Wie lernt man eigentlich C-Griff-Knopfakkordeon?
Lehrbücher können eine Hilfe sein. Manche gibt es freilich nicht mehr. Dennoch gibt es ein gewisses Angebot. Guckt man in die Lehrbücher rein, stellt man fest, dass es doch Unterschiede gibt. Nicht alle Werke sind für alle Akkordeonisten oder solche, die es werden wollen, geeignet. Auf meinem Notenständer liegen zurzeit drei Werke, zu denen ich kurz meine Eindrücke wiedergeben möchte:
@lil stellte mir
Das Accordeon-Buch: Basics zum Hören und Spielen. Mit Anleitung für das chromatische C-Griff Knopfaccordeon mit Standardbass von
Angelica Paulic zur Verfügung. Das Buch erschien 2008, ist aber immer noch erhältlich. Paulic sagt im Vorwort, sie hätte ein "eher intuitives Lernkonzept mit Schülern ab 9 Jahren bis in das Erwachsenenalter" entwickelt (S.5). Dieses Konzept besteht darin, zunächst einmal die Haltung des Instruments zu erklären, dann die Schüler auf den Knöpfen zu orientieren und anfangs Griffbilder einzustudieren, bei denen alle fünf Finger auf dem Griffbrett zu liegen kommen. Sie geht also davon aus, dass man weit kommt, wenn man die vermittelten Griffe in den Stücken, die man später spielen will, wiederentdeckt und anwendet. Damit unterscheidet sie sich von allen Lehrerinnen, die zunächst einmal Wert darauf legen, dass man über die Knöpfe laufen kann. Die Läufe kommen später, auch werden später die Griffe aufgebrochen. Manches soll auch über das Hören trainiert werden. Das Vorgehen finde ich nachvollziehbar, das Niveau für einen Anfänger geeignet, zumal man sich mit der beiliegenden CD ein Bild machen kann, wie die Stücke klingen. Manche sagen, ihnen gefällt die Stückauswahl nicht. Darüber lässt sich streiten. Didaktisch ist das Werk ok, die Lerngeschwindigkeit auch für Menschen ok, die sich schwerer tun. Am Ende des Lehrbuchs kann man sich auf dem Akkordeon orientieren und hat man einen Zugang zu einfachen Stücken.
Daneben liegt das krasse Gegenteil:
Lucien et Richard Galliano. Méthode Complète d'Accordéon: doigtés piano et doigtés boutons. Meine Ausgabe ist von 2017. Dieses Buch will einen Anfänger zum Profi machen. Auf ca. 100 Seiten. Eine CD liegt auch bei, die die steile Lernkurve begleiten will. Das Werk beginnt im Fünftonraum. Dabei legt Galliano aber Wert, dass man links und rechts spielen lernt. Das heißt, dass hier auf dem Bass anfangs nicht mit Um-bah-bah eingesetzt wird, sondern gleich Bassläufe vorkommen. Am Anfang. Dieses Vorgehen schließt das Buch für alle Anfänger aus, die Mühe haben, sich links und rechts
gleichzeitig zu orientieren. Ich kann das Vorgehen nachvollziehen, weil man dazu beiträgt, die linke Seite nicht gegenüber der rechten zu vernachlässigen. Allerdings liegt die Einsteigerhürde dadurch sehr hoch. Dennoch hat das Werk für einen Umsteiger etwas für sich. Man bekommt einen flotten Zugang und es wird nichts ausgeblendet, was von Interesse sein könnte: rhythmische Herausforderungen, Geläufigkeit, technische Künste wie Bellowshakes kommen vor. Mir gefällt auch die Stückauswahl. Die Stücke sind abwechslungsreich. Langweilig wird das bestimmt nicht. Und weil es so schön farbig ist (und z.B. auch einen roten Fingersatz für Pianoakkordeons enthält) und schöne nette Bildchen, macht es einen schönen Eindruck, der manche "Fiesigkeit" versteckt. Ich liebe es, andere sehen es
kritischer. Für Masochisten und Umsteiger mit Ansprüchen geeignet. Nicht für langsamgängige Anfänger und haptile Tollpatsche.
Unsere Schweizer Freunde hatten noch
D.Schmitz J. Draeger. Schule für das chromatische Akkordeon. 5. Fingersatz am Start. Das zweibändige Werk von 1989 ist zurzeit zumindest in Deutschland nicht erhältlich. Inhaltlich scheint es sich an die Holzschuh-Akkordenschule anzulehnen. Zumindest fand ich im ersten Band einige Stücke, die mir ziemlich bekannt vorkamen. Auch das optische Erscheinungsbild ist ähnlich. Im Gegensatz zu Galliano geht dieses Buch viel langsamer vor. Zuerst kommt die rechte Hand, dann auf einfache Melodien im Fünftonraum der Um-bah-bah-Bass, wie das fast alle von uns gewöhnt waren oder sind. Das Buch kommt ohne CD und ist von der Aufmachung her ein typisches Werk aus der Vergangenheit: Typisch pädagogisch mit Merksätzen im Rahmen und einem Aphorismus am Anfang des zweiten Bands: "TROST: Musik besteht zu neunzig Prozent aus der Fähigkeit, mit den Noten auszukommen, die man nicht leiden mag". Euphorie und Begeisterung geht anders. Das Werk kommt irgendwie technisch-sachlich-nüchtern daher. Das ist die Stärke, aber auch die Schwäche des Buches. Stark, weil es systematisch vorgeht, schwach, weil mir das Werk irgendwie die Leidenschaft entzieht. Ich glaube, ich könnte mich damit nicht recht motivieren. Wer aber dieses Vorgehen liebt, der kommt damit nach einiger Zeit auf ein solides Niveau, das neben Doppel- und Mehrfachgriffen auch die Beherrschung auch des Grundbass-Spiels beinhaltet. Von den Stücken her enthält es neben den obligatorischen Etüden Volkslieder aus dem deutschen Sprachraum und ein paar amerikanische Sachen. Tangos, 7/8-Taktiges aus Südosteuropa oder Klezmer findet man nicht.