen, auch mit dem Klavier war bestens vertraut, doch hat er Läufe über mehrere Oktaven (außer in seinen
Spätwerken Hob XVI: 52 Es Dur 1. Satz) unterlassen.
Zu den Sinfonien: Die Sinfonien sind nicht selten als Klavierfassung erst einmal entstanden.
Man kann meines Erachtens auch keine Sinfonie schreiben, ohne auch nur ein bißchen von den Instrumenten zu verstehen.
Der Schreibtisch ... ist - je mehr ich drüber nachdenke - unwichtig.
So... nun zu meinen nicht gerade verehrten Paul Hindemith, der zwar die Violine lernte, doch seine Werke schon sehr nach "Schreibtisch" klingen.
Die Kompositionen haben echten Anspruch (war ja auch ne andere Zeit), doch wie klingen sie eigentlich?
Zahlreiche Werke sind demnach wieder an andere Musiker adressiert und nicht ans breite Publikum (Liszt für Pianisten, Hindemith und Schönberg für theor. Komponisten,
und eben Schlager für die Masse. Das wird auch der Grund sein, warum man Schlager wirklich nur am Schreibtisch komponieren kann)
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Mir ist der Name entfallen, aber Götz Alsman erzählte kürzlich über einen Schlagerkomponisten der 20er, der immer am Schreibtisch komponiert hat und sagte, daß alles Andere dilettantisch sei. Jaja und die Schlager dieser Zeit sind harmonisch teils recht tricky.
Glaube ich Dir sofort. Doch Harmonie ist eben nur eine Mini-Komponente einer Komposition, eine, die komischer Weise von Theoretikern
stark fokussiert wird. In einem Schlager gibts ja auch nicht viel Läufe, die Instrumente zu spielen haben. Man braucht sich mit den
Instrumenten gar nicht so sehr zu beschäftigen.
Da fällt mir gerade etwas am Grabner auf. Ich schätze dieses kleine gelbe Buch eigentlich sehr, doch geht Grabner gar nicht auf
unterschiedliche Arpeggio-Styles ein. Es ist ja auch ein Handbuch der Harmonielehre und nicht der gesamten Lehre der Komposition.
Eine Komposition, die sich nur geschlossener Akkorde bedient, muß zwangsläufig komplex sein, damit sie nicht ganz einschläfernd wirkt.
Komponiert man mit gebrochenen Akkorden, wird wahrscheinlich ein Bruchteil der harmonischen Komplexität notwendig sein, weil diese
neu hinzugekommene Komplexität die harmonische Komplexität kompensiert.