Rickenslayer
Registrierter Benutzer
@Mods: Das sollte wohl eher bei FAQ/Workshop rein, aber da kann ich nichts posten. Bitte passend verschieben
Liebe Basser und "Rickenbacker-Interessierte",
aus gegebenem Anlass möchte ich Euch die Thematik - oder nennen wir es besser Problematik - der Rickenbacker
Spannstäbe des alten Standards vorstellen. Dies betrifft damit die Bässe bis Baujahr 9/1984. Grundsätzlich kann man
sagen, dass damit die Instrumente der Modellreihe 4001 (Achtung, NICHT 4001V63 und 4001C64) betroffen sind.
Danach wurde das System geändert, ist seither brauchbar und im wesentlichen das, was man auch bei anderen
Herstellern von Bässen findet. Für mehr Details dazu schaut Euch bitte den link 1: am Ende dieses postings an.
Vorgeschichte:
Vor zwei Jahren stiess ich auf ein Angebot eines 4001Fl (Fretless). Die Geschichte war zu gut, um wahr zu sein!
Ein junger Mann kauft sich Anfang 1981 einen Bass, um das Spiel desselben zu erlernen. Macht es aber dann nicht.
Der Bass kommt in seinen Koffer und wandert in einen Schrank. Dort bleibt er sagenhafte 30 Jahre - unbenutzt!
Dann entscheidet der (inzwischen nicht mehr ganz so junge) Mann, den Bass zu verkaufen. Da er ein korrekter
Mensch ist, beschliesst er, den Bass vorher noch "vom Fachmann" durchchecken zu lassen. Leider, möchte ich
hinzufügen
Ich habe den Bass also gekauft, obwohl ich mir bewusst war, dass 4001er grauenhafte Fehlgriffe sein können.
Er sah sehr gut aus, Setup war nicht wirklich perfekt, aber akzeptabel.
So gut wie kein "Fachmann" (in Europa) scheint zu wissen, wie diese Bässe eingestellt werden müssen. Macht
man es falsch, ist der Schaden maximal und es geht extrem ins Geld. So einen Fall haben wir auch hier.
Die Anatomie der 4001er Spannstäbe:
Wie ein "normaler" Spannstab funktioniert, soll hier nicht weiter behandelt werden. Wer es nicht weiss, liest
hier im Forum nach oder den Artikel bei Wikipedia.
Aus irgendwelchen Gründen wusste man es bei Rickenbacker aber besser und hat ein anderes System eingesetzt
(bis 9/1984). Dieses System ist so sackdämlich (sorry), dass man es nicht für möglich halten sollte. Aber
gut, nicht zu ändern.
Die Spannstäbe sind aus (sehr) weichem Stahl mit rechteckigem Querschnitt. Etwa in der Hälfte sind die Stäbe
eng gefaltet, so dass die beiden Hälften aufeinander liegen. Auf der Innenseite ist eine Art Klebeband aufgeklebt.
Ein Ende des Stabes ist etwas länger, dort ist ein Gewinde hinein geschnitten. Allerdings nicht "ringsum", sondern
primär an den Kanten. Es ergibt sich also ein Art halbrundes Gewinde (siehe Foto weiter unten).
Das andere (kürzere) Ende des Spannstabes ist leicht abgeschrägt, das auf dem anderen Ende aufliegende Teil ist
dabei länger, so dass sich im Schnitt eine Art Nase bildet.
Die beiden Spannstäbe eines 4001 werden von einer Seite (in diesem Fall von vorne, also Kopfplatte) in den Hals
gesteckt. Sie sind also nicht verankert, sondern stecken zuerst mal nur lose im Hals.
Die Funktionsweise der 4001er Spannstäbe:
Das längere Ende (also das mit dem Gewinde) wird durch einen Aluminium-Block (den sog. truss-rod spacer) gesteckt.
Das kürzere Ende passt nicht durch das Loch, wird also vom Alu-Block gesperrt. Durch die Abschrägung "gräbt" sich
dieses Ende etwas in das Loch im Block, kann also nicht mehr nach oben abrutschen.
Dreht man nun an der Mutter, wird das Ende mit dem Gewinde angezogen (roter Pfeil), das andere Ende kann aber
nicht mit (grüner Pfeil). Der Stab spreizt sich auseinander (blauer Pfeil).
Damit funktionieren die Spannstäbe, was ihre Wirkung betrifft, schlussendlich genau wie bei "normalen" Bässen.
Der Stab zwingt den Hals in eine bestimmte Form.
Was ist also nun das Problem?
Davon gibt es mehrere!
1) Die Spannstäbe sind (wie oben erwähnt) aus sehr weichem Material. Sie sind nicht dazu gedacht, den Hals "in
Form zu biegen", wie es bei sonst wohl allen anderen Bässen der Fall ist. Stattdessen muss der Hals von Hand
vorgebogen werden. Sobald die gewünschte Krümmung erreicht ist, werden die Muttern nur "handfest" angezogen.
Sie halten dann den Hals in der gewünschten Form, vermögen aber NICHT, ihn selbst zu biegen! Das gilt übrigens
auch, wenn man die Halsspannung verringern möchte! Zuerst den Hals noch weiter biegen, damit die Muttern der
Spannstäbe wieder locker sitzen. Erst dann dürfen die Muttern aufgedreht werden!
2) Die Kraft der gespreizten Stäbe wirkt voll in Richtung des aufgeleimten Griffbretts. Zu viel Spreizung und
das Griffbrett löst sich ab. Dann wird's so richtig teuer
3) Wer sich nicht an die unter 1) erwähnt Prozedur hält, zerstört die Spannstäbe. Und genau das ist bei meinem
Bass passiert. Warum das so ist, erkläre ich im folgenden Abschnitt.
Warum genau zerstört eine falsche Vorgehensweise die Spannstäbe?
Wie gerade erklärt, darf man nicht versuchen, mit den Muttern allein die Spannung des Halses zu verändern. Aber
selbst, wenn man das beachtet, kann man einen 4001er kaputt machen. Wieder schlägt hier die (IMO) Fehlkonstruktion
der Spannstäbe zu. Nach ein paar Jahrzehnten verlieren die Spannstäbe ihre Krümmung. Ohne diese Krümmung
funktionieren sie aber nicht mehr. Nur, wenn eine gewisse Krümmung vorhanden ist, kann die Spreizung der beiden
Stabhälften mechanisch erzeugt werden. Nach ein paar Jahrzehnten sind die Stäbe aber pfeilgerade geworden. Wenn
man jetzt an der Mutter (zu-)dreht, wird lediglich am längeren Stabende gezogen, der andere Teil des Stabes wird
dabei komprimiert (die Kraft wirkt quasi senkrecht auf den Stab). Er kann nicht "nach oben weg".
Durch das extrem weiche Material verdreht sich dann der Gewinde-Teil des Stabes und reisst schliesslich ab.
Dafür braucht es übrigens gar nicht viel Kraft!
Mein 4001FL und wie er gerettet wurde:
Genau das soeben beschriebene ist bei meinem Bass passiert. Der "Fachmann" hat so stark gedreht, dass das Gewinde
zum einen stark beschädigt und zum anderen verdreht war.
Diese Spannstäbe sind nicht mehr zu gebrauchen, keine Chance. Das ist nun in den USA kein Beinbruch, denn die
Spannstäbe sind etwas länger als nötig. Man kann beide Ende absägen, ein neues Gewinde schneiden, die Stäbe
wieder "vorbiegen" und alles ist gut. Nur - das Gewinde und die Muttern sind "zöllig" und ich habe natürlich nur
metrisches Werkzeug. Entsprechendes Werkzeug hätte ich erst kaufen müssen und das Material der Spannstäbe wäre
immer noch gleich besch..... wie zuvor.
Natürlich hat Rickenbacker von Kundenservice noch nie etwas gehört. Ersatz-Spannstäbe dieser Bauart werden nicht
angeboten. Sensationell!
Es gibt allerdings in England einen Händler (link 2: siehe am Ende des Artikel), welcher einen kompletten Satz
Spannstäbe anbietet. Diese sind aus deutlich besserem Material gefertigt als die Originale. Und sauteuer.
Trotzdem habe ich mich für diese Variante entschieden.
Nach Erhalt dieser Spannstäbe habe ich meinen Bass wunderbar einstellen können (Prozedur wie oben, versteht sich)
und er klingt sagenhaft!
Fazit:
Ein 4001er ist cool! Aber leider - und ich bin grosser Fan dieser Instrumente - taugen sie nichts! Nicht nur die
Einstellprozedur ist mühsam, auch die möglichen Probleme sind vielfältig. EIN MAL falsch Hand angelegt und die
Spannstäbe sind kaputt. Wer einen Rickenbacker will, sollte einen 4003er (oder einen der völlig unterschätzten
4004er) kaufen. Damit gibt es keine Probleme bzw. nicht mehr als mit Bässen anderer Hersteller.
Ich hoffe, dieser Beitrag war informativ und hilfreich. Falls Ihr Fragen zum Thema habe, könnt Ihr mich
selbstverständlich jederzeit kontaktieren.
Gruss,
der Rickenslayer
Links:
1: generelle Info zum Setup
2: Ersatz-Spannstäbe in guter Qualität € d'averc: nicht mehr verfügbar: ->#8
Liebe Basser und "Rickenbacker-Interessierte",
aus gegebenem Anlass möchte ich Euch die Thematik - oder nennen wir es besser Problematik - der Rickenbacker
Spannstäbe des alten Standards vorstellen. Dies betrifft damit die Bässe bis Baujahr 9/1984. Grundsätzlich kann man
sagen, dass damit die Instrumente der Modellreihe 4001 (Achtung, NICHT 4001V63 und 4001C64) betroffen sind.
Danach wurde das System geändert, ist seither brauchbar und im wesentlichen das, was man auch bei anderen
Herstellern von Bässen findet. Für mehr Details dazu schaut Euch bitte den link 1: am Ende dieses postings an.
Vorgeschichte:
Vor zwei Jahren stiess ich auf ein Angebot eines 4001Fl (Fretless). Die Geschichte war zu gut, um wahr zu sein!
Ein junger Mann kauft sich Anfang 1981 einen Bass, um das Spiel desselben zu erlernen. Macht es aber dann nicht.
Der Bass kommt in seinen Koffer und wandert in einen Schrank. Dort bleibt er sagenhafte 30 Jahre - unbenutzt!
Dann entscheidet der (inzwischen nicht mehr ganz so junge) Mann, den Bass zu verkaufen. Da er ein korrekter
Mensch ist, beschliesst er, den Bass vorher noch "vom Fachmann" durchchecken zu lassen. Leider, möchte ich
hinzufügen
Ich habe den Bass also gekauft, obwohl ich mir bewusst war, dass 4001er grauenhafte Fehlgriffe sein können.
Er sah sehr gut aus, Setup war nicht wirklich perfekt, aber akzeptabel.
So gut wie kein "Fachmann" (in Europa) scheint zu wissen, wie diese Bässe eingestellt werden müssen. Macht
man es falsch, ist der Schaden maximal und es geht extrem ins Geld. So einen Fall haben wir auch hier.
Die Anatomie der 4001er Spannstäbe:
Wie ein "normaler" Spannstab funktioniert, soll hier nicht weiter behandelt werden. Wer es nicht weiss, liest
hier im Forum nach oder den Artikel bei Wikipedia.
Aus irgendwelchen Gründen wusste man es bei Rickenbacker aber besser und hat ein anderes System eingesetzt
(bis 9/1984). Dieses System ist so sackdämlich (sorry), dass man es nicht für möglich halten sollte. Aber
gut, nicht zu ändern.
Die Spannstäbe sind aus (sehr) weichem Stahl mit rechteckigem Querschnitt. Etwa in der Hälfte sind die Stäbe
eng gefaltet, so dass die beiden Hälften aufeinander liegen. Auf der Innenseite ist eine Art Klebeband aufgeklebt.
Ein Ende des Stabes ist etwas länger, dort ist ein Gewinde hinein geschnitten. Allerdings nicht "ringsum", sondern
primär an den Kanten. Es ergibt sich also ein Art halbrundes Gewinde (siehe Foto weiter unten).
Das andere (kürzere) Ende des Spannstabes ist leicht abgeschrägt, das auf dem anderen Ende aufliegende Teil ist
dabei länger, so dass sich im Schnitt eine Art Nase bildet.
Die beiden Spannstäbe eines 4001 werden von einer Seite (in diesem Fall von vorne, also Kopfplatte) in den Hals
gesteckt. Sie sind also nicht verankert, sondern stecken zuerst mal nur lose im Hals.
Die Funktionsweise der 4001er Spannstäbe:
Das längere Ende (also das mit dem Gewinde) wird durch einen Aluminium-Block (den sog. truss-rod spacer) gesteckt.
Das kürzere Ende passt nicht durch das Loch, wird also vom Alu-Block gesperrt. Durch die Abschrägung "gräbt" sich
dieses Ende etwas in das Loch im Block, kann also nicht mehr nach oben abrutschen.
Dreht man nun an der Mutter, wird das Ende mit dem Gewinde angezogen (roter Pfeil), das andere Ende kann aber
nicht mit (grüner Pfeil). Der Stab spreizt sich auseinander (blauer Pfeil).
Damit funktionieren die Spannstäbe, was ihre Wirkung betrifft, schlussendlich genau wie bei "normalen" Bässen.
Der Stab zwingt den Hals in eine bestimmte Form.
Was ist also nun das Problem?
Davon gibt es mehrere!
1) Die Spannstäbe sind (wie oben erwähnt) aus sehr weichem Material. Sie sind nicht dazu gedacht, den Hals "in
Form zu biegen", wie es bei sonst wohl allen anderen Bässen der Fall ist. Stattdessen muss der Hals von Hand
vorgebogen werden. Sobald die gewünschte Krümmung erreicht ist, werden die Muttern nur "handfest" angezogen.
Sie halten dann den Hals in der gewünschten Form, vermögen aber NICHT, ihn selbst zu biegen! Das gilt übrigens
auch, wenn man die Halsspannung verringern möchte! Zuerst den Hals noch weiter biegen, damit die Muttern der
Spannstäbe wieder locker sitzen. Erst dann dürfen die Muttern aufgedreht werden!
2) Die Kraft der gespreizten Stäbe wirkt voll in Richtung des aufgeleimten Griffbretts. Zu viel Spreizung und
das Griffbrett löst sich ab. Dann wird's so richtig teuer
3) Wer sich nicht an die unter 1) erwähnt Prozedur hält, zerstört die Spannstäbe. Und genau das ist bei meinem
Bass passiert. Warum das so ist, erkläre ich im folgenden Abschnitt.
Warum genau zerstört eine falsche Vorgehensweise die Spannstäbe?
Wie gerade erklärt, darf man nicht versuchen, mit den Muttern allein die Spannung des Halses zu verändern. Aber
selbst, wenn man das beachtet, kann man einen 4001er kaputt machen. Wieder schlägt hier die (IMO) Fehlkonstruktion
der Spannstäbe zu. Nach ein paar Jahrzehnten verlieren die Spannstäbe ihre Krümmung. Ohne diese Krümmung
funktionieren sie aber nicht mehr. Nur, wenn eine gewisse Krümmung vorhanden ist, kann die Spreizung der beiden
Stabhälften mechanisch erzeugt werden. Nach ein paar Jahrzehnten sind die Stäbe aber pfeilgerade geworden. Wenn
man jetzt an der Mutter (zu-)dreht, wird lediglich am längeren Stabende gezogen, der andere Teil des Stabes wird
dabei komprimiert (die Kraft wirkt quasi senkrecht auf den Stab). Er kann nicht "nach oben weg".
Durch das extrem weiche Material verdreht sich dann der Gewinde-Teil des Stabes und reisst schliesslich ab.
Dafür braucht es übrigens gar nicht viel Kraft!
Mein 4001FL und wie er gerettet wurde:
Genau das soeben beschriebene ist bei meinem Bass passiert. Der "Fachmann" hat so stark gedreht, dass das Gewinde
zum einen stark beschädigt und zum anderen verdreht war.
Diese Spannstäbe sind nicht mehr zu gebrauchen, keine Chance. Das ist nun in den USA kein Beinbruch, denn die
Spannstäbe sind etwas länger als nötig. Man kann beide Ende absägen, ein neues Gewinde schneiden, die Stäbe
wieder "vorbiegen" und alles ist gut. Nur - das Gewinde und die Muttern sind "zöllig" und ich habe natürlich nur
metrisches Werkzeug. Entsprechendes Werkzeug hätte ich erst kaufen müssen und das Material der Spannstäbe wäre
immer noch gleich besch..... wie zuvor.
Natürlich hat Rickenbacker von Kundenservice noch nie etwas gehört. Ersatz-Spannstäbe dieser Bauart werden nicht
angeboten. Sensationell!
Es gibt allerdings in England einen Händler (link 2: siehe am Ende des Artikel), welcher einen kompletten Satz
Spannstäbe anbietet. Diese sind aus deutlich besserem Material gefertigt als die Originale. Und sauteuer.
Trotzdem habe ich mich für diese Variante entschieden.
Nach Erhalt dieser Spannstäbe habe ich meinen Bass wunderbar einstellen können (Prozedur wie oben, versteht sich)
und er klingt sagenhaft!
Fazit:
Ein 4001er ist cool! Aber leider - und ich bin grosser Fan dieser Instrumente - taugen sie nichts! Nicht nur die
Einstellprozedur ist mühsam, auch die möglichen Probleme sind vielfältig. EIN MAL falsch Hand angelegt und die
Spannstäbe sind kaputt. Wer einen Rickenbacker will, sollte einen 4003er (oder einen der völlig unterschätzten
4004er) kaufen. Damit gibt es keine Probleme bzw. nicht mehr als mit Bässen anderer Hersteller.
Ich hoffe, dieser Beitrag war informativ und hilfreich. Falls Ihr Fragen zum Thema habe, könnt Ihr mich
selbstverständlich jederzeit kontaktieren.
Gruss,
der Rickenslayer
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1: generelle Info zum Setup
2: Ersatz-Spannstäbe in guter Qualität € d'averc: nicht mehr verfügbar: ->#8
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