A
AK
HCA Bass/Elektronik
11.01.2012 Aktualisierung von verlinkten Schaltplänen und Bauteilwerten im Text
Workshop - Bass Amuser
Teil 1 - Theorie und Schaltungstechnik
Vorab: es gab wohl noch zu keinem Elektronik-Projekt im Musikerboard so viele Anregungen und Wünsche - das kann man auch an dem mittlerweile auf über 200 Posts angewachsenen Thread dazu nachvollziehen.
Generell ist das jetzt entstandene Gerät wohl ein Kompromiss zwischen Baubarkeit und möglichen Features.
Vermutlich wird der Bass Amuser eher weniger Nachbauer finden als das Vorgängerprojekt Chaos Fuzz. Das liegt vor allem an dem generell höheren Aufwand und an der für Viele abschreckenden Wirkung von Röhren.
Der Prototyp des Bass-Amusers wurde von Ulrich (Elkulk) nachgebaut und mit ihm zusammen entstanden auch die zahlreichen Versuchsvarianten und letztlich die finale Version. Von ihm wird auch die Lochrasterrealisierung vorgestellt werden.
Noch ein Wort bevor es losgeht. Die Sprache des Workshops ist durchaus einfach gehalten und es wurde darauf verzichtet Zusammenhänge auf Hochschulniveau zu erklären - das ist Absicht! Es ist sehr wohl klar, dass viele Einzelheiten sehr einfach und vielleicht auch oberflächlich erklärt werden, aber wir wollen keinen Workshop für Ingenieure sondern für Elektroniklaien.
Röhren röhren…
Was ist denn nun dran an Röhren…vor allem für uns Bassisten?
Die wenigsten werden sich an Zeiten erinnern in denen es nur Röhren gab - schon allein altersbedingt…
Unbestritten haben Bass-Verstärker in Vollröhrentechnik immer noch ihren Reiz - es zeichnet sich sogar inzwischen eine gewisse Renaissance ab. Neben dem Dauerbrenner SVT von Ampeg drängen wieder neue Vollröhren-Tops auf den Markt (Fame, Traynor, Fafner etc.).
Egal wie sehr man auf solche Vollröhrenlösungen schwört, der Hauptanteil des Röhrensounds kommt aus der Vorstufe. Sicher trägt auch die Endstufe einen Teil dazu bei, vor allem in Bezug auf das Übertragungsverhalten der angeschlossenen Lautsprecher, aber der so oft angepriesene seidige Charakter, das sanfte harmonische Übersteuern kommt aus der Vorstufe.
Während in Gitarrentops ein Übersteuern der Vorstufe generell immer möglich ist, tun wir uns da bei Bass-Verstärkern eher schwerer. Die Idee zum Bass-Amuser baut nun genau darauf auf - ein Effektgerät, das es uns erlaubt das Bass-Signal röhrengemäß zu übersteuern.
Sanfte Kompression oder Bass-Säge
Was möchten wir denn nun? Nun es wird wohl auch hier sehr kontroverse Meinungen geben denn die Geschmäcker sind verschieden.
Der Übergang von sanft zu heftig ist bei Röhren sehr fließend und vielfältig. Relativ früh beginnt eine sehr sanfte Röhrenkompression, die von Vielen gar nicht bewusst wahrgenommen wird, aber sehr rund und musikalisch klingt. Nach und nach wird das Signal ausgerundet und vor allem gerade Harmonische treten heraus - dieser Bereich wird von den meisten als der typische Röhrensound bezeichnet. Bei weiterer Übersteuerung werden die für das menschliche Ohr als sehr angenehm eingestuften geradzahligen Harmonischen mit weiteren Oberwellen ergänzt und der Sound geht allmählich in eine "sägende" Richtung. Hier trennen sich die Geschmäcker wohl am meisten, denn bei Bass-Signalen ist diese Übersteuerung nicht jedermanns Sache. Durch die tiefe Grundfrequenz von Basstönen bekommt man ein sehr viel komplexeres Gemisch als bei höheren Tönen.
Hier ein einfach gehaltenes Beispiel: A-Saite Bass Grundton 55Hz Oberwellen 110Hz, 165Hz, 220Hz, 275Hz, 330Hz, 385Hz, 440Hz usw., A-Saite Gitarre Grundton 110Hz Oberwellen 220Hz, 330Hz, 440Hz usw. - einfach zu sehen beim Basston erhalten wir alleine 7 Oberwellen (verschiedener Ausprägung) bis 440Hz, während wir beim Gitarrenton nur mit 3 Oberwellen rechnen müssen.
Trotz allem klingt auch das Extrem immer noch sehr viel runder und wärmer als ein entsprechend übersteuerter Transistor oder Operationsverstärker.
Warum es so ist wie es ist…
Es gab im Laufe der Diskussionsphase mehrere Varianten des Bass-Amuser - ok damals hieß er noch gar nicht so.
Einige werden der Vollröhrenvariante hinterher trauen, aber für die nun umgesetzte Lösung gibt es gute Gründe.
Für eine gute Bass-Lösung benötigen wir mehrere verstärkende Stufen, d.h. Triodensysteme - eine Röhre enthält zwei Systeme. Mit Vorverstärkung, Cleansignal, Overdrive und Summierung benötigt man 5-6 Systeme, also 3 Röhren. Ein weiteres Problem sind die mit Röhren nur eher schwerfällig realisierbaren aktiven Filter, auch der Summierer ist in Röhrentechnik nicht ganz einfach.
Ein Ansatz war nun nur die eigentliche Übersteuerung mit Röhren zu realisieren und das gesamte Drumherum bei dem eine Röhre sowieso nur wenig oder keine Vorteile beisteuern kann mit Operationsverstärkern aufzubauen.
Wie geht denn das?
Eingangsstufe
Das Bass-Signal kommt zunächst auf den Eingangsvorverstärker, der das Signal auf einen Pegel bringt mit dem man die folgende Röhrenstufe vernünftig "anblasen" kann. C1, R1 und R2 dienen als Entstör- und Koppelelemente für den Eingang. Durch den doch großen Signalunterschied zwischen aktiven und passiven Bässen ist es notwendig eine entsprechende Anpassung vorzunehmen. Diese erfolgt über einen Schalter S1 der den Widerstand R3B kurz schließt.
Es ergeben sich also zwei Verstärkungen für die erste Stufe:
V1=R3A/R4 + 1 für aktive Bässe
V2=(R3A+R3B)/R4 + 1 für passive Bässe
Die Dimensionierung von R3A=4,7kOhm und R4=1,5kOhm hat sich bei Tests mit aktiven Bässen als praktikabel erwiesen (V1=4,1)
Bei passiven Bässen zeigte sich vor allem durch die Test von Ulrich, dass der ursprünglich geplante Wert R3B=4,7kOhm zu klein ist und nicht ausreichende Signalgrößen für den Overdrive zur Verfügung stellt.
Bedenkt man, dass passive Bässe in der Regel um Faktor 10 kleinere Signale liefern, ist ein Wert von R3B=47kOhm realistisch.
Generell kann man mit den Widerständen R3A und R3B selbst bestimmen wie dramatisch maximale Verzerrung sein soll.
Rot: aktive Bässe (R3A=4k7)
Blau: passive Bässe (R3B=47k)
Aufpassen muss man allerdings, dass die Verstärkung nicht so groß gewählt wird, dass der OP übersteuert. Unerfahrene Bastler können da leicht in Versuchung kommen dies als gewünschten Effekt zu interpretieren. Durch die Versorgung des Amusers mit einem Laptop-Netzteil (dazu kommen wir später noch ausführlich) ergibt sich ein sehr schöner ausnutzbarer Headroom, d.h. der OP kann durchaus bis zu ca. +/-7,5V ausgesteuert werden. Ein Eingangssignal mit z.B. 200mVss (realistisch für einen passiven Bass) würde auch bei R3B=47kOhm noch locker im saubereren Bereich liegen (V2=35,5 -> 7,1Vss).
Mit den Kondensatoren C2 und C3 wird der Frequenzgang nach oben und auch nach unten begrenzt um so Einstreuungen, Rauschen und Trittschall zu unterdrücken.
Bei der höheren Verstärkung erfolgt die Beschneidung der Höhen etwas deutlicher, wen das stört, kann den Kondensator C2/330p einfach verkleinern auf 100pF.
Eine weitere Möglichkeit zur Modifikation wäre es anstelle des Schalters S1 und des Widerstandes R3B ein Poti mit 50k einzubauen - damit wäre die Empfindlichkeit stufenlos regelbar (würde aber auch ein Einstellelement mehr bedeuten).
Noch eine Anmerkung - vielleicht ist die Bezeichnung passiv/aktiv in Bezug auf die Signalgröße etwas unglücklich, man müsste eher sagen Bässe mit kleinem und großem Signaloutput. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass auch passive Bässe, je nach PUs, durchaus ein sehr großes Signal liefern können.
Aufsplittung
Wir Bassisten wissen nur zu gut, dass Verzerrungseffekte ohne Zumischung eines Cleananteils sehr viel Druck aus dem Bass-Signal nehmen und sehr matschig klingen (siehe dazu auch den Effekte Workshop). Aus diesem Grund wird das Signal nun in einen Clean- und einen Overdrivezweig aufgesplittet.
Clean-Zweig
Der Cleanzweig bietet die Möglichkeit nur den tief-frequenten Anteil des Bass-Signals weiter zu verarbeiten.
Dazu dient ein einfacher Tiefpass 1.Ordnung mit Potentiometer P1, R20 und C16.
Rot: P1 auf minimaler Stellung - keine Tiefpasswirkung
Blau: P1 auf maximaler Stellung - maximale Tiefpasswirkung
In maximaler Stellung werden die hohen Frequenzen abgeschnitten, in minimaler Stellung passiert das Bass-Signal im Prinzip ohne Beeinflussung. Der als Spannungsfolger geschaltete OP entkoppelt das Filter vom folgenden Summierer.
Overdrive-Zweig
Der Overdrive-Zweig bietet zunächst eine überaus vielseitige Klangbeeinflussung bevor das Signal endgültig verzerrt wird. Der aus IC2 gebildete semi-parametrische Equalizer erlaubt eine Anhebung und Absenkung des Signals im Frequenzbereich von 120-1000Hz.
P2 dient zu Anhebung bezw. Absenkung, in Mittelstellung passiert das Signal den EQ ohne Beeinflussung. Mit P3 wird die Mittenfrequenz eingestellt. Wem der Regelbereich zu groß ist, kann anstelle des 500k ein 250k Poti einsetzen.
Rot: Anhebung und Absenkung bei maximaler Frequenz
Blau: Anhebung und Absenkung bei minimaler Frequenz
Naturgemäß wird bei steigender Mittenfrequenz die Bandbreite des Bandpasses größer, das kommt aber unseren Klanvorstellungen durchaus zu Gute.
Auch hier ist zu bedenken, dass eine zu starke Anhebung gepaart mit hohem Eingangssignal den OP übersteuern könnte - also bereits eine Verzerrung vor der Röhre erfolgt. Das mag für viele durchaus interessant klingen und vielleicht auch eingesetzt werden, ist aber natürlich nicht ganz Sinn der Schaltung.
Das so klanggeregelte Signal führt nun über das Potentiometer P4, welches den Grad der Übersteuerung bestimmt, auf den eigentlichen Röhren-Overdrive. Im Prinzip eine einfache zweistufige Verstärkerkette mit zwei Triodensystemen. Die Kondensatoren C9 und C11 dienen der Rauschunterdrückung und gleichzeitig der HF-Entstörung.
Die beiden Stufen generieren eine theoretische Verstärkung von ca. 30dB. Theoretisch deswegen, weil natürlich durch die Übersteuerung der Röhren (vor allem der zweiten Stufe) die theoretische Signalhöhe nicht erreicht wird und die von uns so gewünschte Ausrundung eintritt.
Rot: theoretischer Amplitudengang der Overdrivesektion
Das so übersteuerte Signal wird mit dem Spannungsteiler R23/R24 wieder auf eine für OPs verarbeitbare Größe gebracht und dem Summierer zugeführt.
Halt! Werden nun vielleicht ein paar Leser sagen…eine Röhre ohne Hochspannung…geht das? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach: Ja es geht, allerdings nicht mit jeder Röhre und mit manchen besser als mit anderen…was heißt das schon wieder? Eine Röhre benötigt im Prinzip schon eine relativ hohe Spannung um generell zu funktionieren. Schaut man sich Kennlinienfelder in Datenblättern an, sieht man, dass die meisten Röhren unter 100V gar keine Einträge mehr haben. Was passiert wenn man die Röhre nun mit einer niedrigen Spannung betreibt? Einfach gesagt - und im Workshop geht es nicht um detaillierte Erklärungen - betreiben wir die Röhre in einem speziellen Modus (Starved Plate Betrieb). Durch die niedrige Spannung wird die Linearität im Arbeitspunkt stark beeinflusst (das produziert mehr Oberwellen), der Headroom geht sehr stark zurück und vieles mehr aber, und das ist für uns das Wichtigste, bei einer Übersteuerung bleiben viele der für uns relevanten Eigenschaften so bestehen, dass wir sie nutzen können.
Die 12AU7 ist ganz gut für diesen Betrieb geeignet, bei einer 12AX7 wird es schon kritischer, da sind schon gute 60V nötig (das war ja auch mal eine Variante in der Entstehung).
Summierung und Ausgang
Ebenfalls eine einfache Grundschaltung ist der Summierer mit IC3B. Mit dem Potentiometer P5 können Clean und Overdrive-Anteil stufenlos gemixt werden. Das Potentiometer P6 dient als Ausgangs-Signalregler zu Lautstärke-Anpassung für das gesamte Signal.
Mit R27 könnte man das gesamte Signal durchaus noch mehr verstärken (R27 vergrößern), aber auch wiederum hier die Gefahr den OP zu übersteuern.
Spannungsregelung
Die Idee mit dem Laptopnetzteil kann man durchaus als sehr gut bezeichnen - billig, gut verfügbar handlich. Einziges Problem ist die Bauart eines solchen Netzteils. Durch die Taktung entstehen meistens störende "Brummspannungen" zugegebenerweise allerdings meist im nicht hörbaren Frequenzbereich doch durchaus sehr oft mit einem fiesen Rauschen verbunden. Um etwaigen Störungen vorzubeugen wurde relativ viel Aufwand in die Aufbereitung der Spannungen gesteckt.
Generell wird die Netzteilspannung über die Eingangskondensatoren C23, C19 und vor allem über das Superfilter (Q1, R28, C20) geglättet und entstört. Die OPs werden über ein zusätzliches RC-Filter (R29, C22) versorgt. Damit bleibt noch die Heizung der Röhre. Diese Spannung ist sehr wohl kritischer als eine OP-Versorgung, denn die von uns benutzen Röhren sind sehr wenig tolerant. Zu kleine Heizspannung führen zu Funktionsproblemen zu hohe Heizspannungen lassen die Röhre schnell verschleißen oder zerstören sie gar. Der 12V-Regler wird über eine Diode um 0,7V nach oben gelegt und stellt eine optimale Heizspannung zur Verfügung. Über das Laptopnetzteil und die gesamte Reglerbeschaltung ist damit auch ein sehr sanfter Anlauf der Röhre gewährleistet (d.h. es fließt im Einschaltmoment kein überhöhter Heizstrom).
Der Regler muss dabei schon kräftig arbeiten, d.h. er muss mit einer nicht unerheblichen Leistung fertig werden. Bei 18V Versorgungsspannung fallen über dem Regler 18-12,7V=5,3V ab. Bei einem Heizstom von ca. 250mA muss der Regler eine Leistung von 5,3V*0,25A=1,325W "verbraten" - da ist ein kleiner U-Kühlkörper angebracht.
Nullpunkt für OP
Da wir noch einen OP übrig haben, wurde dieser für einen sauberen virtuellen Nullpunkt der OP-Schaltung eingesetzt. Die mit R5/R6 halbierte Versorgungsspannung wird mit einem Spannungsfolger entkoppelt und damit optimal aufbereitet.
Laptopnetzteil
Schaltnetzteile für Laptops liefern in der Regel Spannungen zwischen 18 und 20V. Warum ist nun ein Laptopnetzeil eine gute Wahl. Hauptgrund ist die geregelte Heizungsspannung. Wenn wir eine Spannung von 12,6V (das ist der Nominalwert der Röhrenheizung) stabilisieren wollen, dann benötigen wir gut 2,5-3V Regeldifferenz, d.h. eine entsprechend höhere Spannung von 15-15,5V. Es gibt nun leider nicht sehr viele Klein-Netzteile die so eine Spannung günstig zur Verfügung stellen. Ein Laptopnetzteil ist hier die preislich absolut beste Alternative. Die relativ hohe Spannung von 18-20V gibt uns neben genügend Spielraum für den Regler auch noch einen hervorragenden Headroom für die OPs und tut auch den sowieso mit Unterspannung betriebenen Röhren sehr gut.
Im Prinzip müsste jedes Laptopnetzteil funktionieren, allerdings muss auch erwähnt werden, dass es durchaus verschieden "verseuchte" Ausführungen gibt.
Das ganze Bild…
Hier die gesamte Schaltung auf einen Blick (beim Klicken auf die Grafik wird diese vergrößert dargestellt):
Weitere Aussichten
Im Prinzip waren dies die Ausführungen für den ersten Teil des Workshops. Die Schaltung lässt durchaus sehr viele Modifikationen zu und man darf bestimmte Dimensionierungen nicht zu eng sehen. Allein eine Röhre eines anderen Herstellers wird klanglich ein anders Verhalten zeigen. Röhren sind dabei wesentlich mehr klangprägend als Halbleiter.
Es kann als sein, dass für ein optimales Ergebnis gewisse Anpassungen notwendig sind - das sind dann im Prinzip alternative Widerstandswerte.
Also wäre es kein Fehler ein paar Widerstandswerte in petto zu haben.
Die folgenden Teile werden sich mit dem konkreten Aufbau befassen. Dabei werden wir eine Lochrasterversion und eine Eagle-Layout Version vorstellen. Beim mechanischen Aufbau kann dann wiederum sehr viel eigene Phantasie einfließen - es sei jedoch jetzt schon gesagt, das wir die Röhre generell stehend vorgesehen haben - aber auch hier gilt: nicht von Experimenten abschrecken lassen…
Workshop - Bass Amuser
Teil 1 - Theorie und Schaltungstechnik
Vorab: es gab wohl noch zu keinem Elektronik-Projekt im Musikerboard so viele Anregungen und Wünsche - das kann man auch an dem mittlerweile auf über 200 Posts angewachsenen Thread dazu nachvollziehen.
Generell ist das jetzt entstandene Gerät wohl ein Kompromiss zwischen Baubarkeit und möglichen Features.
Vermutlich wird der Bass Amuser eher weniger Nachbauer finden als das Vorgängerprojekt Chaos Fuzz. Das liegt vor allem an dem generell höheren Aufwand und an der für Viele abschreckenden Wirkung von Röhren.
Der Prototyp des Bass-Amusers wurde von Ulrich (Elkulk) nachgebaut und mit ihm zusammen entstanden auch die zahlreichen Versuchsvarianten und letztlich die finale Version. Von ihm wird auch die Lochrasterrealisierung vorgestellt werden.
Noch ein Wort bevor es losgeht. Die Sprache des Workshops ist durchaus einfach gehalten und es wurde darauf verzichtet Zusammenhänge auf Hochschulniveau zu erklären - das ist Absicht! Es ist sehr wohl klar, dass viele Einzelheiten sehr einfach und vielleicht auch oberflächlich erklärt werden, aber wir wollen keinen Workshop für Ingenieure sondern für Elektroniklaien.
Röhren röhren…
Was ist denn nun dran an Röhren…vor allem für uns Bassisten?
Die wenigsten werden sich an Zeiten erinnern in denen es nur Röhren gab - schon allein altersbedingt…
Unbestritten haben Bass-Verstärker in Vollröhrentechnik immer noch ihren Reiz - es zeichnet sich sogar inzwischen eine gewisse Renaissance ab. Neben dem Dauerbrenner SVT von Ampeg drängen wieder neue Vollröhren-Tops auf den Markt (Fame, Traynor, Fafner etc.).
Egal wie sehr man auf solche Vollröhrenlösungen schwört, der Hauptanteil des Röhrensounds kommt aus der Vorstufe. Sicher trägt auch die Endstufe einen Teil dazu bei, vor allem in Bezug auf das Übertragungsverhalten der angeschlossenen Lautsprecher, aber der so oft angepriesene seidige Charakter, das sanfte harmonische Übersteuern kommt aus der Vorstufe.
Während in Gitarrentops ein Übersteuern der Vorstufe generell immer möglich ist, tun wir uns da bei Bass-Verstärkern eher schwerer. Die Idee zum Bass-Amuser baut nun genau darauf auf - ein Effektgerät, das es uns erlaubt das Bass-Signal röhrengemäß zu übersteuern.
Sanfte Kompression oder Bass-Säge
Was möchten wir denn nun? Nun es wird wohl auch hier sehr kontroverse Meinungen geben denn die Geschmäcker sind verschieden.
Der Übergang von sanft zu heftig ist bei Röhren sehr fließend und vielfältig. Relativ früh beginnt eine sehr sanfte Röhrenkompression, die von Vielen gar nicht bewusst wahrgenommen wird, aber sehr rund und musikalisch klingt. Nach und nach wird das Signal ausgerundet und vor allem gerade Harmonische treten heraus - dieser Bereich wird von den meisten als der typische Röhrensound bezeichnet. Bei weiterer Übersteuerung werden die für das menschliche Ohr als sehr angenehm eingestuften geradzahligen Harmonischen mit weiteren Oberwellen ergänzt und der Sound geht allmählich in eine "sägende" Richtung. Hier trennen sich die Geschmäcker wohl am meisten, denn bei Bass-Signalen ist diese Übersteuerung nicht jedermanns Sache. Durch die tiefe Grundfrequenz von Basstönen bekommt man ein sehr viel komplexeres Gemisch als bei höheren Tönen.
Hier ein einfach gehaltenes Beispiel: A-Saite Bass Grundton 55Hz Oberwellen 110Hz, 165Hz, 220Hz, 275Hz, 330Hz, 385Hz, 440Hz usw., A-Saite Gitarre Grundton 110Hz Oberwellen 220Hz, 330Hz, 440Hz usw. - einfach zu sehen beim Basston erhalten wir alleine 7 Oberwellen (verschiedener Ausprägung) bis 440Hz, während wir beim Gitarrenton nur mit 3 Oberwellen rechnen müssen.
Trotz allem klingt auch das Extrem immer noch sehr viel runder und wärmer als ein entsprechend übersteuerter Transistor oder Operationsverstärker.
Warum es so ist wie es ist…
Es gab im Laufe der Diskussionsphase mehrere Varianten des Bass-Amuser - ok damals hieß er noch gar nicht so.
Einige werden der Vollröhrenvariante hinterher trauen, aber für die nun umgesetzte Lösung gibt es gute Gründe.
Für eine gute Bass-Lösung benötigen wir mehrere verstärkende Stufen, d.h. Triodensysteme - eine Röhre enthält zwei Systeme. Mit Vorverstärkung, Cleansignal, Overdrive und Summierung benötigt man 5-6 Systeme, also 3 Röhren. Ein weiteres Problem sind die mit Röhren nur eher schwerfällig realisierbaren aktiven Filter, auch der Summierer ist in Röhrentechnik nicht ganz einfach.
Ein Ansatz war nun nur die eigentliche Übersteuerung mit Röhren zu realisieren und das gesamte Drumherum bei dem eine Röhre sowieso nur wenig oder keine Vorteile beisteuern kann mit Operationsverstärkern aufzubauen.
Wie geht denn das?
Eingangsstufe
Das Bass-Signal kommt zunächst auf den Eingangsvorverstärker, der das Signal auf einen Pegel bringt mit dem man die folgende Röhrenstufe vernünftig "anblasen" kann. C1, R1 und R2 dienen als Entstör- und Koppelelemente für den Eingang. Durch den doch großen Signalunterschied zwischen aktiven und passiven Bässen ist es notwendig eine entsprechende Anpassung vorzunehmen. Diese erfolgt über einen Schalter S1 der den Widerstand R3B kurz schließt.
Es ergeben sich also zwei Verstärkungen für die erste Stufe:
V1=R3A/R4 + 1 für aktive Bässe
V2=(R3A+R3B)/R4 + 1 für passive Bässe
Die Dimensionierung von R3A=4,7kOhm und R4=1,5kOhm hat sich bei Tests mit aktiven Bässen als praktikabel erwiesen (V1=4,1)
Bei passiven Bässen zeigte sich vor allem durch die Test von Ulrich, dass der ursprünglich geplante Wert R3B=4,7kOhm zu klein ist und nicht ausreichende Signalgrößen für den Overdrive zur Verfügung stellt.
Bedenkt man, dass passive Bässe in der Regel um Faktor 10 kleinere Signale liefern, ist ein Wert von R3B=47kOhm realistisch.
Generell kann man mit den Widerständen R3A und R3B selbst bestimmen wie dramatisch maximale Verzerrung sein soll.
Rot: aktive Bässe (R3A=4k7)
Blau: passive Bässe (R3B=47k)
Aufpassen muss man allerdings, dass die Verstärkung nicht so groß gewählt wird, dass der OP übersteuert. Unerfahrene Bastler können da leicht in Versuchung kommen dies als gewünschten Effekt zu interpretieren. Durch die Versorgung des Amusers mit einem Laptop-Netzteil (dazu kommen wir später noch ausführlich) ergibt sich ein sehr schöner ausnutzbarer Headroom, d.h. der OP kann durchaus bis zu ca. +/-7,5V ausgesteuert werden. Ein Eingangssignal mit z.B. 200mVss (realistisch für einen passiven Bass) würde auch bei R3B=47kOhm noch locker im saubereren Bereich liegen (V2=35,5 -> 7,1Vss).
Mit den Kondensatoren C2 und C3 wird der Frequenzgang nach oben und auch nach unten begrenzt um so Einstreuungen, Rauschen und Trittschall zu unterdrücken.
Bei der höheren Verstärkung erfolgt die Beschneidung der Höhen etwas deutlicher, wen das stört, kann den Kondensator C2/330p einfach verkleinern auf 100pF.
Eine weitere Möglichkeit zur Modifikation wäre es anstelle des Schalters S1 und des Widerstandes R3B ein Poti mit 50k einzubauen - damit wäre die Empfindlichkeit stufenlos regelbar (würde aber auch ein Einstellelement mehr bedeuten).
Noch eine Anmerkung - vielleicht ist die Bezeichnung passiv/aktiv in Bezug auf die Signalgröße etwas unglücklich, man müsste eher sagen Bässe mit kleinem und großem Signaloutput. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass auch passive Bässe, je nach PUs, durchaus ein sehr großes Signal liefern können.
Aufsplittung
Wir Bassisten wissen nur zu gut, dass Verzerrungseffekte ohne Zumischung eines Cleananteils sehr viel Druck aus dem Bass-Signal nehmen und sehr matschig klingen (siehe dazu auch den Effekte Workshop). Aus diesem Grund wird das Signal nun in einen Clean- und einen Overdrivezweig aufgesplittet.
Clean-Zweig
Der Cleanzweig bietet die Möglichkeit nur den tief-frequenten Anteil des Bass-Signals weiter zu verarbeiten.
Dazu dient ein einfacher Tiefpass 1.Ordnung mit Potentiometer P1, R20 und C16.
Rot: P1 auf minimaler Stellung - keine Tiefpasswirkung
Blau: P1 auf maximaler Stellung - maximale Tiefpasswirkung
In maximaler Stellung werden die hohen Frequenzen abgeschnitten, in minimaler Stellung passiert das Bass-Signal im Prinzip ohne Beeinflussung. Der als Spannungsfolger geschaltete OP entkoppelt das Filter vom folgenden Summierer.
Overdrive-Zweig
Der Overdrive-Zweig bietet zunächst eine überaus vielseitige Klangbeeinflussung bevor das Signal endgültig verzerrt wird. Der aus IC2 gebildete semi-parametrische Equalizer erlaubt eine Anhebung und Absenkung des Signals im Frequenzbereich von 120-1000Hz.
P2 dient zu Anhebung bezw. Absenkung, in Mittelstellung passiert das Signal den EQ ohne Beeinflussung. Mit P3 wird die Mittenfrequenz eingestellt. Wem der Regelbereich zu groß ist, kann anstelle des 500k ein 250k Poti einsetzen.
Rot: Anhebung und Absenkung bei maximaler Frequenz
Blau: Anhebung und Absenkung bei minimaler Frequenz
Naturgemäß wird bei steigender Mittenfrequenz die Bandbreite des Bandpasses größer, das kommt aber unseren Klanvorstellungen durchaus zu Gute.
Auch hier ist zu bedenken, dass eine zu starke Anhebung gepaart mit hohem Eingangssignal den OP übersteuern könnte - also bereits eine Verzerrung vor der Röhre erfolgt. Das mag für viele durchaus interessant klingen und vielleicht auch eingesetzt werden, ist aber natürlich nicht ganz Sinn der Schaltung.
Das so klanggeregelte Signal führt nun über das Potentiometer P4, welches den Grad der Übersteuerung bestimmt, auf den eigentlichen Röhren-Overdrive. Im Prinzip eine einfache zweistufige Verstärkerkette mit zwei Triodensystemen. Die Kondensatoren C9 und C11 dienen der Rauschunterdrückung und gleichzeitig der HF-Entstörung.
Die beiden Stufen generieren eine theoretische Verstärkung von ca. 30dB. Theoretisch deswegen, weil natürlich durch die Übersteuerung der Röhren (vor allem der zweiten Stufe) die theoretische Signalhöhe nicht erreicht wird und die von uns so gewünschte Ausrundung eintritt.
Rot: theoretischer Amplitudengang der Overdrivesektion
Das so übersteuerte Signal wird mit dem Spannungsteiler R23/R24 wieder auf eine für OPs verarbeitbare Größe gebracht und dem Summierer zugeführt.
Halt! Werden nun vielleicht ein paar Leser sagen…eine Röhre ohne Hochspannung…geht das? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach: Ja es geht, allerdings nicht mit jeder Röhre und mit manchen besser als mit anderen…was heißt das schon wieder? Eine Röhre benötigt im Prinzip schon eine relativ hohe Spannung um generell zu funktionieren. Schaut man sich Kennlinienfelder in Datenblättern an, sieht man, dass die meisten Röhren unter 100V gar keine Einträge mehr haben. Was passiert wenn man die Röhre nun mit einer niedrigen Spannung betreibt? Einfach gesagt - und im Workshop geht es nicht um detaillierte Erklärungen - betreiben wir die Röhre in einem speziellen Modus (Starved Plate Betrieb). Durch die niedrige Spannung wird die Linearität im Arbeitspunkt stark beeinflusst (das produziert mehr Oberwellen), der Headroom geht sehr stark zurück und vieles mehr aber, und das ist für uns das Wichtigste, bei einer Übersteuerung bleiben viele der für uns relevanten Eigenschaften so bestehen, dass wir sie nutzen können.
Die 12AU7 ist ganz gut für diesen Betrieb geeignet, bei einer 12AX7 wird es schon kritischer, da sind schon gute 60V nötig (das war ja auch mal eine Variante in der Entstehung).
Summierung und Ausgang
Ebenfalls eine einfache Grundschaltung ist der Summierer mit IC3B. Mit dem Potentiometer P5 können Clean und Overdrive-Anteil stufenlos gemixt werden. Das Potentiometer P6 dient als Ausgangs-Signalregler zu Lautstärke-Anpassung für das gesamte Signal.
Mit R27 könnte man das gesamte Signal durchaus noch mehr verstärken (R27 vergrößern), aber auch wiederum hier die Gefahr den OP zu übersteuern.
Spannungsregelung
Die Idee mit dem Laptopnetzteil kann man durchaus als sehr gut bezeichnen - billig, gut verfügbar handlich. Einziges Problem ist die Bauart eines solchen Netzteils. Durch die Taktung entstehen meistens störende "Brummspannungen" zugegebenerweise allerdings meist im nicht hörbaren Frequenzbereich doch durchaus sehr oft mit einem fiesen Rauschen verbunden. Um etwaigen Störungen vorzubeugen wurde relativ viel Aufwand in die Aufbereitung der Spannungen gesteckt.
Generell wird die Netzteilspannung über die Eingangskondensatoren C23, C19 und vor allem über das Superfilter (Q1, R28, C20) geglättet und entstört. Die OPs werden über ein zusätzliches RC-Filter (R29, C22) versorgt. Damit bleibt noch die Heizung der Röhre. Diese Spannung ist sehr wohl kritischer als eine OP-Versorgung, denn die von uns benutzen Röhren sind sehr wenig tolerant. Zu kleine Heizspannung führen zu Funktionsproblemen zu hohe Heizspannungen lassen die Röhre schnell verschleißen oder zerstören sie gar. Der 12V-Regler wird über eine Diode um 0,7V nach oben gelegt und stellt eine optimale Heizspannung zur Verfügung. Über das Laptopnetzteil und die gesamte Reglerbeschaltung ist damit auch ein sehr sanfter Anlauf der Röhre gewährleistet (d.h. es fließt im Einschaltmoment kein überhöhter Heizstrom).
Der Regler muss dabei schon kräftig arbeiten, d.h. er muss mit einer nicht unerheblichen Leistung fertig werden. Bei 18V Versorgungsspannung fallen über dem Regler 18-12,7V=5,3V ab. Bei einem Heizstom von ca. 250mA muss der Regler eine Leistung von 5,3V*0,25A=1,325W "verbraten" - da ist ein kleiner U-Kühlkörper angebracht.
Nullpunkt für OP
Da wir noch einen OP übrig haben, wurde dieser für einen sauberen virtuellen Nullpunkt der OP-Schaltung eingesetzt. Die mit R5/R6 halbierte Versorgungsspannung wird mit einem Spannungsfolger entkoppelt und damit optimal aufbereitet.
Laptopnetzteil
Schaltnetzteile für Laptops liefern in der Regel Spannungen zwischen 18 und 20V. Warum ist nun ein Laptopnetzeil eine gute Wahl. Hauptgrund ist die geregelte Heizungsspannung. Wenn wir eine Spannung von 12,6V (das ist der Nominalwert der Röhrenheizung) stabilisieren wollen, dann benötigen wir gut 2,5-3V Regeldifferenz, d.h. eine entsprechend höhere Spannung von 15-15,5V. Es gibt nun leider nicht sehr viele Klein-Netzteile die so eine Spannung günstig zur Verfügung stellen. Ein Laptopnetzteil ist hier die preislich absolut beste Alternative. Die relativ hohe Spannung von 18-20V gibt uns neben genügend Spielraum für den Regler auch noch einen hervorragenden Headroom für die OPs und tut auch den sowieso mit Unterspannung betriebenen Röhren sehr gut.
Im Prinzip müsste jedes Laptopnetzteil funktionieren, allerdings muss auch erwähnt werden, dass es durchaus verschieden "verseuchte" Ausführungen gibt.
Das ganze Bild…
Hier die gesamte Schaltung auf einen Blick (beim Klicken auf die Grafik wird diese vergrößert dargestellt):
Weitere Aussichten
Im Prinzip waren dies die Ausführungen für den ersten Teil des Workshops. Die Schaltung lässt durchaus sehr viele Modifikationen zu und man darf bestimmte Dimensionierungen nicht zu eng sehen. Allein eine Röhre eines anderen Herstellers wird klanglich ein anders Verhalten zeigen. Röhren sind dabei wesentlich mehr klangprägend als Halbleiter.
Es kann als sein, dass für ein optimales Ergebnis gewisse Anpassungen notwendig sind - das sind dann im Prinzip alternative Widerstandswerte.
Also wäre es kein Fehler ein paar Widerstandswerte in petto zu haben.
Die folgenden Teile werden sich mit dem konkreten Aufbau befassen. Dabei werden wir eine Lochrasterversion und eine Eagle-Layout Version vorstellen. Beim mechanischen Aufbau kann dann wiederum sehr viel eigene Phantasie einfließen - es sei jedoch jetzt schon gesagt, das wir die Röhre generell stehend vorgesehen haben - aber auch hier gilt: nicht von Experimenten abschrecken lassen…
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