Hallo Sanista
Ich erlaube mir, hier einen kleinen Beitrag zur Diskussion zu leisten. Ich kann deinen Wunsch nach einem authentischen Bandoneonklang auf Akkordeon gut nachvollziehen. Ich komme selber ursprünglich vom Akkordeon und bin auf der Suche nach einem Instrument mit Einzeltonbass und der Möglichkeit des zweihändigen polyphonen Spiels auf das Bandoneon gestossen. Die letzten zwei Jahre hab ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt und die verschiedenen Möglichkeiten ausgetestet.
Zuerst bin ich auf das C-/B-Griff-Hybrid-Bandoneon von Harry Geuns gestossen.
http://www.youtube.com/watch?v=GAzQRwhVyVQ&feature=related
Da schien mir vorteilhaft, dass die durchgehend symmetrische Tonanordnung (wie ein dreireihiges C-Griff-Akkordeon, im Bass mit tiefen Tönen oben) und die identischen Fingersätze für rechte und linke Hand eine schnellen Lernfortschritt ermöglichen. Ich hab mir so ein günstiges Einsteigermodell gekauft, und tatsächlich, man lernt darauf rasend schnell (ich kannte C-Griff schon vom Akkordeon). Nachteile waren mit der Zeit für mich der rel. geringe Tonumfang (E bis b1 im Bass und g bis cis3 im Diskant), die Notwendigkeit, den Arm unter den Halteriemen vertikal zu verschieben, um den ganzen Tonumfang bespielen zu können und, am wichtigsten, der Sound, der zwar einem Bandoneon nicht unähnlich ist, doch aufgrund der Akkordeonstimmzungen und der maschinellen Fertigung eben doch deutlich anders klingt und bezüglich Ansprache nicht durchgehend gleich gut ist. Ich hab dann auf das Profi-Hybrid-Modell von Geuns geschielt, welches es nur auf Bestellung in Einzelanfertigung gibt (Wartezeit 1,5 bis 2 Jahre).
http://www.youtube.com/watch?v=9WyWF-P8sbw&p=3AF61CB32D3949B2&playnext=1&index=38
http://www.youtube.com/watch?v=Z2ccq3SoPTw
http://www.youtube.com/watch?v=YaOYzoG7LBM
Da ich mir nicht die Katze im Sack kaufen wollte, hab ich das Instrument bei einem anderen Käufer ind der Nähe angespielt. Das Instrument ist sehr edel verarbeitet und hat Zink-Stimmplatten. Es kommt dem historischen Bandoneon sehr nahe, doch wie soll ich sagen.... irgend etwas hat mir gefehlt.... das Instrument klang irgendwie sehr metallisch/kühl, es fehlte mir dieser holzig-luftige Anteil am Sound, die Wärme, die trotz aller Schärfe bei den alten Bandoneons durchdringt. Ich hab dann nachgefragt, woran das liegen könnte. Es hätte mit der Qualität der Stimmplatten zu tun, die sie vorgefertigt geliefert bekämen und die je nach dem variiere. Vielleicht war das Instrument auch nicht voll eingespielt. Meiner Meinung nach hat es auch ganz einfach mit der symmetrischen Anordnung der Töne in kleinen Terzen zu tun. Dadurch kommen auf eine Stimmplatte die immer gleichen vier Töne zu liegen. Da beim Spiel ja nicht nur die eine Stimmzunge schwingt, sondern die ganze Stimmplatte Virbrationen erfährt, ergibt sich dadurch ein ganz anderes Obertonspektrum als bei einem Bandoneon in rheinischer Lage, wo durch das "bunt gemischte" Layout und die Wechseltönigkeit (zwei unterschiedliche sich gegenüberliegende Stimmzungen für Druck und Zug auf den Stimmstöcken) die Anzahl unterschiedlicher Töne pro Stimmplatte um einiges höher liegt. Ich möchte betonen, das ich nur dieses eine Hybrid-Instrument gehört habe und ich keine generelle Aussage über diese Instrumente machen möchte. Falls du wirklich absolut entschieden bist, dich nicht auf ein wechseltöniges Instrument einlassen zu wollen, würde ich dir ein solches Bandoneon empfehlen, da es als gleichtönige Alternative mit logischem Layout dem Original am nächsten kommt.
Nun, da mir unter den oben beschriebenen Voraussetzungen das Risiko zu hoch war, ein Instrument zu erwischen, mit dessen Klang ich nicht so glücklich bin, hab ich weiter gesucht. So bin ich auf die Bandonion- und Concertinafabrik in Klingenthal gestossen.
http://www.bandonion-klingenthal.de/deu/index2.htm
Die haben sich das Alfred Arnold-Label schützen lassen und haben in den letzten Jahren intensiv am Klang der alten Arnold-Bandoneons geforscht. Seit einiger Zeit bauen sie solche Instrumente nach historischem Vorbild neu. Ich kann diese Firma sehr empfehlen, die Leute sind sehr nett und hilfsbereit, und sie bieten die Möglichkeit, ein Bandoneon auf Probe zu mieten. Abgeschreckt von all den Klagen über das fürchterlich schwierige System der wechseltönigen Instrumente, entschied ich mich, ein chromatisch gleichtöniges Instrument auszuprobieren. Ich war vom Instrument recht angetan, der Klang des Bandoneons war authentisch, doch auch hier ergibt sich ein leicht anderes Obertonspektrum aufgrund der Tonanordnung auf den Stimmplatten. Natürlich musste es erst eingespielt werden, vor allem die noch steifen Lederventile liessen das Instrument noch etwas roh klingen, doch das gab sich nach einigen Wochen. Allerdings konnte ich mich mit der chromatischen Tonanordnung nicht anfreunden. So gut dieses System sich für ein Knopfakkordeon eignet, so sehr fühlt es sich beim Bandoneon wie etwas an, was nicht für dieses Instrument konzipiert ist. Da der Daumen nicht für das Spielen verwendet werden kann und man die Tasten nicht von oben (mit beweglichem Unterarm wie beim Akkordeon) erreicht, ergibt sich eine in vielen Fällen unergonomische Spielweise, vor allem an den Enden der beiden Tastaturen.
Nun, zu guter letzt hab ich mich an das Undenkbare gewagt. Ich hab mir bei der Bandonionfabrik das klassische Bandoneon in rheinischer Lage bestellt. Ich spiele es seit drei Monaten und bin damit überglücklich. Ich kann diese Instrumente wärmstens empfehlen. Die Bandonionfabrik ist meines Wissens die einzige, welche ihre Stimmplatten selbst herstellt, und das Instrument klingt wirklich genau so, wie man es von einem alten Bandoneon erwartet (auch hier mir der Einschränkung, dass die Instrumente eine gewisse Einspielzeit benötigen). Von einem Instrument dieser Bauart gibt es meines Wissens (noch) keine Videos auf You-Tube.
Ich weiss nicht, wie lange du es mit dem wechseltönigen Bandoneon versucht hast. Ich kann dir nur raten, einfach noch mal einen Anlauf zu nehmen. Es stimmt, es ist am Anfang etwas schwerer zu lernen als andere Instrumente (auch im Vergleich mit dem Hybrid-Bandoneon ist das festzustellen). Doch chaotisch ist die Tonanordnung nicht, denn wenn man sich eine Weile damit beschäftigt, stellt man fest, wie wunderbar die meisten Skalen und Akkorde in der Hand liegen und wie schnell und flüssig sich Passagen spielen lassen, für die man auf einem Akkordeon weite Sprünge ausführen müsste. Unser Gehirn besitzt die wunderbare Fähigkeit, Bewegungsabläufe zu automatisieren, und so lässt sich auch ein solches Instrument bändigen. Der Schlüssel dazu ist so einfach wie selbstverständlich: üben, üben, üben!!! Ich hab mich jedenfalls dafür etschieden, weil ich mich in diesen Klang verliebt habe und dies der Bereich ist, wo ich keine Kompromisse eingehen will. Nicht zuletzt ist dieses Instrument ein Segen für die Gehirnzellen
Nach meiner Odyssee und all dem Ausprobieren wage ich zu behaupten: Wenn du
den Bandoneonklang suchst, wirst du nicht darum herum kommen, genau dieses Instrument zu lernen. Alles andere ist ein Kompromiss (mit dem man natürlich auch leben kann, wenn man will). Beim "Akkordeon mit Bandoneonklang" wirst du vor allem auf der Bassseite Probleme haben, wie hier auch schon angesprochen wurde. Selbst wenn du eines mit MIII zulegst: es wird konstruktionsbedingt (die Töne werden beim Bandoneon auf der Basseite durch das sog. Brummkästchen geschickt) völlig anders klingen. Das erwähnte ELA-Akkordeon mit Zinkplatten auf
http://www.akkordeon-maurer.de/verkauf.asp?id=2&id2=1&lang=1 klingt übrigens für mich immer noch klar nach Akkordeon und nicht nach Bandoneon.
Lieber Gruss und ich hoffe, ich konnte dir mit diesen Überlegungen ein bisschen weiterhelfen
Robi