[Zubehör] Anfertigung eines Tragegurtes für sehr schwere (Bass-)Gitarren

Uli
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Grund des Projektes
Da wir im Repertoire zunehmend Stücke covern, die im Original mit 12saitiger Gitarre eingespielt wurden, mir aber das dauernde Wechseln der Gitarre lästig war, habe ich mir eine 6/12er Doubleneck zugelegt. Obwohl es eine Hollowbody ist, wiegt sie deutlich mehr als alle anderen Gitarren und Bässe in meinem Besitz und aufgrund der Korpusbreite passen die vorhandenen Gurte der anderen Instrumente nicht ohne weiteres. Sie müßten beim Wechsel ständig umgestellt werden, allerdings hinterlassen sie selbst dabei noch den Eindruck, als seien sie an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Da mir die auf dem Markt befindlichen Gurte entweder zu teuer, nicht breit genug oder wegen geschlitzter Gurtpin-Lochung ungeeignet waren (Security-Locks), habe ich mich entschlossen, mir einen Gurt selbst zu fertigen, der meine Ansprüche erfüllt:

Weiches, aber nicht zu dehnbares Material
so breit wie die gesamte Schulter
absolut reißfest
zufriedenstellende Optik

Im Zuge der Anfertigung sind einige Bilder entstanden, die ich blockweise zu je 4 Bildern/Datei anhänge.

Da ich diesen Gurt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nur an dieser einen Doubleneck-Gitarre verwenden werde, erscheint mir eine Längenverstellbarkeit des Gurtes unnötig, die optimale Länge habe ich in wochenlangen Tests mit anderen Gurten bereits herausgefunden und wachsen werde ich wahrscheinlich auch nicht mehr. Wer sich von den eventuellen Interessenten dennoch für einen verstellbaren Gurt entscheidet, sei auf das Ende dieses Artikels verwiesen, wo ich eine Verstellmöglichkeit beschreibe, die ohne zusätzliche (Metall)teile auskommt.

Materialauswahl
Obwohl es bei Gitarrengurten auch Exoten für Showzwecke gibt, die mit Metallgurten (aus Scharnieren oder Kettengliedern), allen Varianten von Kunststoffgurten von knallbunt bis LED-bestückt oder selbst bestickten Häkelkunstwerken signalisieren wollen, daß hier keineswegs ein 'normaler' Gitarrist steht, habe ich mich für simples Leder entschieden, da es mir der beste Kompromiß bezüglich Haltbarkeit, Bearbeitbarkeit und Erfüllung meiner obigen Bedingungen zu sein scheint. Nun weiß allerdings jeder, daß auch Leder nicht gleich Leder ist, das Spektrum ist alleine bei Bekleidung schon riesig zwischen Skinhead-Stiefel und Nappa-Handschuh.

Eine geeignete Branche scheint mir die Möbelindustrie zu sein, die als Bezugsmaterial häufig Leder einsetzt, das zwar strapazierfähig, aber dennoch geschmeidig ist. Hier fallen immer Reststücke an, die zwar für eine Couch zu klein sind, aber immer noch groß genug für mein DIY-Projekt.

Nach einigen Versuchen stellt sich heraus, daß das entscheidende ebay-Suchwort 'Dickleder' heißt. Angeboten werden unterschiedliche Stücke, sowohl in Dicke, Farbe und Abmessungen. Während ich bei der Farbe noch relativ flexibel bin, lege ich die Mindest-Dicke auf rund 2mm fest und die Größe so, daß die längste Ausdehnung die gewünschte Gesamtlänge meines Gurtes hergibt, um nicht anstückeln zu müssen. Ich bekomme in einer der zahlreichen Auktionen für 15,50€ ein mir passend erscheinendes Stück mit den Abmessungen 145x70cm, also selbst ausreichend für mehrere Gurte (Bilder 1-3).

Vorüberlegungen
Die erste Überlegung ist bei einem einteiligen Gurt: wie breit und wie lang? Wie bereits oben erwähnt, ist die sinnvollste Variante zur Feststellung der 'richtigen' Länge das Austesten mit einem vorhandenen verstellbaren Gurt (Bild 4). Idealerweise nicht nur 'mal eben' sondern für einen längeren Zeitraum, vielleicht sogar einen ganzen Gig, denn manchmal stellt sich erst nach einer Stunde heraus, daß die Position der (Bass)-Gitarre doch eine Stufe höher/niedriger angenehmer ist. Entscheidend ist für die Messung, bei der tatsächlich Zentimeter über die optimale Verwendbarkeit entscheiden, nicht die Gesamtlänge, sondern der Abstand der Pinholes bzw. der Lock-Schlösser. Dieses Maß variiert sowohl in Abhängigkeit von der Physiognomie (speziell der Statur) des Spielers als natürlich auch von der Art des verwendeten Instrumentes. Für meine Doubleneck erweist sich ein Pin-to-Pin-Abstand von 115cm als ideal, die Breite lege ich auf 14,5cm fest, nachdem ich die Optik vor dem Spiegel mit einem gefalteten Handtuch überprüft habe.

Werkzeug
Es ist ganz nützlich, vor dem Beginn der eigentlichen Arbeiten zunächst mal das erforderliche Werkzeug zusammenzusuchen. Die wesentlichen Dinge sind im Bild 5 festgehalten: Tapeten- oder Teppichschiene, Teppichmesser, Stift zum Anzeichnen, Locheisen zum Ausstanzen des Lochs für die Security-Locks, ggfls. Nadel und Nähleinen. Nicht abgebildet sind Klebstoff (Pattex o.ä.), Hammer, 13er Schüssel (falls Security-Locks) und Metermaß. Wem das Schneiden mit dem Teppichmesser zu mühsam ist, der kann alternativ auch eine gute (ebenfalls abgebildete) Stoff-Schere versuchen, diese muß dann aber wirklich was taugen. In letzterem Falle wird die Schnittlinie auf jeden Fall angezeichnet, bei der Version mit Teppichmesser kann dies entfallen, wenn das Leder und die Schiene rutschsicher auf dem Untergrung fixiert sind.

Zuschnitt

Als erstes wird die bestgeeignete Seite der Lederhaut ausgesucht und deren Kante begradigt (Bild 6). Wer einen sehr individuellen Gurt anfertigen will, kann diesen Schritt evtl. auch weglassen, denn die unbegradigte Kante mit ihren diversen Fixierlöchern von der Gerberei hat auch einen gewissen Charme.
Ich jedenfalls entscheide mich für gerade Kanten und greife daher zur Teppichschiene. Als idealer Untergrund erweist sich mein Terrassenboden, da sich die Rillen der Bretter wie der Parallel-Linien eines Geo-Dreiecks verwenden lassen und ich daher die gewünschte Breite nur auf einer Seite ausmessen muß. Außerdem kann ich die Schnittlinie so positionieren, daß sie genau zwischen zwei Brettern liegt und das Messer so nicht den Untergrund beschädigen kann.
Das Leder erweist sich als unerwartet zäher Gegner und obwohl ich eine neue Klinge ins Messer eingelegt habe, ist es kaum zu schaffen, weshalb ich nach einer Viertelstunde aufgebe und mit der Schneiderschere weiterarbeite. Da das Messer allerdings schon einen recht tiefen Schnitt erzeugt hat, geht der Rest mit der Schere jetzt sehr schnell.
Nachdem der Gurt so auf die gewünschte Breite vorgeschnitten ist, gilt es, die Verjüngungen für die Gurtenden herzustellen. Zum einen sähe der Gurt etwas eigenartig aus, wenn die Enden nicht spitz zulaufen würden und zum anderen würde er ohne Enden Falten ziehen, sowie er belastet würde, was auch nicht gerade wünschenswert ist.
Die Form der Enden braucht man nur an einem Schenkel eines der Enden festzulegen, der Rest läßt sich komplett geometrisch spiegeln (siehe Skizze Bild 7). Die erste Hälfte längs falten und die Umrisse auf die andere Hälfte übertragen, wodurch diese symmetrisch wird (Bild 8). Ist dieses eine Ende fertig ausgeschnitten, wird es durch erneute Faltung komplett auf das andere Ende übertragen, wodurch man zwei exakt gleiche Enden erhält.
Je nach Werzeug erscheinen die Schnittkanten des jetzt fertig ausgeschnittenen Gurtes etwas wellig (gerade bei Verwendung einer Schere), hier und da kann auch noch der Strich des Stiftes zu sehen sein. Das ist unkritisch, denn die Kanten werden ganz am Schluß, wenn praktisch alles fertig ist, nochmal mit Schleifpapier begradigt.

Endverstärkungen

Um einerseits der schon angesprochenen gewichtsbedingten Faltungsneigung des Leders entgegenzuwirken und andererseits ein Ein- oder gar Ausreißen der (Knopf)löcher zu verhindern, sollten die Gurtenden verstärkt werden. Auf der Seite des Saitenhalters (Tailpiece) kann diese Verstärkung relativ klein ausfallen, da hier durch die Zargenkante der Gitarre, an die der Gurt anliegt, keine Faltungsneigung des Gurtes zu erwarten ist. Ich beginne daher mit diesem kleineren Verstärkungsstück, indem ich die Umrisse des Gurtendes auf ein Leder-Reststück übertrage und dieses Ausschneide (Bild 9). Die Lederenden werden mit einem Kontaktklebstoff (Pattex etc) eingestrichen (Bild 10) und nach ausreichender Ablüftungszeit (ca. 10-15min) kongruent aufeinandergepresst. Das Aneinanderfügen muß sehr sorgfältig geschehen, da eine Korrektur nicht mehr möglich ist, wenn der Kleber gefaßt hat. Bei Kontaktklebstoffen gilt: nicht die Länge des Druckes entscheidet, sondern die Höhe. Um ein späteres Ablösen der Verklebungen zu verhindern, sollen die Ränder noch zusätzlich vernäht werden. Leider bin ich auf diesem Gebiet völliger Laie und muß daher erst einmal feststellen, daß mit keiner Nadel in das Leder zu kommen ist, selbst nicht unter Zuhilfenahme einer Zange. Nach etlichen Versuchen entschließe ich mich daher, die Naht mit einer Reißnadel vorzulochen (Bild 11). Einfach ist das Nähen jetzt immer noch nicht, aber es geht zumindest (Bild 12).

Lochung

Die Löcher für Gurtpin oder Locks dürfen nicht einfach gebohrt werden, sondern müssen ausgestanzt werden. Für kleinere Loch-Durchmesser (Gürtel etc) tut es da meist eine Revolver-Lochzange, hier sind jedoch größere Ausstanzungen gefragt, weshalb man am einfachsten zu einem passenden Locheisen geift. Was 'passend' ist, richtet sich u.a. danach, ob eine einfache Gurtpin-befestigung geplant ist oder die Anbringung eines Sicherheitssystems (Schaller, Dunlop, Boston etc). Idealerweise mißt man mit einer Schieblehre die dünnste Stelle des Gurtpins oder aber den Gewindedurchmesser der Lock-Befestigung. Die Lochstanze sollte genauso groß oder minimal kleiner sein (da sich das Leder noch etwas dehnt) aber keinesfalls größer (Bild 13). Mit einem Stück Holz als Unterlage und einem Hammer wird das Loch dann angefertigt, was mehr Arbeit ist, als die Bilder vermuten lassen (Bild 14). Werden Locks eingesetzt, so halte ich es für sinnvoll, diese mit einem Tropfen Klebstoff gegen Verdrehen zu sichern, falls später die Mutter einmal aufgehen sollte. Das Schloß im Bild 15 wird jetzt um 90° nach rechts gedreht, so daß der Kleber nicht mehr zu sehen ist.

Varianten und Alternativen
Da mir die Plackerei mit dem Vorstanzen und Nähen deutlich zu viel war, ich aber am neckseitigen Ende des Gurtes eine noch größere Verstärkung anbringen will, muß eine andere Lösung her, zumal meine erste Naht zwar haltbar scheint, aber weder professionell noch schön aussieht. Um das Ausschneiden und Kleben des zweiten Verstärkungsdreiecks werde ich wohl nicht drum herum kommen, aber das Nähen könnte man doch outsourcen? Früher war der passende Profi dafür der Schuster, der heute fast ausgestorben ist. Quasi die China-Version davon heißt Mr.Minit und steht im Kaufhof in einer Ecke, wo ich auch schon mal eine Nähmaschine gesehen zu haben glaube. Während ich mit dünnem Filzstift die gewünschten Nähte vorzeichne, kommt mir die Idee für eine Aufbewahrungsmöglichkeit für Plektren etc. Das Ergebnis sieht man in Bild 16, Mr.Minit hat es zwar nicht 'in a minute', aber immerhin bis zum nächsten Tag erledigt und 8€ dafür genommen.

Verstellmöglichkeit
Wer die eingangs erwähnte Längenverstellung des Gurtes für notwendig erachtet, der kann die Technik des in Bild 4 gezeigten Mustergurtes kopieren. Wesentliches Element ist der im breiten Hauptgurt laufende schmälere Streifen, dessen Ende kreisförmig ausgebildet ist (Bild 17). In Bild 18 sind die dafür erforderlichen Langlöcher zu sehen, deren Enden man z.B. mit einer schmalen Lochstanze vorfertigen kann, damit sie rund werden. Es ist sicher relativ viel Arbeit, weshalb man überlegen sollte, ob man sich nicht alternativ einen weiteren Gurt für die andere Gitarre macht, zumal Security-Locks kaum durch die Langlöcher passen dürften (Bild 19), weshalb eine dauerhafte Verstellbarkeit auch mit dieser Mehtode nicht gegeben ist.

Schlußbetrachtung
Der Gurt war sehr preiswert, aber es war einiges an Arbeit. Die Option mit den Plektrums-Täschchen nutze ich tatsächlich (Bild 20). Aufgrund der extrem breiten Lederfläche könnte man den Gurt zumindest frontseitig noch etwas verzieren (Branding), aber das wird dann ein anderer Thread ;).
 
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Sieht wirklich sehr schön aus! :)
Passt auch gut zur Gitarre!

Gruß
Dime!
 
Sehr informativ, klasse Idee, auch wunderbar bebildert. Wenn das mal keine Karmapünktchen wert ist.

Habe den Beitrag wunschgemäß ins "FAQ/Workshop"-Forum verschoben.
 
Kleiner Nachtrag: Bei der Eröffnung eines hiesigen Baumarktes habe ich ein neues Werkzeug erstanden, das für umfänglichere Lederarbeiten wie geschaffen ist. Da es jedoch fast 40€ kostet, lohnt es sich wahrscheinlich nur, wenn man es öfter nutzen kann. Es geht auch durch das sog. 'Dickleder' durch wie ein heißes Messer durch die Butter und wenn ich an die Plackerei mit der Stoffschere denke, bekomme ich glatt einen Motivationsschub für die nächste Lederarbeit. ;)
 

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