U2 - No Line On The Horizon - 2009

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U2 - No Line On The Horizon


53:43 Minuten neues U2-Material verteilen sich auf 11 Songs. Neues Material? Dazu ein ganz klares Jain. Genau wie bei den beiden Vorgängern All That You Can Leave Behind und How To Dismantle An Atomic Bomb hinterlässt No Line On The Horizon bei mir den Eindruck einer musikalischen Best Of: mal erinnert mich etwas an "The Hands That Built America", an anderer Stelle höre ich "Discothèque" dann wieder Anleihen aus "Achtung Baby" oder aus "Salome - The Axtung Baby Outtakes", aber im Grunde wundert das nicht wirklich, denn wieso sollte eine Band auf einmal komplett anders... oder aber auch komplett gleich klingen?

Nach einer versuchten Zusammenarbeit mit Rick Rubin (mit dem man schon an den beiden neuen Songs auf der Compilation U218 gearbeitet hatte) ging man dann doch wieder mit dem "alten" Team bestehend aus Brian Eno und Daniel Lanois ins Studio. Vom "Rubin"-Material hat es dann wohl wenig aufs Album geschafft, die Band plant wohl aber durchaus später noch einiges von dem Material zu nutzen (auch nichts neues bei U2: Songs, die während der Sessions für ein Album geschrieben wurden haben es entweder auf Singles (B-Seiten) oder spätere Alben geschafft). Das "Problem" bei der Zusammenarbeit mit Rubin war banal: Rubin erwartet das eine Band mit fertigen Songs in das Studio kommt, U2 dagegen lassen Songs im Studio wachsen (sehr schön bei "Salome - The Axtung Baby Outtakes", einem Bootleg mit Rohmaterial der Achtung Baby Sessions im Hansastudio zu hören: Teile des Albums lassen sich in verschiedenen Songs wiederhören, in einem Song z.B. das Solo aus "The Fly", während die Strophe es in das eine und der Refrain (oder die Bridge?) in einen anderen Song geschafft haben).

Die Aufnahmen fanden in Marokko, Südfrankreich, New York, Dublin und London statt und Eno und Lanois waren diesmal auch am komponieren beteiligt (dem U2-Fan mögen da Erinnerungen an "Passengers" in den Kopf kommen, ganz von der Hand zu weisen wäre der Vergleich nicht wirklich, denn U2 & Eno & Lanois zeigen sich durchaus experimentierfreudig... der Eindruck der oben erwähnten musikalschichen Best Of rundet sich da ab). Ebenfalls wieder im Team war Produzent Steve Lillywhite und Anton Corbijn war an einem Film beteiligt (ein Stummfilm, hinterlegt mit Musik aus dem Album), der einigen Versionen des Albums beiligt, bzw. bei anderen Versionen zum Download angeboten wird, und der mit "Winter" einen Song enthält, der nicht auf dem Album selbst ist). Noch für dieses Jahr oder Anfang 2010 wurde mittlerweile ein weiteres Album angekündigt, solche Informationen sind aber mit Skepsis zu betrachten: einerseits entstanden in den verschiedenen Sessions wohl 50 bis 60 Songs, genug Material wäre also vorhanden und mit Zooropa wurde schon einmal ein Album mitten in einer Tour veröffentlicht, andererseits erzählt speziell Bono sehr viel wenn der Tag lang ist... aber egal, es gibt sowieso erstmal genug neues Material. Hier muß man sich dann auch etwas über U2 wundern: nach der Vertigo-Tour war es zunächst ruhig, dann folgte der Re-Release von Joshua Tree und letztes Jahr dann geballt der Re-Release von Boy, October, War und Under A Blood Red Sky (alle jeweils in verschiedenen Versionen, teilweise mit bisher unveröffentlichtem Material). Damit der Fan auch etwas zum inverstieren hat wurde auch No Line On The Horizon in verschiedenen Versionen veröffentlicht (das stellt den Fan teilweise vor massive Probleme: das Deluxe Boxed Set passt nicht in den normalen CD-Ständer, weshalb einige Fans dann doch tatsächlich noch die "normale" Version dazukaufen....). Neben drei CD-Varianten wurde das Album auch auf Vinyl veröffentlicht. Dann noch der iTunes Release, die Klaviatur des Instrumentes Marketing beherrschen die Iren (und auch das "aus versehen" auf der Webseite eines australischen Radiosenders vorab veröffentlichte komplette Album lässt einen grübeln wieviel "versehen" da wirklich dabei gewesen ist, denn es ist nicht das erste Mal das es ein U2 Album vor der Veröffentlichung ins Internet geschafft hat).

Zum Sound des Albums: viel Keyboard, im ersten Moment ist man nicht wirklich sicher ob man da U2 hört, der Vergleich mit Passengers drängt sich auf. Hört man das Album dann jedoch öfter tauchen vertraute Gitarrenriffs, Drum-Rhythmen und Bassläufe auf. Bonos Stimme klingt oft ungewöhnlich (hier und da auch gewöhnungsbedürftig) und für meinen Geschmack sind doch etwas viele "ooohhhs" und "uhhhhhs" auf No Line On The Horizon.


1. "No Line on the Horizon"
Lyrics: Bono Music: U2, Eno, and Lanois 4:12
Gelungener Opener. Der Wechsel zwischen Strophe und Refrain geben dem Song einen Klasse Spannungsbogen. Während der Gesang in der Strophe mitunter herausgepresst wird, ist er im Refrain fast schon relaxed. Die Rhythmusgitarre ab der zweiten Strophe erinnert an Achtung Baby (Ultra Violet), ähnlich drückt der Song, wohl in erster Linie durch den treibenden Bass und der eben erwähnten Rhythmusgitarre. Natürlich auch durch Mr. Mullens Schießbude, generell würde ich dessen Arbeit als Beständigstes Element bei U2 bezeichnen (ohne damit Werten zu wollen). Die Bridge nimmt Tempo raus und irgendwie fallen mir im Moment auch nicht viele Bridges in U2 Songs ein, die sich mit dem Rest des jeweiligen Songs messen lassen können. Das ist hier nicht anders. Das Outro erinnert mich an einen anderen Song, nur mag mir nicht einfallen welcher. "No Line On The Horizon" kann ich mir sehr gut als Show-Opener (oder zumindest als erster Song der Zugabe) vorstellen.
(meine derzeitige Bewertung: 9/10)

2. "Magnificent"
Lyrics: Bono and Edge Music: U2, Eno, and Lanois 5:24
Beim Intro fühle ich mich irgendwie 20 Jahre zurückversetzt... und damit meine ich nicht "Rattle and Hum", sondern eher typische Discobeats aus dieser Zeit, und erst ab 0:45 "erlöst" die Gitarre einen aus dieser Zeitreise. Wir hören einen treibenden Rhythmus, ein kurzes, sich wiederholendes Keyboardriff und eine schneller werdende Snare. Während dem Autofahren habe ich es mal spasseshalber mit "Hyper! Hyper!" während dem Intro probiert. Es hat funktioniert. Egal. Im Laufe des Songs taucht ein Keyboardmotiv auf, das mich an Lemon erinnert. Insgesamt gefällt mir das Tempo und das Edge mal wieder belegt das man mit wenig Tönen gute Riffs schreiben kann.
(derzeitige Bewertung: 6/10)

3. "Moment of Surrender"
Lyrics: Bono Music: U2, Eno, and Lanois 7:24
Nach zwei flotten Songs wird es ruhiger und diesen Song hätte ich mir auch auf einem "Passengers" Album vorstellen können. Die Refrains dieses Albums werden häufiger als die der anderen Alben mehrstimmig gesungen, und so manche Entwicklung innerhalb der Songs erscheint mir ... erzwungen.. also erzwungen "wir machen das jetzt anders". Bei Teilen des Songs fühle ich mich an Pink Floyds "Lost for words" (von der "Division Bell" erinnert). Die Gitarre ist erst spät im Song zu hören und beginnt dann mit einem kleinen gefühlvollen Solo, um sich dann wieder dezent in den Hintergrund zu setzen. Viele "Oh oh oohhhhs" gegen Ende des Songs. Ein netter Song, aber nicht mehr.
(derzeitige Bewertung: 5/10)

4. "Unknown Caller"
Lyrics: U2, Eno, and Lanois Music: U2, Eno, and Lanois 6:03
Schon wieder Pink Floyd... gleiches Album (Division Bell), diesmal "Take It Back"... zumindest der Anfang. Der Mehrstimmige Gesang am Anfang und in den Refrains erinnert mich an The Whos Tommy, und ist irgendwie... ungewöhnlich und wirkt manchmal wie eine gesungene Gebrauchsanweisung ("Restart and reboot yourself"). Wobei gesungen im Grunde auch übertrieben ist. Nicht mein Lieblingssong auf der Langrille.
(derzeitige Bewertung: 5/10)

5. "I'll Go Crazy If I Don't Go Crazy Tonight"
Lyrics: Bono Music: U2 4:14
Ein fröhlicher Song der einfach gute Laune ausstrahlt. Klasse Arpeggios, gute Rhythmusarbeit... klasse Lyrics "Every beauty needs to go out with an idiot", ein weltverbesserisches "Every generation gets a chance to change the world" und ein nahezu prophetisches "Is the sweetest melody the one we haven't heard?" (erinnert mich an Dylan, der mal gesagt haben soll er sei auf der Suche nach dem perfekten Song, und alles was er bisher veröffentlicht hätte wären nur Versuche auf diesem Weg).
(meine derzeitige Bewertung: 9/10)

6. "Get on Your Boots"
Lyrics: Bono Music: U2 3:25
Discothèque, Fast Cars. Tempo. Als vor dem Album veröffentliche Single... war das irgendwie wie damals mit "The Fly" oder "Discothèque", und ähnlich wie damals fühlt es sich beim ersten hören deplaziert, irgendwie als Sonderling auf dem Album. Je öfter ich das Album höre, desto mehr passt sich der Song in das Album
(meine derzeitige Bewertung: 7/10)

7. "Stand Up Comedy"
Lyrics: Bono Music: U2 3:50
Das Riff erinnert an den "Immigrant Song" von den Leds und den Zeppelins und auch an "The Fly"... und wo ich Led zep schon erwähnt habe... D'yer Mak'er. So oder so: bei dem Song tippt mein Fuß quasi von selbst mit, eingängig und ein sehr hohes Live potential!
(meine derzeitige Bewertung: 9/10)

8. "Fez - Being Born"
Lyrics: Bono Music: U2, Eno, and Lanois 5:17
1:04 Intro mit Soundsamples und Schnipsel! Auch als U2 Fan bin ich da gewillt bei iTunes die Funktion "Starten bei" zu nutzen. Ähnlich wie bei "Unknown Caller" taucht hier wieder sehr häufig mehrstimmiger Gesang auf, dem Song als Ganzes fehlt da meiner Meinung nach ein Höhepunkt... und irgendwie bin ich nicht sicher ob die Kombination mit Eno und Lanois als Songwriter... zwingend gut war.
(meine derzeitige Bewertung: 5/10)

9. "White as Snow"
Lyrics: U2, Eno, and Lanois Music: Traditional, arranged by U2, Eno and Lanois 4:41
Auf einem Adventslied basiert dieser Titel, der auch etwas an "The Hands that built America" erinnert. Der ruhigste Song auf dem Album erzählt die letzten Gedanken eines sterbenden Soldaten und wirkt wohl, auch Aufgrund der Basis, sehr traditionell. Sehr schön und ein Ruhepunkt innerhalb des Album.
(meine derzeitige Bewertung: 8/10)

10. "Breathe"
Lyrics: Bono Music: U2 5:00
Treibende Drums, treibender Bass ein treibendes Gitarrenriff. Klasse Intro, tolle Strophe, toller Chorus. Ein toller Song!
(meine derzeitige Bewertung: 9/10)

11. "Cedars of Lebanon"
Lyrics: Bono Music: U2, Eno, and Lanois1 4:13
Irgendwie finde ich die Reihenfolge "White as Snow", "Breathe" und "Cedars of Lebanon" ungünstig, und ich hätte mir vor "Cedars" noch einen flotten Song gewünscht. Auch hier fehlt mir irgendwie ein Höhepunkt.
(meine derzeitige Bewertung: 6/10)

Wie schon angedeutet: ich bin mir nicht sicher ob Enos und Lanois Anteil am Songwriting dem Album gut getan haben, vielleicht hätte man da ein zweites Passengers Album in Erwägung ziehen sollen, sicherlich läge genug Material vor. Vielleicht täusche ich mich da auch, und schreibe einfach nur die Sachen die mir nicht ganz so gut gefallen den beiden Produzenten zu (wobei der Titeltrack wirklich Klasse ist).
Eingangs schon erwähnt bleibt für mich der Eindruck einer musikalischer "Best Of" hängen, wobei dieses Album definitiv mutiger als seine beiden Vorgänger ist. Derzeit bin ich mir nicht sicher ob "No Line On The Horizon" in der gleichen Liga wie "The Joshua Tree" und "Achtung Baby" spielt, dazu ist es noch zu früh, bzw. dazu habe ich das Album in den letzten Tagen einfach zu oft gehört, wenn ich daran denke werde ich mich da in einem Jahr nochmal dazu äussern.
Wie bei vielen guten Alben wächst auch dieses beim mehrmaligen Hören.

Meine Anspieltipps: "No Line On The Horizon", "I'll Go Crazy If I Don'tt Go Crazy Tonight", "Stand Up Comedy", "White As Snow" und "Breathe".

Gesamtwertung... derzeit: 8/10.
 
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