Machen! Unbedingt!!!
a) ein Haufen Freunde und Verwandte werden sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Dich zu sehen und zu unterstützen. Heimspiel: da kann gar nichts schiefgehen. Und sogar der eindeutige Hinweis bei der Einladung: "Applaudier' soviel Du kannst, ich brauch das für meine Nerven" ist gestattet und wird gern befolgt nach meiner Erfahrung. Claqueure (angeheuerte Klatscher) sind seit Jahrhunderten ein legitimer Sicherheitsgurt, um ein Publikum auf Deine Seite zu bringen.
b) der Hauptact will Dich. Enttäusch' ihn nicht. Es gibt nichts besseres als Connections zu Musikern, die schon ein Publikum haben. Bitte ihn, Dir zuzusehen und nach dem Auftritt Verbesserungsvorschläge zu machen. Wenn er Dich dann tatsächlich auf Fehler aufmerksam macht, ist er ein echter Kumpel - die Beziehung solltest Du dann ausbauen.
c) Keiner im Publikum sieht, dass Du nervös bist, wenn Du auf Deine Körpersprache und Mimik achtest: Aufrecht stehen, keine hektischen Bewegungen, lächeln und immer wieder mit einzelnen Personen im Publikum Blickkontakt aufzubauen sind fast wichtiger als Text und Musik. Das kann man genauso üben wie Gitarrespielen. Auf der Bühne hast Du einen hohen Adrenalinspiegel und einen schnelleren Puls. Mach alles 10 - 20 % langsamer als Du eigentlich möchtest. Dann stimmt's für den Zuschauer und Du holst Dich auch selbst wieder "runter". Mein persönlicher Trick: Ich gehe auf die Bühne, kabele mich an und wenn ich fertig bin und anfangen kann, mache ich genau das NICHT. Stattdessen atme ich tief durch und werfe einen ausgedehnten Blick ins Publikum. Dabei schaue ich so vielen Gästen wie möglich ins Gesicht. Dabei denke ich mir "Toll! Die sind alle hier, um mir zuzuhören". Dann sage ich "Hallo. Schön, das ihr da seid." oder etwas ähnlich Kurzes. Dann noch mal einen Blick in die Gesichter, drei oder vier Sekunden (das ist unglaublich lange, wenn man im Rampenlicht steht und das Herz buppert!!). Klappe halten und lächeln und dann ohne lange Erklärung mit der ersten Nummer anfangen. Das wirkt immer. Ich bin dann total ruhig, weil bei diesem Ritual überhaupt nichts schiefgehen kann und ein aufmerksames, offenes Publikum ist mucksmäuschenstill bei der ersten Note! Wenn nicht: Du spielst auf einem Motorradtreffen....
d) Pannen passieren. Jedem Musiker und auf jedem Auftritt. 80% davon bemerkt das Publikum überhaupt nicht. Weitere 10% nur dann, wenn Du sie drauf aufmerksam machst. Und die letzten 10% sind ihnen meist egal - und für dich eine Chance, dazuzulernen (oder gar eine Show draus zu machen - auch Pannen können unterhalten.) Davor musst Du also auch keine Angst haben.
e) Bereite Dich mental vor: Gehe den Auftritt mehrmals im Geiste durch - inklusive möglicher Pannen. Und möglicher Reaktionen. Und stelle Dir vor, dass das Publikum Dir begeistert zujubelt. Und betrachte JEDE Mögliche Gefühlsäusserung als DEINEN Erfolg. Wer buht, langweilt sich wenigstens nicht.

(Aber es ist unheimlich schwer, ein Publikum dazu zu provozieren, das schaffen nur die ganz grossen in der Branche.)
f) Bereite Dich akribisch vor. Überlasse so wenig wie möglich dem Zufall. Plane genau, wie der Auftritt ablaufen soll: DU hast die Kontrolle, wenn Du auf der Bühne stehst. Mache rechtzeitig eine Setlist - lieber etwas zu kurz als etwas zu lang. Plane eine (eine!) Zugabe ein. Lerne die Stücke in der Reihenfolge auswendig. Und nimm trotzdem einen Notenständer mit den Texten auf die Bühne. Das beruhigt ungemein, auch wenn man ihn nicht braucht. Plane auch, was vor, zwischen und nach den Nummern passiert. Und zieh genau das durch. ALLES ist erlaubt, aber weniger ist mehr. Wenn du z.B. zwischen den Nummer keinen Ton sagst, sondern nur ins Publikum schaust und einen Schluck Wasser trinkst (der Harald-Schmidt-Trick), empfindest Du selbst das möglicherweise als quälende Pause. Auf das Publikum wirk das aber völlig ruhig und abgezockt - macht mächtigen Eindruck (.....während Du selbst innerlich vor lauter Nervosität tausend Tode stirbst.

)
Spontaneität ist dann erlaubt, wenn Du abgebrüht genug bist, dein Publikum zu beobachten, während Du auftrittst - dann weisst Du automatisch, was geht. Bis dahin heisst es, Risiken zu vermeiden, um selbst Sicherheit zu gewinnen - Du hast alles im Griff: dann kannst Du auch flexibel sein, wenn es erforderlich ist.
g) Wenn das Publikum applaudiert (und das wird es!!): Geniesse den Applaus und zeige ihnen, dass du ihn geniesst. Bestätige ihnen damit, dass sie einen guten Geschmack haben - dann applaudieren sie immer wieder.
h) Schreibe ein Lied über Dein Lampenfieber und fang den Auftritt damit an.

Das kann nicht mal der desinteressierteste Volldepp ignorieren. Anders als im richtigen Leben werden auf der Bühne Mut und Ehrlichkeit immer belohnt.
Viel Spass!!!