Uli
Mod Emeritus
Oft hört man im Zusammenhang mit Billiggitarren der 60er und frühen 70er Jahre den scherzhaften Begriff 'Hertiecaster', der sich, stellvertretend für alle preiswerten Kauf- und Versandhäuser, aus dem Namen Hertie und der zweiten Worthälfte einiger Fender-Typbezeichnungen '-caster' zusammensetzt.
Ursprünglich als 'Broadcaster' geplant, was eine Assoziation zu weltweiter Ausstrahlung (to broadcast) herstellen sollte, mußte Fender diesen Namen vom Markt nehmen, weil es bereits ein Schlagzeug von Gretsch gab, die diesen Namen geschützt hatten. Fender behielt die zweite Worthälfte, damit der Wechsel nicht zu auffällig war, so entstanden Tele- Strato- und Starcaster.
Die offizielle Bezeichnung 'Hertiecaster' hat es für solche Gitarren also nie gegeben, zumal sie auch erst erfunden wurde, als diese Gitarren längst nicht mehr angeboten wurden. Fakt war aber, daß ebenso, wie der Wunsch nach einer Villa oft im Reihenhaus endet, eben der Wunsch nach einer Stratocaster im Neckermann-Katalog oder der meist recht übersichtlichen Musikabteilung eines Kaufhauses endete.
Nachdem die Beatles Anfang der 60er Jahre einen Boom im E-Gitarrenmarkt ausgelöst hatten, traf es sich zunächst ganz gut, daß deutsche Gitarren auch in England verbreitet waren, denn durch die kurzen Transportwege konnte die englische Importfirma Selmer beispielsweise Höfner-Gitarren recht günstig auf der Insel anbieten und in den Arbeitervierteln von Liverpool, wo der Mersey-Beat erfunden wurde, hatte man nicht viel Geld. Durch die plötzliche Popularität verteuerten sich aber langsam die deutschen Gitarren und es entstand erstmals europäische Konkurrenz aus Holland oder Italien, die aber nur durch den Preis wirklich punkten konnte. Amerikanische Gitarren spielten preislich immernoch in einer anderen Liga, die für den europäischen Durchschnitts-Jugendlichen unerreichbar war.
Plötzlich war auf dem Markt eine ungeheure Nachfrage nach billigen E-Gitarren und das nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, wo die Beatlemania inzwischen angekommen war. In den Staaten hatte man bislang den gesamten Musikmarkt weitgehend selbst bedient, im oberen Preissegment mit Marken wie Gibson, Gretsch und Fender, im unteren Segment mit Harmony, Kay, Supro, Airline oder Danelectro.
Bereits 1960 hatten amerikanische Importeure die ersten Gitarren aus Japan importiert, zunächst in kleineren Stückzahlen, obwohl diese Gitarren zu dem Zeitpunkt noch katastrophal schlecht waren. Diese mangelhafte Qualität lag im Wesentlichen daran, daß es in Japan keine Jahrhunderte alte Tradition an Geigen- und Gitarrenbauern gab wie in Europa oder den USA, wohin etliche europäische Instrumentenbauer ausgewandert waren, weshalb man sich in Japan zunächst darauf verlegte, die Optik westlicher Instrumente zu kopieren, wirkliche Erfahrungen aber nur sehr langsam machen konnte. Ganze Produktionschargen japanischer Gitarren verzogen sich in winterlicher Heizperiode, weil keine abgelagerten Hölzer verwendet worden waren, oder diese nicht verzugskompensierend verleimt worden waren. Durch ungeeignete Leime lösten sich Bindigs und Furniere, In der restlichen Gitarrenwelt selbstverständliche Dinge wie Bundreinheit oder einstellbare Saitenlage waren oft nicht gegeben.
Da in den 60er Jahren japanische Waren in Europa und den USA etwa das Image heutiger China-Billigstware hatten, konnte man Musikinstrumente dort auch nicht unter den echten Namen der Hersteller verkaufen, sondern die Importeure erfanden (meist amerikanisch klingende) Handelsmarken, die sie sich schützen ließen und die bald das gesamte untere Marktsegment beherrschten. Mit über die Jahre steigender Qualität war die Folge davon, daß die amerikanischen Firmen, die dieses Segment bis dahin bedient hatten, spätestens in den 70er Jahren alle vom Markt verschwunden waren.
Auch in Europa suchten die Einkäufer großer Versandhäuser und Kaufhausketten Mitte der 60er Jahre händeringend nach neuen Lieferanten für den Niedrigpreismarkt bei E-Gitarren. Das, was deutsche Hersteller wie Höfner, Framus und Klira für den gebotenen Preis anbieten konnten, sah den Instrumenten der Idole nicht ähnlich genug, das was ihnen ähnlich sah, was zu teuer. Absolute Billigheimer wollte die deutsche Industrie anfangs auch nicht bauen, da man es als rufschädigend und zu Anfang auch nicht für notwendig erachtete.
So bot z.B. die Firma Klira dem Versandhaus Quelle einige Modelle zu günstigeren Konditionen an unter der Maßgabe, daß der Name Klira nicht darauf erscheinen durfte, weshalb die Vertriebsmarke 'Triumphator' gegründet wurde.
In dieser Situation traf es sich für Japan gut, daß deren Hersteller durch die bereits bestehenden Handelsbeziehungen in die USA schon Billiggitarren in Produktion hatten. So konnten bereits vorhandene Modelle auch nach Europa geliefert werden, lediglich die amerikanischen trading brands, die ja den dortigen Importeuren gehörten, fehlten dann. Während der amerikanische und britische Importmarkt überwiegend von einigen wenigen Großimporteuren beherrscht wurde, waren es in Europa zunächst nur einige wenige Einkäufer, denen die japanischen Hersteller bei entsprechender Stückzahl jeden beliebigen Handelsnamen aufdruckten, auf Wunsch auch gar keinen. Der japanische Herstellerstolz bezog sich nämlich nahezu ausschließlich auf das eigene Land, weshalb auf den meisten Gitarren dieser Zeit auch irgendwo (oft auf der Halsplatte) ein Hinweis auf Japan hinterlassen wurde.
Das lag auch daran, daß in kleineren Firmen (in der Hochphase gab es über 200 japanische Gitarren-Hersteller) oft die Instrumente aus etlichen zugelieferten halb fertigen Teilen zusammengebaut wurden, was kaum ein 'selbst hergestellt'-Gefühl aufkommen ließ, bestenfalls ein 'selbst zusammengesetzt'. In den größeren Fabriken verstand man die Produktion ohnehin grundsätzlich als Auftragsarbeit für andere Firmen, die dann als Hersteller auftraten. Als Folge davon kann man heute oft noch Gitarren aus dieser Zeit finden, wovon zwei z.B. einen absolut identischen Body haben, aber einen unterschiedlichen Hals oder andere Hardware, weil dieser Body eben als Rohteil an mehrere Firmen geliefert wurden, die ihn dann mit beliebigen anderen Teilen verheirateten. Vor dem Hintergund wird vielleicht auch klarer, weshalb es nie eine Ibanez- oder Aria-Fabrik gab. Der Mutterkonzern Hoshino hat z.B. zu irgendeiner Zeit bei fast allen großen Herstellern in Japan fertigen lassen, wenn auch überwiegend bei FujiGen, bis man nach Korea ging.
Die den europäischen Bestellungen zugrunde liegenden Marktforschungen hatten ergeben, daß nicht die hochpreisigen amerikanischen Modelle von Gibson oder Fender die Wunschmodelle der Jugendlichen waren, sondern eher die deutschen Flaggschiffe von Framus und Höfner. Das lag zum einen daran, daß amerikanische Gitarren hier gar nicht so bekannt waren und zum anderen an der Tatsache, daß die Idole der 'British Invasion' in den 60ern selten solche Instrumente spielten. Insofern kristallisierte sich als Wunschmodell in etwa ein Nachbau einer Höfner 173 heraus, der zwar möglichst nahe am Original, dabei aber deutlich billiger sein sollte. Den höchsten Herstellugsaufwand erforderten damals die Tonabnehmer, weshalb sie zum Wertmaßstab erhoben wurden: je mehr, desto besser!
Kein Wunder also, daß das Spitzenmodell der unter diesen Vorgaben geborenen Hertiecaster sogar einen Pickup mehr hatte, als ihr Vorbild:
Während es bei den Modellen ab 2 Tonabnehmern meistens auch eien Tremolo-Hebel gab, mußte das absolute Sparmodell, das nur einen Pickup besaß, ohne diesen auskommen. In einer Collage habe ich mal die vier Modelle des amerikanischen Import-Labels 'Heit de Luxe' in eine Reihe gestellt, wobei Nr 2 aus dem Katalog ist.
Wie die meisten Hertiecaster wurden auch diese Heit-Gitarren bei Teisco gefertigt, einer japanischen Firma, die zwar schon seit den 40er Jahren bestand, unter dem Namen Teisco aber erst seit 1964. Als die Firma 1967 vom Kawai-Konzern übernommen wurde, führte man auch dort die Tradition fort, die Gitarren mit jedem beliebigen Namen zu versehen, so lange die bestellte Stückzahl groß genug war. Das war letztlich auch ein Grund, weshalb diese Instrumente überwiegend in Kaufhausketten und Versandhäusern zu finden waren, denn dort waren die georderten Mengen ausreichend, ein kleines Musikhaus konnte keine 500 Gitarren bestellen...
Anfangs war die Skepsis im Westen sehr groß, ob sich für diese billigen Preise überhaupt einigermaßen spielbare Gitarren herstellen ließen. So wurde z.B. auf den meisten Hertiecaster-Gitarren damit geworben, daß man einen Halsspannstab verwendete, was für westdeutsche Hersteller dieser Zeit längst selbstverständlich war. Gelegentlich hört man davon, daß sich bei zerlegten Japan-Veteranen aus dieser Zeit der vermeintliche Spannstab allerdings als wirkungslose eingelegte Eisenstange herausstellte, gesehen habe ich das noch nicht. Immerhin ging man aber nach einiger Zeit dazu über, den Aufdruck 'steel reinforced neck' (Stahl verstärkter Hals) durch das groß geschriebene Wort 'adjustable' (einstellbarer) zu ergänzen.
Dagegen gibt es zahlreiche Qualitätsunterschiede, die sich unmittelbar nachweisen lassen, wenngleich sich auch die Qualität der Hertiecaster untereinander noch unterschied, vor allem über die wenigen Jahre gesehen, in denen sie gebaut wurde! Mit zunehmender Konkurrenz und Preisdruck wurde die Herstellung billiger, es stieg aber auch die Erfahrung bei den Herstellern, daher war alles möglich von 'gut spielbar' bis 'nicht zu gebrauchen'.
Body:
Sehr häufig aus Sperrholz (dann mit Boden- und Deckenfurnier), oft aber auch aus einfachen Hölzern wie Erle bzw ihren asiatischen Verwandten. Um die verwendung von Sperrholz mit Blick auf die Zarge nicht offensichtlich zu machen, war die überwiegende Lackierung der Hertiecaster Gitarre ein dunkles Sunburst, außen grundsätzlich schwarz. Angeblich wurden später auch Modelle in deckenden Farben wie rot und weiß geliefert, die ich aber nicht mehr der Kategorie Hertiecaster zuordnen würde. Die Form war überwiegend Strat-ähnlich, gelegentlich mit einer Variante der Hauptrundung (nachstehendes Bild rechts) , auch Formen, die von der Fender Jaguar 'inspiriert' waren, kamen vor, vielleicht weil Framus diese bereits erfolgreich mit ihren Strato-Modellen kopiert hatte. Das Pickguard war überwiegend tortoise oder schwarz, ganz selten auch weiß. Das Bild links zeigt die inneren Schnittflächen, an denen das Sperrholz zu erkennen ist (außen war es ja schwarz deckend lackiert).
Hals:
Für die Hälse wurden alle möglichen im weitesten Sinne zur Kategorie Hartholz gehörenden Hölzer verwendet. Auf dem Höhepunkt des Preisdrucks (und gleichzeitigem Tiefstand der Qualität) wurden auch Leimholz- bzw Schichtholzstäbe verwendet und als Griffbrett nur ein Furnier aufgeleimt. Schichtholz-Hälse wurde zwar auch z.B. von Framus für einige Gitarrenserien verwendet, allerdings wurden dort nicht nur einfach 'Sperrholzbalken' zusammengeklebt, sondern ausgesuchte und abgelagerte Hartholzstreifen gegeneinander verzugskompensierend verleimt.
Kopfplatte:
Fast immer Fender-ähnlich, meist mit Saitenniederhalter, der nur aus einem verchromten Stahldraht bestand, dessen Enden auf der Rückseite der Kopfplatte verschraubt waren. Da bei den meisten japanischen Gitarren dieser Generation der Spannstab (sofern vorhanden) von der Korpusseite aus eingestellt werden mußte, klebte oft an der Stelle der sonst üblichen Abdeckung an der Kopfplatte ein Aufkleber, der auf den Stahl-verstärkten Hals hinwies.
Die häufigste Halsstab-Variante wurde nicht an der Kopfplatte, sondern mittels einer Lochmutter am Korpus eingestellt, was gelegentlich noch heute (z.B. bei Yamaha) praktiziert wird.
...........................Wegen des begrenzten Bilder uploads geht es im nächsten Post weiter...
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