Ich melde mich hier noch einmal, da mir die Diskrepanz zwischen Obertonreihe und Akustischer Skala keine Ruhe lies.
Ja, der Name "Akustische Skala" ist streng genommen unkorrekt und mich wunderte es zunächst auch, daß er so häufig gebraucht wurde/wird.
Diese Diskrepanz zwischen der "Akustischen Skala" und der der Obertonreihe am nächsten kommende gleichstufigen Skala besteht aber definitiv, wie auch hier noch einmal klar zum Ausdruck kommt:
...F♯ being almost exactly halfway between F4 and F♯4, A being closer to A♭4 than A4, and B being too flat to be generally accepted relative to equal temperament.
Quelle:
http://en.wikipedia.org/wiki/Acoustic_scale
Zunächst fiel mir Folgendes auf: die Partialtonreihe weist im Gegensatz zur Akustischen Skala 2 konsekutive Halbtonschritte auf. Dies führt in einer terzgeschichteten Harmonik zu imensen Problemen, wenn nicht sogar zur Unbrauchbarkeit dieser Skala im harmonischen Sinne.
Die Partialtonreihe selbst weist ja keinen genauen Halbtonschritt gleichstufiger Stimmung auf, sondern der Tonabstand wird stufenweise immer enger. Die dem 11.Teilton folgenden Schritte haben einen Tonabstand der näher am Halbton als am Ganzton liegt. Zwischen dem 15. und 16. Teilton liegt der
natürliche Halbton, der Halbton der reinen Stimmung (Abstand 111,73 Cent). Darüber werden die Halbtonschritte weiter immer kleiner. Vom 16. zum 17. Teiton sind es 104,955 Cent, also noch etwas mehr als der gleichstufige Halbtonschritt (100 Cent). Danach sind die Halbtonschritte kleiner als ein gleichstufig gestimmter (17. auf 18. z.B. 98,95 Cent). Irgendwann würde der Tonschritt näher bei einem Viertelton liegen.
Die Unbrauchbarkeit dieser Skala im harmonischen Sinne würde ich eher den drei Tritoni zuordnen, ganz ähnlich wie bei der Ganztonleiter, die bei einer Harmonisierung sehr ungünstig ist. Die
siebentönige Variante der Blues-Skala (mit großer und kleiner Terz) wird hingegen trotz der konsekutiven Halbtonschritte nicht als harmonisch unbrauchbar angesehen. O.K. der Vergleich hinkt etwas, weil die Blue-Notes im gleichstufigen System jeweils durch zwei Halbtöne angenähert werden. Bemerkenswert, daß dies Variante der Blues-Skala trotz vier aufeinanderfolgender Halbtonschritte (eb-e-f-gb-g) nur zwei Tritoni enthält.
Vielleicht am bedeutensten die Tatsache, daß im gleichstufigen System keine siebentönige Skala existiert, die harmonischer aufgebaut ist, als die diatonischen Skalen (Kirchentonleitern). Sie enthalten nur einen Tritonus - weniger geht nicht.
Danach ging ich der Sache weiter auf den Grund und fand folgenden Artikel:
"Alexander Skrijabin und seine Musik" ab Seite 138 "Die Prometheus-Harmonik und das Klangzentrum".
Ich kenne das Buch, habe es aber noch nicht durchgearbeitet. Es ist schon verwunderlich, wenn die Akustiker um 1900 offenbar der Meinung waren, das die von Skrjabin verwendeten Töne der Obertonreihe am nächsten kämen. Sogar Carl Dahlhaus wird zititert mit den Worten:
Die Töne ..., aus denen der "mystische Akkord" besteht, entsprechen dem 8. bis 11. und dem 13. bis 14. Ton der Naturtonreihe über C."
Wenn das stimmen würde, wären die bisher erwähnten zwei Wikipedia-Zitate falsch (
1,
2).
Ich habe also noch einmal selbst nachgerechnet, ob der Ton
a (des mystischen Akkords bzw. der "Akustischen Tonleiter") oder das
as/gis (alles gleichstufige Stimmung) näher am 13. Teilton über C liegt:
C hat in der gleichstufigen Stimmung die Frequenz 65,4064 Hz.
siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzen_der_gleichstufigen_Stimmung
Der 13. Teilton hat die 13-fache Frequenz, also 13*65,4064 Hz = 850,2832 Hz
Das gleichstufig gestimmte
as/gis hat die Frequenz 830,609 Hz, das
a 880 Hz.
Die Differenzen in Hz zum 13. Teilton betragen
beim
as/gis: 49,391 Hz
beim
a: 29,7168 Hz
In Hz liegt also das
a näher am 13. Teilton als das
as/gis!
Dies könnte der Grund dafür sein, warum die Akustiker um 1900 und auch noch Dahlhaus davon ausgingen, daß die "Akustische Tonleiter" mit a (statt as) die beste Annäherung an die Obertonreihe darstellt.
Nun muß man aber berücksichtigen, daß die Tonhöhenempfindung nicht linear mit der Frequenz zusammenhängt, sondern logarithmisch.
Ein Frequenzanstieg von 50 Hz auf 60 Hz ruft z.B. das gleiche Änderungsempfinden hervor wie ein Anstieg von 3000 Hz auf 3600 Hz, welcher in beiden Fällen 20% beträgt (siehe auch
hier)
Die Tonhöhenangabe in Cent berücksichtigt diesen logarithmischen Zusammenhang.
Welcher Ton liegt nun in Cent näher am 13. Teilton?
Hier hat das
a einen Abstand von +59.47 Cent und das
as einen von
-40.53 Cent (Rechner
hier).
Also würde nach unserem Hörempfinden die korrekte "Akkustische Tonleiter" den Ton
as statt dem
a enthalten.
Übrigens, es gibt meines Erachtens nur 2 heptatonische Material-Skalen die zwei nicht-konsekutive Halbtonschritte beinhalten.
Das sehe ich genauso.
Es gibt beim heptatonischen System nur die Möglichkeit des Musters 2 plus 3 Ganztöne zwischen den Halbtönen oder 1 plus 4.
Die Umkehrungen 3 plus 2 oder 4 plus 1 wären materialgleich.
... g g
h g g g
h g g
h g g g
h g g
h g g g
h ...
... g
h g
h g g g g
h g
h g g g g
h g
h g g g ...
Viele Grüße
Klaus